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StartVerteidigungAngela Merkel – keine Selbstkritik für "Germany first"

Angela Merkel – keine Selbstkritik für „Germany first“

Vor wenigen Tagen hat Angela Merkel der Welt noch einmal aufgezeigt, dass ihre Erdgaspolitik seit Beginn ihrer Kanzlerschaft unter dem Motto stand: Deutschland zuerst.

Wie anders soll man es verstehen, wenn sie die deutsche Abhängigkeit von russischem Erdgas von Beginn ihrer Kanzlerzeit vorangetrieben hat, ohne eine gemeinsame Position in der EU und vor allem mit den osteuropäischen Staaten der EU und der NATO zu wollen bzw. nur zu ihren Bedingungen zu akzeptieren. Und dies begründet sie mit Hinweis auf die „ununterbrochene Lieferbereitschaft der Sowjetunion“, obwohl sie in ihrer ersten Begegnung mit Putin, dessen Charakter schon durchschaut zu haben vorgibt (1. Interview nach Ende der Kanzlerschaft). Dass sie diese Legende einer vernünftigen politischen Entscheidung noch heute aufrechterhält, nachdem sie in politischer Verantwortung den russischen Krieg gegen Georgien, die skrupellose Annexion der Krim durch Russland und den brutalen russisch gesteuerten Krieg der Separatisten in der Ostukraine sozusagen aus der Regierungszentrale hätte beurteilen und einordnen können, ja müssen, erstaunt den kundigen Leser.

Sie hat nach den politischen und kriegerischen Ereignissen 2014 und dem kritisch zu bewertenden Minsk II Dokument vom Februar 2015, das Russland die permanente Destabilisierung der Ukraine ermöglichte, es für richtig gehalten, noch eine zweite deutsch-russische Nordstream Gasleitung zu genehmigen auch gegen den Grundsatz der Diversifizierung im Energiekonzept der EU, das sie beim Europäischen Rat im Dezember 2014 mit gebilligt hatte. Dies hatte offensichtlich den Zweck, einen mit Nordstream 1 bereits bestehenden direkten Lieferweg zwischen Russland und Deutschland zu erweitern, ohne künftig andere fragen oder beteiligen zu müssen. Noch weit vor der US-Präsidentschaft von Donald Trump war das Unilateralismus in Vollendung.

Ihr frühes Erkennen des Charakters von Putin hat offensichtlich trotz all seiner aggressiven Kriege und der langen und im Endergebnis niederschmetternden Texte von Minsk II mit folgenden acht Jahren Krieg in der Ostukraine auch am 14. Oktober 2022 nicht zu einer nachdenklichen Einschätzung geführt. Im Gegenteil: Sie betont selbstbewusst, das seien „rationale und nachvollziehbare Entscheidungen“ gewesen und – so Frau Merkel weiter: „insofern bereue ich die Entscheidungen überhaupt nicht“.

Es erstaunt schon, dass die Altkanzlerin auch heute noch erst „mit dem 24.Februar 2022 eine Zäsur“ einräumt. Diese hätte sie als verantwortliche europäische und deutsche Politikerin spätestens 2014 erkennen können, ja müssen. Insofern hat die „Deutschland-zuerst-Politik“ beim Erdgas und beim Ausstieg aus der Kernenergie jetzt zu einer ernsthaft kritischen Lage geführt, die nun andere bewältigen müssen. Dass ein anderes Handeln damals angeraten war, haben ihr und ihrer Regierung in Deutschland, aber auch in der EU zahlreiche Repräsentanten vorgeschlagen, ja gefordert – aber ohne Erfolg.

Putin nach eigener Aussage früh erkannt zu haben und dann die Ereignisse seit der Münchner Rede Putins 2007 so sträflich falsch beurteilt zu haben, das wird Gegenstand der historischen Beurteilung ihrer Kanzlerschaft bleiben. Dass sie nun so tut, als ob alles erst nach dem Ende ihrer Kanzlerschaft im Dezember 2021 klar wurde und zu anderen Entscheidungen führen musste, kann nur als eine wenig überzeugende Ablenkung von eigenen fehlerhaften Urteilen und Handlungen bewertet werden.

Wenn sie heute noch sagt, dass sie diese Entscheidungen zu massiven russischen Gaslieferungen nicht bereut, dann versperrt sie sich der Einsicht, dass Wirkungen eigenen Handelns auch dann noch auf einen selbst zurückgeführt werden, wenn diese Folgen erst später brutal zur Wirkung kommen, aber zum Zeitpunkt der Entscheidung schon Gegenstand gründlicher Beurteilung hätte sein müssen. Dass sie persönlich nicht bereut, ist ihre Sache, dass das Regierungshandeln ihrer Kanzlerschaft in den Energiefragen mit einem Reconquista-Putin zu einem Eklat führen könnte, ja würde, wird in der historischen Analyse und Bewertung erhalten bleiben.

Wenn Angela Merkel zu dieser historisch-kritischen Bewertung noch nicht bereit ist, dann wäre es besser gewesen zu schweigen, als mit ihrer Aussage die kritische Bewertung geradezu herauszufordern. Gerade im weiten Feld der Energieversorgung gibt es ein umfangreiches Feld der ökonomischen wie geo-politischen Voraussetzungen. Bei der Analyse und Kritik ist es angemessen, ja notwendig, einige Voraussetzungen über diejenigen Dinge aufzuhellen, die sich nicht wirklich zugetragen haben, die aber wahrscheinlich waren. Diese dürfen schlechterdings aus der kritischen Betrachtung nicht ausgeschlossen werden.So waren die warnenden, kritischen Stimmen über die zu hohe Abhängigkeit Deutschlands von Lieferungen der Russischen Föderation, die eben erkennbar nicht sowjetischer Status quo Politik folgte, nicht zu überhören. Damit hat Deutschland in Energiefragen nach dem Grundsatz gehandelt „es ist noch immer gut gegangen“ und ist deshalb mitverantwortlich für die Ausgangslage bei Kriegsbeginn. Dass der jetzige „Schuss ins eigene Knie“ erst 2022 ausgelöst wurde, ändert nichts daran, dass die Voraussetzungen in der nach 2014 weiter verfolgten Energiepolitik mit einem aggressiv handelnden Russland liegen. Also, weniger selbstgerechtes      eher selbstkritisches Verhalten ist angesagt.

Der Autor des Gastbeitrags ist Generalleutnant a.D. Dr. Klaus Olshausen.

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