Daniel Baldy kann man buchen. Wahlweise bringt er auch Kaffee und Kuchen, Pizza und Bier oder Brezeln und Spundekäs mit. Der 30-jährige SPD-Bundestagsabgeordnete aus Mainz will so mit den Menschen in seinem Wahlkreis ins Gespräch kommen. Ganz ungezwungen und ohne besonderen Anlass.
„Oft kommen die Menschen nicht zu den Sprechstunden, weil Sie kein Thema haben oder nicht denken, dass ihre Anliegen so wichtig sind“, erklärt Baldy die Intention hinter den Event-Paketen, die man auf seiner Website findet. Die Idee dazu sei am Abend vor der letzten Bundestagswahl entstanden, nachdem er sich für die Kandidatur auf das Direktmandat im Wahlkreis Mainz-Bingen entschieden hatte. Eine Wohngemeinschaft (WG) hatte ihn zur Party eingeladen.
Das Konzept der Event-Pakete ist simpel. Interessierte Bürgerinnen und Bürger können sich per Nachricht zur Terminvereinbarung melden. Dann laden sie noch Freunde, Nachbarn oder Familie ein und Baldy kümmert sich um die gewünschte Verpflegungsoption. Auch Sonderwünsche sind mal dabei, verrät der Abgeordnete. Beim nächsten WG-Besuch soll er statt Bier lieber Softdrinks mitbringen.
Hemmschwellen abbauen
Auch bei seinen Bürger-Sprechstunden stellt der Abgeordnete sich gerne mal an den Grill. „Viele kommen dann auch nur wegen der Bratwurst, klar. Aber ist auch okay.“ Immerhin hätten die Leute ihn dann schon einmal gesehen, wenn sich eine Frage ergebe, so Baldy. Im Wahlkreis ist man Ansprechpartner für alle bundespolitischen Themen, unabhängig von der eigenen Kompetenz. Ihm ist wichtig, dass die Wählerinnen und Wähler auch außerhalb der Wahlkampfphasen Kontakt zu ihren gewählten Vertretern haben. Dafür geht er auch mal von Tür zu Tür und stößt dabei mitunter auf erstaunte Gesichter.
Ein starker Gegensatz zur Arbeit in Berlin, wo der Abgeordnete sich auf seine Themen in den Ausschüssen fokussiert. Der gebürtige Bingener ist Teil des Innenausschusses und des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
Den Mentalitätswechsel zwischen Wahlkreis- und Sitzungswoche meistert Baldy mithilfe der Zugfahrten. „Wenn ich freitags in Mainz am Hauptbahnhof aussteige, dann bin ich wieder voll im Wahlkreis.“ Auch wenn er – nach den langstündigen Plenarsitzungen zwischen Mittwoch und Freitag – ein bisschen Schlaf- Nachholbedarf hat.
Sicher aufwachsen
Baldy ist Lehrer für Geschichte, Sozialkunde und katholische Religionslehre und hat sein Referendariat im Sommer 2021 in Kaiserslautern abgeschlossen. Im Familienausschuss kümmert er sich vorrangig um den Kinder- und Jugendschutz, z. B. im Zusammenhang mit Suchtmitteln. Besonders am Herzen liegt ihm der Schutz vor sexualisierter Gewalt. Laut einer Schätzung der Weltgesundheitsorganisation WHO seien davon etwa ein bis zwei Kinder in jeder Schulklasse betroffen. „Das heißt auch: Jeder hat in seinem Umfeld wahrscheinlich eine oder einen Betroffenen.“ Als Gesellschaft müssten wir deshalb dringend lernen, mehr auf Warnsignale und Hinweise zu achten, betont der Abgeordnete.
Digitale Bedrohung
Wenig Verständnis hat Baldy für die aktuelle Praxis der deutschen Strafverfolgungsbehörden, IPAdressen zugunsten des Datenschutzes nicht zu speichern. Diese von ausländischen Ermittlungsbehörden aber dankend anzunehmen, um potenzielle Straftäter verfolgen zu können, hält er für inkonsequent. „In einem 21. Jahrhundert, in dem immer mehr per Handy läuft, per E-Mail, im Internet, brauchen wir Befugnisse bei den Sicherheitsbehörden, die an das 21. Jahrhundert angepasst sind“, so der 30-Jährige.
Auch die Cyber-Sicherheit ist dem Mainzer ein wichtiges Anliegen. Zu oft würden die Risiken nach wie vor unterschätzt. Der Schaden, der Unternehmen und der gesamten deutschen Wirtschaft dadurch entsteht, beläuft sich nach einer Studie des Branchenverbands Bitkom allein 2024 auf mehr als 170 Milliarden Euro. Neben den Themen Extremismus und Islamismus legte er seinen Fokus im Innenausschuss besonders darauf, dass Cyber-Sicherheit nicht mehr belächelt, sondern als reale Bedrohung wahrgenommen wird.
Wenn Baldy gerade keine Debatten führt oder im Wahlkreis die Grillzange schwingt, erwartet ihn ein recht gewöhnlicher Büroalltag – zumindest in Sitzungswochen. E-Mails beantworten, Geburtstagskarten unterschreiben, Entwürfe überarbeiten. Die meiste Arbeit erledigt er quasi unsichtbar. Dazu kommen fixe Termine wie die montäglichen Besprechungen im Büro und mit der Landesgruppe und an Dienstagen die Treffen der einzelnen Gremien. „Wenn ich nicht im Plenum bin, dann arbeite ich viel und wenn ich im Plenum bin, dann ist es für mich auch mal ruhiger.“ Das sei auch der Grund, weshalb die Reihen des blau bestuhlten Sitzungssaales in der Live-Übertragung mitunter spärlich besetzt wirkten. Baldy nutzt diese Zeit auch für Termine, etwa mit Interessengruppen, oder gibt Interviews.
Aber wenn er an den Debatten teilnimmt, fällt er manchmal auch durch seine Zwischenrufe auf. Für den Gegenruf „Alter, ey, nerv nicht mit deinem Gelaber! Also wirklich! Geh nach Hause!“ nach der Rede des fraktionslosen Abgeordneten Robert Farle im Mai 2023 erhielt Baldy einen Ordnungsruf.
Die „echte“ Nationalmannschaft
Die Kontakte im Bundestag gliedern sich oft in innerhalb und außerhalb der eigenen Fraktion. Wer nicht im selben Ausschuss sitzt, hat fraktionsübergreifend nur wenig Kontakt. Außer die Beteiligten sind beide Teil einer Fraktion der anderen Art – des FC Bundestag. In Sitzungswochen treffen sich Dienstags alle, die gerne Fußball spielen. Zeit für Training ist keine, aber die Mannschaft spielt gegen Teams aus ganz Deutschland – aus Wahlkreisen, von Verbänden oder auch Werksmannschaften. Fußball ist ein guter Ausgleich zum Sitzungs- Alltag, wo man viel Zeit im Büro verbringt. Das Teambuilding hilft auch im Plenarsaal. „Man würde niemals einen Kollegen vom FC Bundestag sehr stark kritisieren“, formuliert Baldy vorsichtig. Das hat der Mainzer zumindest so noch nicht erlebt. Der Umgang sei unter den Teammitgliedern persönlicher und wertschätzender. Man könne sich aufeinander verlassen – auf dem Platz und in der Debatte. Ein ehemaliger Kapitän der Mannschaft habe den FC-Bundestag deshalb auch als erfolgreichste Fraktion bezeichnet.
Teilhabe im Plenarsaal
Vor seiner Kandidatur sei ihm durchaus bewusst gewesen, dass der Bundestag kein 40-Stunden- Job sei. „Es ist eigentlich so, wie ich es mir vorgestellt habe, nur mehr“, erklärt Baldy. Manchmal ist es wegen der hohen Termindichte etwas hektisch, dann wieder ruhiger. Trotzdem sieht er Änderungsbedarf. Eine Namensabstimmung sollte mehr als fünf Minuten vorher angekündigt werden müssen, erklärt er beispielhaft. Ein Teil der aktuellen Abläufe machten es besonders Eltern mit kleinen Kindern schwer, ihrem Mandat als Abgeordnete nachzukommen. Das sei einfach nicht mehr zeitgemäß.
Wenn Abgeordnete ihre Kinder auch mal mit zu Terminen bringen müssen, dann gehört das für Baldy schlicht zur Realität. „Das zeigt auch, dass das Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf leider an vielen Stellen noch hakt.“ Eltern etwa aufgrund fehlender Kita-Plätze vom Erwerbsleben oder aus ihrer Abgeordnetentätigkeit auszuschließen, könne nicht die Lösung sein. Der Mainzer selbst ist davon zwar noch nicht betroffen – das komme noch – aber in seiner Fraktion seien mehrere frischgebackene Eltern.
Vor der Bundestagswahl 2021 hätten die damaligen Umfragewerte von rund 13 Prozent Stimmanteil für die SPD dazu geführt, dass manche potenziellen Kandidatinnen und Kandidaten nicht zur Wahl angetreten seien. Über die so frei gewordenen Listenplätze hätten es dann auch mehr jüngere Gesichter in den Bundestag geschafft. Daniel Baldy wurde die Kandidatur damals von seinem SPD-Kreisvorstand ans Herz gelegt. „Ich habe es keinen Tag bereut, dass ich es geschafft habe.“ Auch für die nächste Legislatur möchte er wieder antreten und seinen Wahlkreis in Berlin vertreten.
Das Video mit Daniel Baldy sowie weitere spannende Einblicke in die Arbeitsabläufe im Bundestag finden Sie in der Ausgabe „Bundestag hautnah“ auf f4p.online.