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StartVerteidigungDas falsche Bild von Russland

Das falsche Bild von Russland

In den vergangenen Jahren habe eine verzerrte Sicht auf Russland geherrscht, sagte Prof. Dr. Burkhard Meißner, Lehrstuhlinhaber an der Universität der Bundeswehr in Hamburg sowie Gründungsmitglied des German Institutes for Defence and Strategic Studies, beim heutigen Defence Day des Behörden Spiegel. Das wissenschaftliche Bild und dessen Analysen seien zu stark von Soziologen und Politologen getragen worden, statt auch Sprach- und Kulturwissenschaftler mit deren Möglichkeiten zur historischen Einordnung zu hören. Dadurch herrsche auch heute noch – trotz des Angriffs auf die Ukraine – ein falsches Bild von Russland.

Ein Resultat aus dieser verschobenen wissenschaftlichen Schwerpunktsetzung sei, dass das eigene Selbstbild zu stark auf andere Kulturen übertragen werde, beschrieb Meißner. Hierzu gehöre beispielsweise die oftmals zu hörende Ansicht, dass Russland sich in der aktuellen Situation von innen heraus ändern werde, wofür Meißner wenig Hoffnung sieht. Während beispielsweise Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg seine nationalsozialistische Vergangenheit kritisch aufarbeitete, habe ein ähnlicher Prozess zur Verurteilung der stalinistischen oder sowjetischen Ära in Russland nie wirklich stattgefunden. Vielmehr habe eine Kommission für historische Wahrheit ein Bild festgelegt, das in den Schulen und Universitäten zu lehren sei – und dies erlaube keine negative Betrachtung der russischen Geschichte.

Die Bevölkerung habe dementsprechend keine Möglichkeiten, sich eine wirklich neutrale Meinung zu bilden. „In Russland wird das, was amtlicherseits für die Wahrheit gehalten wird, mit Gewalt durchgesetzt“, betonte Meißner. Die verzerrte, von der Regierung vorgeschriebene Wahrnehmung durchdringe dementsprechend sowohl die Regierung, den Öffentlichen Dienst als auch die Ansichten der normalen Menschen. „Hat die russische Bevölkerung überhaupt die Chance wahrzunehmen, dass ein Sturz möglich wäre“, fragte Meißner. „Es gibt schließlich keine Opposition.“

Da die Regierungsmeinung sehr einheitlich vorgetragen werde, sei die Versuchung in den freiheitlichen Staaten groß, zumindest Teile für wahr zu halten. Ganz dem demokratischen Prinzip folgend. Die russische Regierung nutze dies nun gezielt, um Wörter und Gedanken zu platzieren. Dazu zähle das angebliche russische Bedürfnis nach Sicherheit. „Dass Russland sich bedroht fühlt, heißt ja nicht, dass es auch bedroht ist“, sagte Meißner. Die russische Rhetorik nutze Wörter und bediene Bilder aus der Zeit der Sowjetunion. Meißner führte aus: „Pufferzone ist ein Begriff aus der Zeit, als die Souveränität aller Völker noch keine Geltung besaß.“

Ein Punkt, den auch der ehem. Präsident des Europäischen Parlamentes und ehem. Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung, Dr. Hans-Gert Pöttering, aufgriff. „Niemand auf der Welt hat das Recht, über die Sicherheit anderer Staaten zu entscheiden“, betonte Pöttering. „Deshalb kann die Argumentation des russischen Machthabers nicht sein, dass er – vielleicht gemeinsam mit den Amerikanern – über das Schicksal und die Bündnisse souveräner Staaten entscheidet. Das ist das Denken in alten Machtblöcken.“

Jedes Land habe das Recht, sich jedem von ihm gewählten Staatenbündnis anzuschließen. „Es gilt das Selbstbestimmungsrecht der Völker.“

Die Aufzeichnung des Defence Days „Ukraine – Analyse und Ausweg“ ist hier abrufbar: https://www.digitaler-staat.online/2022/03/10/defence-day-ukraine-analyse-und-ausweg/

Die bisherige Berichterstattung des Behörden Spiegel zum Ukraine-Krieg finden Sie hier.

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