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Plötzlich Bürgermeisterin

Die Suche nach einem Nachfolger für den scheidenden Bürgermeister von Hirschberg in Thüringen verläuft holprig, denn niemand will kandidieren. Bürgerinnen und Bürger schlagen den Verwaltungsmitarbeiter Ronald Schricker vor – doch der lehnt ab. Letztlich übernimmt die Erste Beigeordnete Patricia Duch Verantwortung – und spricht mit uns über ihren ungewöhnlichen Weg zur Bürgermeisterin.

Behörden Spiegel: Ihre Wahl zur Bürgermeisterin kam für viele überraschend, da Sie zunächst nicht aktiv kandidiert haben. Was hat Sie zur Kandidatur bewogen, nachdem Ronald Schricker die Wahl ausgeschlagen hat?

Patricia Duch: Der Wahlmarathon begann bereits im Mai 2024. Nach zwei Bürgermeisterwahlen, aus denen je eine erfolglose Stichwahl resultierte, stand nun am 23. Februar 2025 die dritte Wahlrunde an. Da ich bereits seit Sommer letzten Jahres als 1. Beigeordnete des Stadtrates alle Aufgaben und Pflichten eines ehrenamtlichen Bürgermeisters wahrnahm, entschloss ich mich letztendlich meinen Namen nochmal aktiv ins Spiel zu bringen. Ich habe in den vergangenen Monaten viel Zeit und Arbeit in dieses Ehrenamt gesteckt und mir mittlerweile ein gutes Netzwerk aufgebaut. Auch die Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung in Hirschberg funktioniert inzwischen reibungslos. Man könnte sagen, dass wir uns alle gut aufeinander eingespielt haben. Um den Bürgern weitere Lokalgänge und Wahlpleiten zu ersparen, war es letztendlich an der Zeit aus dem Titel ,,stellvertretende Bürgermeisterin‘‘ eine ,,Bürgermeisterin‘‘ zu machen. Ich bin erleichtert, dass dies am 23. Februar 2025 auch gelang.

Behörden Spiegel: Welche Botschaft sehen Sie in der besonderen Art Ihrer Wahl für die politische Partizipation auf lokaler Ebene? Warum wird es immer schwerer, Freiwillige für kommunale Ämter zu finden?

Duch: Die Wirtschaft in Deutschland leidet aktuell in vielen Bereichen. Die kleinen, ärmeren Kommunen hängen am Nabel der übergeordneten Verwaltungsorgane und haben wenig Handlungsspielräume. Diese Herausforderung anzugehen, gleichzeitig die personelle Verantwortung für eine voll funktionierende Stadtverwaltung zu tragen, bürgernah zu sein, örtliche Vereine und die Feuerwehren zu unterstützen, Sitzungen abzuhalten und an verschiedensten Veranstaltungen teilzunehmen, klingt nach einem Full-Time-Job, wird bei einer Gemeinde mit unter 3.000 Einwohnern in Thüringen aber nur als ehrenamtliche Aufgabe angesehen. Hinzu kommt, dass die Aufwandsentschädigung keine Grundlage für eine vernünftige finanzielle Absicherung ist und man zwangsläufig weiteres Einkommen braucht. Auch die enorme Verantwortung steht in keinem Verhältnis zur Bezahlung. Doch trotz all diesen Gründen ist es mir wichtig, den Bürgerinnen und Bürgern eine Stimme zu geben und unseren schönen Ort nicht führungslos der Verantwortung beauftragter Personen zu überlassen. Wir brauchten jemanden, der im Rahmen der Möglichkeiten für die Sorgen und Wünsche unserer Bürgerinnen und Bürger einsteht und diese nach außen hin vertritt.

Behörden Spiegel: Die von Ihnen angesprochene, schrumpfende Handlungsfähigkeit der Kommunen wird von vielen Mandatsträgerinnen und -träger beklagt. Was müsste sich ändern, um mehr Bürgerinnen und Bürger für ein Engagement in der Kommunalpolitik zu gewinnen?

Duch: Die Zusammenhänge der Politik und Verwaltungseben sind ein ziemlich komplexes Thema. Ich denke, dass weniger eine Rolle spielt, wie viele Menschen sich aktiv politisch beteiligen, sondern eher die Entscheidungsbefugnisse überabreitet werden sollten. Eine Gemeinde, die finanziell beispielsweise durch hohe Gewebesteuereinnahmen abgesichert ist, handelt zum größten Teil selbstständig. Währenddessen eine finanzschwache Gemeinde kaum eigenständige Entscheidungen treffen kann, da Sie auf Überbrückungshilfen und Bedarfszuweisungen angewiesen ist. Alle Macht steigt und fällt mit Geld. Da wir als Stadt derzeit zur zweiteren Gruppe gehören, ist es mir wichtig, in Zeiten von Social Media, die Bürgerinnen und Bürger bei den verschiedenen Angelegenheiten der Stadt mitzunehmen. Wir haben einige Kanäle geöffnet und diese erfreuen sich großer Beliebtheit. Auch wächst dadurch das Verständnis der Dinge, die eben nicht unverzüglich angegangen werden können. Ein größeres politisches Engagement ist sicher wünschenswert, aber am Ende muss das bestehende System überarbeitet werden. Nur so kann sich langfristig etwas zum Besseren wenden und vielleicht haben dann auch wieder mehr Menschen Lust, sich politisch zu engagieren, wenn dies auch von Erfolg gekrönt ist.

Behörden Spiegel: Wie wollen Sie als „unerwartete Bürgermeisterin“ den Herausforderungen Ihres neuen Amtes gerecht werden, und welche Prioritäten setzen Sie für die Entwicklung von Hirschberg?

Duch: Die größte Herausforderung ist, die Tätigkeiten dieses Ehrenamtes mit einem Job und der Familie zu vereinen. Es erfordert viel Zeit, die Themen so anzugehen, wie es die Stadt verdient hat. Ein gutes Zeitmanagement und eine funktionierende Zusammenarbeit innerhalb der Familie, sowie auch mit der Stadtverwaltung sind dabei die auschlaggebende Basis. Da sich Hirschberg momentan in sehr großen finanziellen Schwierigkeiten befindet, ist das wichtigste Ziel langfristige finanzielle Stabilität zu schaffen. Wir erarbeiten derzeit einige Optionen hierzu. In Zeiten wie diesen, ist außerdem der Zusammenhalt in der Gemeinschaft unverzichtbar. So schafft man es auch mit wenigen finanziellen Mitteln, gerade im kulturellen Bereich, einiges zu bewegen. Ich möchte Hirschberg in ein paar Jahren als attraktives Städtchen sehen, in dem sich die Bürgerinnen und Bürger aufgehoben und sicher fühlen. Dazu gehört der Erhalt und Ausbau von kulturellen Einrichtungen, genauso wie die medizinische Versorgung. Die Vereine tragen zum kulturellen Leben einen sehr großen Teil bei und sollen weiterhin meine vollste Unterstützung erfahren. Nur gemeinsam sind wir stark.

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