Die Fahrradfreundlichkeit hat sich in den vergangenen Jahren in Deutschland verbessert. Dennoch fühlen sich nur circa 60 Prozent der deutschen Fahrradfahrenden ausreichend sicher im Straßenverkehr. Gerade in großen Städten ist in Bezug auf das Sicherheitsgefühl für Radfahrende noch viel Luft nach oben.
Diese Erkenntnisse zeigt der Fahrrad-Monitor 2023 auf, der vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) aufgestellt wurde. Darin wurden 4.003 Bürgerinnen und Bürger im Alter zwischen 14 und 69 Jahren zum Thema Radfahren und Mobilität befragt. Demnach fühlen sich 40 Prozent der zweirädrigen Verkehrsteilnehmer im Straßenverkehr nicht ausreichend wahrgenommen. Besonders bei Kreuzungen und Straßen mit gemischtem Verkehr und ohne gesonderte Fahrradinfrastruktur fühlen sich viele der Befragten vor allem durch rücksichtlose Autofahrerinnen und -fahrer unsicher. Natürlich gibt es Städte und Gemeinden, bei denen das besser funktioniert und solche, bei denen noch Ausbaubedarf besteht.
Ein Paradebeispiel ist die Gemeinde Baunatal in Hessen. Im Fahrradklima- Test des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC), der alle zwei Jahre durchgeführt wird, schneidet Baunatal zum vierten Mal in Folge als „fahrradfreundlichste Stadt“ Deutschlands ab. Wie der Radverkehrsbeauftragte Baunatals, Hartmut Wicke, erklärt, habe die Stadt bereits vor über 15 Jahren damit begonnen, die Fahrradinfrastruktur zu fördern. Initiiert worden sei das Ganze bereits 2006 durch den damaligen Bürgermeister Manfred Schaub, der eine Radprojektgruppe gegründet habe, erklärt Wicke. „Diese Gruppe ermöglichte es Bürgern, aktiv an der Planung der Radwege mitzuwirken. Ziel war es, ein sicheres und attraktives Radverkehrsnetz zu schaffen, das sowohl Barrierefreiheit als auch überörtliche Vernetzung berücksichtigt.“
In Zukunft möchte Baunatal die Fahrradinfrastruktur weiter ausbauen. Unter anderem solle in diesem Jahr der Radweg R1 in Guntershausen umverlegt werden, ein Projekt, das über 500.000 Eurokoste und durch die Landesförderung unterstützt werde, wie Wicke erläutert. Weitere Projekte wie Lückenschlüsse und die Integration des Radverkehrs in Fußgängerzonen sowie regelmäßige Ausbesserungen sollen für eine fahrradfreundliche Umgebung sorgen.
Tipps und Tricks
Baunatals Empfehlung an andere Gemeinden, die ihre Fahrradfreundlichkeit erhöhen wollen, ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Verwaltung und Bürgerinnen und Bürgern zu fördern. Beispielsweise könne man mit der Gründung einer Radprojektgruppe die Bürgerbeteiligung stärken. Zudem reiche es nicht, das Thema Fahrradfreundlichkeit nur einmalig anzugehen, denn die regelmäßige Durchführung von Maßnahmen „zur Verbesserung der Verkehrssicherheit, Barrierefreiheit und Vernetzung der Radwege“ sei wichtig, meint Wicke.
Doch viele andere deutsche Kommunen haben laut den Befragten des Fahrradklima-Tests 2022 des ADFC nicht so gut abgeschnitten. Ausbaubedarf besteht beispielsweise in Halle (Saale). Die 552 für Halle abstimmenden Befragten bemängelten besonders die Sicherheit beim Radfahren und benannten dafür unter anderem Konflikte mit Autofahrenden sowie Fahrraddiebstähle. Auch der Winterdienst für Fahrradwege und die Führung an Baustellen seien mangelhaft. Doch die Stadt in Sachsen-Anhalt arbeitetunaufhörlich daran, ihre Fahrradinfrastruktur zu verbessern.
Bereits Anfang 2020 habe die Stadt die Umsetzung eines Radverkehrskonzepts für den Zeitraum 2020 bis 2025 beschlossen. Dafür habe Halle eine Reihe von Maßnahmen geplant, unter anderem sollen Radwege und Fahrradstreifen neu angelegt und bestehende saniert werden. Gerade mit der Öffnung der Einbahnstraße Lessingstraße für den Radverkehr „konnte nun eine elementare Lücke im Radverkehrsnetz geschlossen werden“, erklärt ein Sprecher der Stadt. Außerdem gebe es ein Gremium „Runder Tisch Radverkehr“, an dem neben Vertretetenden der Stadtverwaltung, der Polizei und der Halleschen Verkehrs-AG (HAVAG) auch radfahrende Bürger beteiligt seien. Dort würden Ideen und Vorschläge für den Radverkehr in Halle besprochen. Den Grundstein für eine bessere Fahrradinfrastruktur zu legen, sei in unserem bürokratielastigen Land gar nicht so einfach.
Liegt es nur an den Kommunen?
Das hat auch das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) erkannt: In der Praxis habe sich herausgestellt, dass es beim Ausbau häufig an der Bürokratie, also an Verwaltungs-, Planungs- und Abstimmungsprozessen hänge, da für diese Prozesse viel Zeit verstreiche. Dabei sei eine Verbesserung der Radinfrastruktur ein wichtiger Baustein für die Mobilitätswende in Deutschland, meint die Teamleiterin des Forschungsbereichs Mobilität des Difu, Dr. Michaela Christ. „Oft dauert es Jahre, ehe eine neue Radverkehrsanlage errichtet ist“, so Dr. Christ. Daher gebe es nun ein vom BMDV gefördertes Projekt mit dem selbsterklärenden Titel „Radverkehrsförderung beschleunigen – Planungsprozesse optimieren“.
Seit Juni 2023 entsteht im Rahmen des Projekts ein sogenanntes AcceleRAD-Programm, welches den Kommunen dabei helfen soll, ihre Prozesse zu verschlanken und Ressourcen zielgerichteter einzusetzen. Gleichzeitig sollen laut Difu auch Zielkonflikte minimiert werden. Die Erprobung des Programms soll ab Mitte 2024 in drei Modellkommunen erfolgen, wobei dasBewerbungsverfahren dafür noch aussteht. „Begleitet und kollegial unterstützt werden die Modellkommunen von einem Städtenetzwerk, das heißt von Mitarbeitenden anderer Kommunen, die mit Rat und Tat zu Seite stehen werden“, fügt Dr. Michaela Christ, die auch dieses Projekts leitet, hinzu.