Die Zahl von Angriffen auf politische Amts- und Mandatsträgerinnen und -träger ist 2024 im Vergleich zum Vorjahr um rund 20 Prozent gestiegen. Besonders eine Gruppe ist dabei Opfer von Gewalt. Der Deutsche Städtetag (DST) fordert entschiedenes Handeln.
Zum Jahresende 2024 habe sich die Zahl an Übergriffen von 4.047 auf 4.923 erhöht, teilte das Bundesministerium des Innern auf Nachfrage der Bundestagsabgeordneten Martina Renner (Die Linke) mit. Die meisten Angriffe gab es demnach in Süddeutschland: In Bayern wurden 747, in Baden-Württemberg 633 Angriffe gemeldet, gefolgt von Nordrhein-Westfalen (540) und Berlin (533). Die Zahl tätlicher Gewalttaten stieg von 94 im Jahr 2023 auf 99 im Jahr 2024. Opfer seien Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, Landräte, Stadtverordnete oder Abgeordnete.
Nur noch Konfrontation
Die veröffentlichten Zahlen sind vorläufig. Noch bis Ende Januar konnten die Landespolizeibehörden Angriffe auf Amts- und Mandatsträger nachmelden. Möglich ist also, dass das Bundeskriminalamt (BKA) die Zahlen in den kommenden Tagen noch weiter nach oben korrigiert. Linken-Politikerin Renner beklagt eine zunehmende Enthemmung der politischen Kultur: „Alle vier Tage eine gewalttätige Attacke und insgesamt ein Fünftel mehr Straftaten zeigen, dass vielfach nur noch die Konfrontation gesucht wird.“ Hinzu komme, dass „Kampagnen mit wiederholten Beleidigungen und Bedrohungen selbst von Familienangehörigen bisher nicht gesondert betrachtet werden“, obwohl insbesondere der andauernde Druck auf Bürgermeisterinnen und Bürgermeister oder Stadträte diese zum Rückzug zwinge. Renner identifiziert eine „permanente Hetzte gegen demokratische Institutionen.“
Frauen besonders betroffen
Eine aktuelle Studie der TU München in Zusammenarbeit mit der Organisation HateAid unterfüttert die Daten der Bundesregierung: Demnach haben 58 Prozent der Befragten bereits Erfahrungen mit Anfeindungen im Netz gemacht. Frauen seien überproportional oft betroffen. 68 Prozent der befragten und politisch engagierten Frauen berichten von geschlechtsspezifischen Anfeindungen wie Sexismus und Frauenhass. Fast ein Viertel der befragten Frauen gab an, bereits Vergewaltigungsdrohungen erhalten zu haben – bei den befragten Männern waren es drei Prozent. Gleichzeitig fühlen sich Betroffene oft im Stich gelassen: 49 Prozent der Männer und 66 Prozent der Frauen geben an, sich hinsichtlich ihres politischen Engagements nicht ausreichend auf digitale Gewalt vorbereitet zu fühlen. Dieses Gefühl reicht offenbar bis in die Spitze der Bundespolitik hinein: „In meiner politischen Karriere ist zuletzt kaum ein Tag vergangen, an dem ich nicht online angefeindet worden bin,“ berichtet Bundestagsvizepräsidentin Yvonne Magwas (CDU). „Wenn politisch Engagierte online – und offline – weiter so schutzlos angegriffen werden, wird der Hass unser demokratisches Miteinander immer weiter zersetzen.“
DST fordert Verlängerung des Monitoring
Auch DST-Präsident Markus Lewe warnt: „Es ist alarmierend, dass Kommunalpolitikerinnen und -politiker inzwischen fast täglich beleidigt, bedroht und angegriffen werden.“ Besonders im aktuellen Bundestagswahlkampf nehme die Gewalt gegen Engagierte weiter zu. Lewe fordert eine konsequente Strafverfolgung und eine klare Haltung gegen Extremismus und Hetze. „Angriffe auf Amtsträger müssen geahndet werden. Auch kleinere Diffamierungen dürfen nicht bagatellisiert werden, denn sie gefährden unser demokratisches Gemeinwesen.“ Diese Taten schweigend hinzunehmen, sei keine Option. Lewe spricht sich für eine Verlängerung des Kommunalen Monitorings zu Hass und Hetze sowie für eine Stärkung von Hilfsangeboten aus. Das Online-Portal Stark im Amt bietet betroffenen Mandatsträgern Informationen und Unterstützung – inklusive einer neuen, anonymen Ansprechstelle, gefördert vom Bundesinnenministerium.