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StartSicherheit“Wir kommen als Helfer und gehen als Opfer!”

“Wir kommen als Helfer und gehen als Opfer!”

Die Bilder der Ausschreitungen und Angriffe auf Einsatzkräfte von Feuerwehr und Polizei in der Silvesternacht wirken auch Tage nach den Ereignissen nach. Im Interview erklärt Siegfried Maier, Bundesvorsitzender der Deutschen Feuerwehr-Gewerkschaft (DFeuG), was die Angriffe mit den Feuerwehrkräften machen und ob ein Feuerwerksverbot zielführend ist. Die Fragen stellte Bennet Biskup-Klawon.

Behörden Spiegel: Was haben Ihnen Ihre Gewerkschaftsmitglieder und Feuerwehrkameraden von der Silvesternacht geschildert?

Siegfried Maier: Unsere Gewerkschaftsmitglieder und Feuerwehrkameradinnen und -kameraden berichten uns seit der Silvesternacht von den Angriffen auf die Einheiten der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr, aber auch von Angriffen auf die Kolleginnen und Kollegen der Polizei. Im Wesentlichen wird uns das berichtet, was momentan in den Medien schon zu lesen und zu hören war.

Bei uns landen aber auch die Gedanken und Ängste, die nach den Angriffen bei den Einsatzkräften hängen bleiben, Unverständnis, Wut, Angst und der Wunsch nach Bestrafung solcher Gewalttaten: “Wir kommen als Helfer und gehen als Opfer! Ist das unsere Zukunft als Rettungskräfte? Wieso wird dies toleriert und evtl. Strafen sind nicht wahrnehmbar? Die Angriffe und Gewalttaten gegen Helfer haben jetzt eine neue Qualität, die Spirale hat sich sehr deutlich weitergedreht. Absichtliche Hinterhalte gegen Feuerwehr und Rettungsdienst, waren in dieser Nacht gefühlt vorbereitet. Verletzungen, Traumata und vielleicht sogar das Töten von Einsatzkräften waren geplant? Was ist die nächste Stufe? Werden bei den nächsten Feierlichkeiten vielleicht sogar Feuer-, Rettungswachen und Notaufnahmen gestürmt, um hier zu vollenden, was auf der Straße nicht vollbracht wurde? Wer hilft uns jetzt?“

Solche Fragen und Gedanken werden von den Kolleginnen und Kollegen nun gestellt und zeigen, diese Nacht hat Wunden und Traumata hinterlassen.

Behörden Spiegel: Sind Angriffe auf Großstädte und Ballungszentren beschränkt?

Maier: Angriffe gegen Einsatzkräfte sind nicht auf Großstädte und Ballungszentren beschränkt. Es gibt immer wieder auch Berichte, dass auch auf dem Land Angriffe gegen Einsatzkräfte erfolgen. Allerdings sind diese Angriffe dort (noch) nicht so häufig. In Großstädten und Ballungszentren sind diese Taten aber sehr viel zahlreicher. Auch in den einzelnen Städten gibt es Unterschiede in den Bezirken und Stadtteilen.

Behörden Spiegel: Wie können solche Angriffe verhindert werden?

Maier: Ob Angriffe generell verhindert werden können, wage ich zu bezweifeln. Es muss aber verhindert werden, dass Täter straffrei davonkommen. Die Einsatzkräfte müssen erfahren, dass sie nicht alleine gelassen werden und sie müssen sehen, dass Angriffe verfolgt, aufgeklärt und bestraft werden. Es muss für Einsatzkräfte wie auch vor allem für potenzielle zukünftige Täter erkennbar sein, dass solche Taten eine besondere Relevanz für unsere Gesellschaft und den Staat haben. Urteile müssen häufiger sichtbar gemacht werden! Sie müssen schnell erfolgen. Hier kann auf die Sondereinsatzlagen mit z. B. mobilen Justizzentren, Sonderstaatsanwaltschaften sowie Richterinnen und Richter z. B. beim G7 Gipfel in Elmau hingewiesen werden. Die Deutsche Feuerwehr-Gewerkschaft weist bereits seit 2016 auf Gewalt gegen Einsatzkräfte hin und sensibilisiert. Seit 2018 gibt es dazu eine Zehn-Punkte-Forderung. Wir brauchen aber auch spezielle Therapie- und Versorgungslösungen für Kolleginnen und Kollegen, die durch Angriffe verletzt wurden. Hier ist auch wichtig, dass nach einem Trauma, körperlich wie psychisch, schnelle Hilfe erfolgt. Die Besonderheit unserer Helfer muss auch besonders gezeigt werden.

Behörden Spiegel: Was sind weitere Stellschrauben? 

Maier: Eine Verbesserung der Ausrüstung ist ein weiterer Pfeiler, der helfen kann, aktiv wie passiv den Schutz in besonderen Einsatzlagen zu verbessern. Bodycams wie auch Dashcams können helfen, Täterinnen und Täter zu identifizieren. Dies könnte vor allem einen gerichtsfesten Vorteil schaffen, ohne Einsatzkräfte abstellen zu müssen, die das Einsatzszenario beobachten, um hinterher eine Identifizierung der Täterinnen und Täter zu ermöglichen. Die Berichte über die Erfahrungen bei der Deutschen Bahn und der Polizei lassen auch hoffen, dass die zukünftige Ausrüstung mit solchen Dokumentationsgeräten Einsatzlagen deeskalieren kann. Böllerverbote und Feuerwerkverkaufsverbote sind, aus meiner Sicht, wichtig zu diskutieren. Mit dieser Diskussion müssen die Fragen nach Erforderlichkeit, Eignung und vor allem der Verhältnismäßigkeit einhergehen. Wenn es nicht gelingt, geeignete Maßnahmen “einzuführen”, die Einsatzkräfte schützen und erkennen lassen, dass diese besonders schützenswert sind, dann ist eine generelle oder örtlich begrenzte Reglementierung von privatem Böllern und Feuerwerk aus meiner Sicht die Ultima Ratio. Hier muss aber auch ein Ersatz – öffentliche Feiern mit Feuerwerk – angeboten werden und eine Möglichkeit der sofortigen Sanktionierung (mobile Justizzentren) sichergestellt sein. Sonst läuft eine solche Maßnahme ins Leere. Ich hoffe aber, dass andere Möglichkeiten gefunden und umgesetzt werden.

Behörden Spiegel: Wo ist die Politik gefordert?

Maier: Die Politik ist jetzt schnell gefordert. Sie muss es schaffen, verloren gegangenes Vertrauen der Einsatzkräfte wieder herzustellen. Sie muss tragbare Lösungen entwickeln und umsetzen. Nicht erst in fünf Jahren – wir brauchen diese jetzt! Viele Chancen hat die Politik nicht, um das System der Gefahrenabwehr in der jetzigen Form halten zu können. Vielleicht ist das nächste Silvester die letzte Chance! Natürlich sind die Analyse und das Benennen der Realitäten wichtig und müssen erfolgen, aber für die Einsatzkräfte sind die Ergebnisse, die man auf den Straßen merkt, das Maß, an dem die Politik gemessen wird.

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