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StartVerteidigungDie Ukraine retten – und "Putin ernst nehmen"

Die Ukraine retten – und „Putin ernst nehmen“

Zwei Bemerkungen der Alt-Kanzlerin Angela Merkel bei der Eröffnung der „Bundeskanzler-Helmut-Kohl-Stiftung“ erfordern einen Blick auf die politische und militärische Lage rund um den von Putin gewollten Angriffskrieg. Die angekündigten und durchgeführten politischen Maßnahmen Russlands in den besetzten Gebieten der Ukraine und die von Putin verkündete Teilmobilmachung der Streitkräfte haben kontroverse Debatten in den Demokratien zum weiteren Vorgehen gegen den russischen Angriffskrieg wieder befeuert. Das insbesondere auch deshalb, weil durch die erfolgte illegale  Annexion der Ost- und Südukraine diese jetzt als „russisches Territorium“ aus russischer Sicht mit allen Mitteln – ggf. auch nuklearen – gegen Angreifer verteidigt werden muss und wird. Dazu hat sich neben Putin selbst auch Medwedew lautstark geäußert.

Zwei Aussagen der Alt-Kanzlerin stehen in Spannung zueinander, einerseits „alles daransetzen, die Souveränität und die Integrität der Ukraine zu schützen und wiederherzustellen“, andererseits „sollte man Putins Worte ernst nehmen und sich damit ernsthaft auseinandersetzen“.

Die erste bekräftigt klar den von EU und NATO mit ihren Mitgliedstaaten verfolgten Zweck, den Ukrainern weiter zur Hilfe zu eilen, wo sie derer bedürfen, um ihre Eigenständigkeit und Identität zu wahren und ihr Territorium zu befreien. Die zweite kann andeuten, dass man wegen der ausgeweiteten russischen Drohungen in Verbindung mit den Annexionen von vier Oblasten diese Unterstützung überprüft und ggf. anpasst, ja reduziert.

Tatsächlich erfordern die letzten russischen illegalen Aktionen und die Teilmobilmachung erstens die militärische und politische Unterstützung der Ukraine zügig und deutlich zu verstärken und zweitens die wirksame Abschreckung gegenüber der erneuten russischen atomaren Drohung glaubwürdig zu erhöhen. Denn beides sind notwendige Voraussetzungen, um über den Weg zu einer auch territorial geeinten ukrainischen Nation zum Frieden in und für Europa zurückzukehren.

Sollte Putin die andauernde Unterstützung der Ukraine nach der Annexion der besetzten Gebiete als offenen Kriegseintritt der beteiligten Staaten bewerten und planen und sogar entscheiden, militärisch auch gegen den einen oder anderen unterstützenden Staat militärische Mittel einzusetzen, dann kommt es bereits jetzt darauf an, dass NATO und EU schon vor Putins Entscheidung sein Kalkül einer „Eskalation zur Deeskalation“ gemäß der russischen Doktrin untergraben. Dafür ist es notwendig, dass NATO, EU und alle Partner sich der lautstark artikulierten Eskalationsdrohung nicht beugen, sondern politisch und militärisch klarmachen, dass jede Steigerung des Angriffskrieges gegen die Ukraine mit Einsatz von Massenvernichtungswaffen einen massiven Schlag gegen seine Streitkräfte und gegen weitere militärische Ziele in den besetzten Gebieten sowie auch darüber hinaus zur Folge haben kann und wird. Und wenn Russland tatsächlich nach der illegalen Annexion von vier Oblasten einen unterstützenden Staat der NATO oder der EU angreift, dann gilt, dass jedes russische Territorium kein militärisches Sanktuarium mehr ist. Denn es ist gegen die Konzeption des transatlantischen Bündnisses, dass einem Angriff gegen ein Land der Allianz nur dort begegnet wird, wo der Angreifer seine Operation auslöst.

Zurück zu der zweiten Aussage der Altkanzlerin, die sie noch untermauert mit dem Hinweis, dies sei „beileibe kein Zeichen von Schwäche oder Beschwichtigung, sondern ein Ausweis politischer Klugheit“. Diese Aussage für sich erscheint allgemein eher akzeptabel. Leider lässt sie die Leser nicht wissen, wie sie denn das „Ernst-Nehmen“ der russischen Eskalationsdrohung mit dem davor erklärten umfassenden Einsatz für die Ukraine in Einklang bringen will.

Es bleibt offen, ob dahinter ihr Rat steht, aufgrund der russischen Annexionen in der Ost-Ukraine den politischen Zweck, die Ukraine zu unterstützen, eher einzuschränken. Wenn „ernsthaft prüfen“ ein Ausweis von Klugheit ist, dann könnte diese ja gerade gebieten, nicht den Umfang des Einsatzes für die Unabhängigkeit der Ukraine zu hinterfragen, sondern diese neueste Eskalationsdrohung Russlands durch glaubwürdig aufgezeigte wirksame eigene Handlungsoptionen in seiner Wirkung zu entkräften. Das Szenario (FAZ vom 26.09.) mit einer (rein) konventionellen militärischen Antwort auf die russischen Streitkräfte (nur) in der Ukraine wird Putins Risikokalkül wahrscheinlich nicht so beeinflussen, dass er seine „Eskalation zur Deeskalation“ aufgibt. Es wird erforderlich sein, dass die USA die dreifach wiederholten Warnungen ihres Präsidenten an Putin: „Don’t (do it), don’t, don’t, don’t“ mit wirksamen und glaubwürdigen Handlungsoptionen im direkten Austausch untermauern und alle Alliierten dahinter versammelt.

Und wenn die Alt-Kanzlerin Kohl zustimmend zitiert mit den Worten „entscheidend ist, was hinten herauskommt“, dann kommt es heute und morgen für den ins Auge zu fassenden Frieden darauf an, dass die Ukraine und Russland in ihren anerkannten Grenzen souverän wieder bestehen und fortbestehen.

Der Autor des Gastbeitrags ist Generalleutnant a.D. Dr. Klaus Olshausen.

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