Nach Jahren der Planung, Abstimmung und Konzeption geht das Programm P20 endlich in die Umsetzungsphase. Der Aufbau eines bundesweit einheitlichen Informationsmanagements für die Polizei nimmt Gestalt an. Anfang März dieses Jahres war es soweit: Die Bundesdruckerei erhielt von der Programmleitung den Auftrag das „initiale Datenhaus“ von P20 (früher Polizei 2020) zu errichten. Als zentrale Komponente des künftigen einheitlichen polizeilichen Informationssystems dient das Datenhaus nicht nur der standardisierten Datenablage für alle Polizeien, sondern es soll auch einheitliche Funktionen und digitale Prozesse für Fachverfahren bereitstellen.
Die Bundesdruckerei wird nunmehr mit Unterstützung von Sopra Steria nach der polizeifachlichen Federführung von P20 eine initiale Version dieses Datenhauses produzieren: nach einer Machbarkeitsstudie und der Konzeptionsphase soll ein operativer Proof of Concept (PoC) aufgebaut und betrieben werden, der für Tests der unterschiedlichen Komponenten, die von anderen Teilprojekten realisiert werden, und für die Integration des Gesamtsystems zur Verfügung steht. Die Arbeiten haben bereits begonnen. Über die endgültige Implementierung und den Betrieb des Datenhauses wird im Verlauf des Programms P20 noch entschieden werden müssen.
Ebenfalls im Zeitplan befindet sich das komplexe Ausschreibungsverfahren für die „Rahmenvereinbarung zur Umsetzung der digitalen Transformation Polizei“, mit der die Programmleitung von P20 einen geeigneten Dienstleister beziehungsweise „Transformator“ ermitteln will, der sie in den nächsten Jahren bei der Ausgestaltung und Integration der zahlreichen Projekt- und Teilprojektkomponenten, das heißt auch bei der Einbindung des Datenhauses unterstützt. Nur zur Erinnerung: Der Vertragsentwurf sieht ein Gesamtvolumen von 165 Millionen Euro vor. Eine Deckelung beschränkt die Gesamtausgaben auf 247,5 Millionen Euro. Vorgesehen ist eine Laufzeit von fünf Jahren mit der Option auf zwei zweijährige Verlängerungen, also eine Höchstlaufzeit von neun Jahren.
Bewertungsverfahren läuft
Mitte Februar war Deadline für die Angebote. Derzeit läuft das Bewertungsverfahren. Angeboten haben wie erwartet insgesamt vier Konsortien unter der Anführung von Materna/Infora, Accenture, Atos und msg. Bei jeweils sechs geforderten Konzepten und vier Bewerbern ist das ein beachtliches Lesepensum für die Auswahlkommission. Gesamtprogrammleiter Holger Gadorosi zeigt sich angetan von der Qualität der Angebotsunterlagen, die angemessen auf die P20-Anforderungen eingingen: „Offensichtlich war unsere Ausschreibung verständlich.“ Gadorosi ist zuversichtlich, dass das Programm wie avisiert im Juni den Zuschlag erteilen wird. Mit etwas Glück werden die Absagen an die Unterlegenen schon im Mai rausgehen. Zuvor wird selbstverständlich noch der P20-Verwaltungsrat über das Ergebnis des Verfahrens informiert werden.
Daneben geht das Vergabeverfahren für eine bedeutende P20-Fachanwendung, für das einheitliche Asservatenmanagement-System (eAMS) der Polizeien, in die entscheidenden Verhandlungsrunden mit den Bietern. Diese brauchen erfahrungsgemäß Zeit, da die Vergabestelle in jeder Runde mit allen Bietern sprechen muss. Dennoch will die Programmleitung den Zuschlag im dritten, spätestens im vierten Quartal 2022 erteilen. „Wir sind da optimistisch“, sagt Gadorosi.
Auch die Vergabe zur Anpassung des ausgewählten Produkts für die Umsetzung der einheitlichen Akte in Strafsachen (EAS) ist laut Gadorosi im Zeitplan und soll spätestens Anfang des dritten Quartals bezuschlagt werden. Dies ist nötig, da die Justiz ab dem Jahr 2026 Strafakten nur noch auf dem digitalen Weg entgegennehmen wird und eine längere Prozessintegrationsphase zwischen Justiz und Polizei geplant ist.
Gespräche über iVBS
Parallel zu den Vergabeverfahren finden derzeit Gespräche mit Dataport statt, das perspektivisch die ausgewählten Interims-Vorgangsbearbeitungssysteme (iVBS) aus den Bundesländern und für die Bundesländer betreiben soll, bis das Datenhaus und die damit bereitgestellten Funktionen und Prozesse die monolithischen VBS obsolet machen. Der künftige Transformator, ist er erst einmal ausgewählt, wird viel Integrationsarbeit zu leisten haben.
Die Autorin des Beitrags ist Dr. Barbara Held.