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StartVerteidigungEs brodelt unter der Oberfläche

Es brodelt unter der Oberfläche

Deutschland wird sich an dem NATO-Einsatz zur Überwachung der russischen Schattenflotte beteiligen. Es ist nicht die einzige Bemühung, die Kritische Infrastruktur auf und unter dem Meer besser zu schützen.

In Helsinki absolvierte der amtierende Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vergangene Woche einen seiner letzten Auslandsreisen in der aktuellen Legislaturperiode. Er folgte damit dem Ruf von Finnlands Premierminister, Alexander Stubb. Gemeinsam wollten die Staats- und Regierungschefs der Anrainerstaaten in der finnischen Hauptstadt eine gemeinsame, konsequente Linie gegen Sabotageakte in Nord- und Ostsee und die russische Schattenflotte finden. So kamen Vertreterinnen und Vertreter Finnlands, Dänemarks, Estlands, Deutschlands, Litauens, Schwedens, Polens und Lettlands sowie NATO-Generalsekretär Mark Rutte und EU-Kommissionsvize Henna Virkkunen zum Gipfeltreffen zusammen.
Anlass für das Zusammentreffen gab ein Vorfall am Weihnachtsabend. Der Öltanker „Eagle S“ steht unter Verdacht, die Stromleitung Estlink 2 zwischen Finnland und Estland sowie vier Kommunikationskabel gekappt zu haben. Die finnischen Ermittlungsbehörden setzten das Schiff, das unter der Flagge der Cook-Inseln unterwegs ist, fest. Erste Ermittlungsergebnisse weisen darauf hin, dass die Besatzung den Schiffsanker über eine Strecke von 100 km über den Meeresboden hat schleifen lassen. Dabei soll es zu den Schäden gekommen sein. In den vergangenen anderthalb Jahren häuften sich derartige Ereignisse. Sie betrafen vor allem Datenkabel. Diese stellen am Grund des Meeres die internationale Vernetzung Europas sicher.

Im Auftrag Russlands


In Zusammenhang mit den destruktiven Ereignissen an den informativen Lebensadern des alten Kontinents standen immer wieder Schiffe der sogenannten russischen Schattenflotte. Dabei handelt es sich zumeist um Schiffe älteren Jahrgangs, die zwar nicht unter russischer Flagge, aber im russischen Auftrag fahren. Dem größten Land der Erde dient diese Flotte zur Umgehung westlicher Gas- und Öl-Sanktionen.
Darüber hinaus steht seit längerem der Verdacht im Raum, dass sich Russland seiner Schattenflotte bedient, um Sabotageakte gegen die Unterstützerstaaten der Ukraine durchzuführen. 79 Schiffe rechnet die EU der russischen Schattenflotte zu. Diese Zahl stellt aber nur die Spitze des Eisbergs dar. Schätzungen gehen davon aus, dass bis zu 1.000 Schiffe verdeckt im russischen Auftrag die Weltmeere kreuzen.

Die neue harte Linie


Um dem entgegenwirken zu können, einigten sich die Staats- und Regierungschefs in Helsinki darauf, eine neue NATO-Mission zum Schutz der kritischen Unterwasserinfrastruktur aufzusetzen. Im Rahmen der Mission „Baltic Sentry“ wird die Verteidigungsallianz ihre militärische Präsenz in der Ostsee ausbauen.
Konkret verkündete Rutte eine Reihe von Maßnahmen, die unter anderem Fregatten und Seefernaufklärungsflugzeuge umfasst. Außerdem versprach der Generalsekretär innovative Technologien in Form einer kleinen Flotte maritimer Drohnen. Wie viele Schiffe genau in Zukunft auf der Ostsee patrouillieren werden, ließ Rutte allerdings offen. Eine etwas genauere Einschätzung liefert der Leiter der belgischen Minenabwehrtruppe, Commander Erik Kockx. Er geht davon aus, dass im Vollbetrieb sechs bis sieben Schiffe im Rahmen von Baltic Sentry in der Ostsee patrouillieren. Zumindest die deutsche Beteiligung an der Mission ist aber garantiert.
„Auch Deutschland wird sich mit einem starken Beitrag beteiligen“, betonte der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD). Ein deutsches Minenjagdboot ist bereits in Tallinn eingetroffen. Gleiches gilt für eine niederländische Fregatte und ein Forschungsschiff.

Deutschland wird Regionalkoordinator


Nach Abstimmung über die genaue Ausformung der Mission wird das Operative Führungskommando der Bundeswehr (OpFüKdo) für dessen deutschen Anteil verantwortlich zeichnen. Im Raum steht die Beteiligung von Korvetten und Minenjagdbooten sowie des Seefernaufklärers P-3C Orion der Deutschen Marine. Die Luftwaffe könnte mit den Kampfflugzeugen Eurofighter und Tornado zur Sicherheit auf der Ostsee beitragen. Darüber hinaus zieht das Verteidigungsministerium (BMVg) Informationsgewinnung durch den Cyber- und Informationsraum in Betracht. Die neu gegründete Commander Task Force (CTF) wird ebenfalls eingebunden. Ursprünglich mit dem Auftrag, militärische Lagebilder für den Operationsraum Ostsee zu erstellen, gegründet, könnte diese Funktion auch für den Informationsaustausch im Rahmen von Baltic Sentry erfüllt werden.

Die Briten versuchen es mit KI


Zwei Wochen bevor die NATO eine eigene Mission zur Unterstützung der Unterwasserinfrastruktur ankündigte, erklärte bereits die Joint Expeditionary Force (JEF), die Überwachung der kritischen Meeresinfrastruktur zu intensivieren. Die unter britischer Führung stehende JEF setzt sich aus Kräften Islands, Litauens, Lettlands, Norwegens, Finnlands, Schwedens, der Niederlande, Dänemarks und Estlands zusammen.
Unter dem Namen Nordic Warden aktivierte die Gruppe Elemente einer der zuvor verabredeten JEF Response Options (JRO). Ziel ist, Gefahren für die Unterwasser-Infrastruktur besser zu überwachen. Konkret baut JRO auf Erfahrungswerten aus den Übungen Nordic Warden vom Juni 2024 und Joint Protector vom November 2024 auf. Dabei übernimmt sie den Namen der Übung aus dem Juni. Das Vorgehen ist so ausgerichtet, dass es im Einklang mit aktuellen und geplanten NATO-Missionen steht. Alleinstellungsmerkmal der Bemühungen der JEF ist ihr Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI). Die JEF sieht vor, KI einzusetzen, um Daten aus verschiedenen Quellen auszuwerten. Dazu zählt unter anderem das Automatische Identifikationssystem (AIS), mit dem Schiffe ihre Position übermitteln. Als weitere Sicherheitsmaßnahme ist die KI darauf programmiert, Schiffe, die als Teil der russischen Schattenflotte identifiziert sind, besonders feinmaschig zu überwachen.

Neben dem progressiven technischen Ansatz unterscheide sich Nordic Warden durch das Überwachungsgebiet von der NATO-Übung. Während bei Baltic Sentry ausschließlich die Ostsee unter Beobachtung steht, nimmt die JEF in ihrer Mission auch die Nordsee sowie Teile des atlantischen Ozeanes in den Blick.
„Wachstum und nationale Sicherheit sind von entscheidender Bedeutung. Deshalb arbeitet diese Regierung eng mit unseren Verbündeten zusammen, um kritische nationale Infrastrukturen wie Unterseekabel zu schützen“, kommentierte der britische Premierminister Keir Starmer die Aktivierung von Nordic Warden.

Der Kanzler legt nach


Drei Tage nach dem Treffen in Helsinki empfing Scholz seinen schwedischen Amtskollegen, Ulf Kristersson, in Berlin. Der Schutz der Unterwasserinfrastruktur war auch hier Thema. „Mit „Baltic Sentry“ werden wir im Rahmen der NATO in den nächsten Monaten diesen Schutz verstärken – über Wasser, unter Wasser und aus der Luft. Unser Hauptquartier in Rostock wird dies regional koordinieren, und ich freue mich über Schwedens Beteiligung“, bestätigte Scholz das deutsche Engagement.
Sein schwedischer Amtskollege nutzte den Anlass, eine Brücke zwischen der Unterstützung der Ukraine und der NATO-Mission in der Ostsee zu schlagen. Laut Kristersson trage der erhöhte Druck auf die russische Schattenflotte auch zur wirksameren Sanktionsdurchsetzung bei. Auf diese Weise erhöhe man den wirtschaftlichen Druck auf Russland. Allerdings beließ es der schwedische Premierminister nicht bei der Transferleistung. Kristersson machte öffentlich, in welchem Umfang sich sein Land an Baltic Sentry beteiligt. Schweden wird mit drei Marineschiffen und drei Aufklärungsflugzeugen zur Mission beitragen. Denn die Ostsee sei, wie Kristersson betonte, unser gemeinsames Meer.

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