Die Belange Grönlands betrachten die USA fortan als nationale und nicht länger als europäische Angelegenheit. Aus geographischer Perspektive leuchtet das ein – durch die politische Landschaft zieht der Schritt Gräben.
(BS) Vergangene Woche gab das Verteidigungsministerium der Vereinigten Staaten (DoD) bekannt, dass sich in Zukunft nicht länger das U.S. European Command für die Truppenpräsenz auf Grönland verantwortlich zeichnen wird. Stattdessen führt das U.S. Northern Command die US-amerikanischen Streitkräfte auf der Insel.
Konkret bedeutet dieser Schritt eine Anpassung des sogenannten Unified Command Plan. In diesem gliedern die USA die Welt in einzelne militärische Einheiten auf und legen die Zuständigkeit der US-Kampfkommandos fest. Nebst der Neueinordnung der größten Insel der Welt gab das Pentagon keine weiteren Änderungen am Unified Command Plan bekannt.
„Diese Anpassung wird die Fähigkeit der Joint Force zur Verteidigung des US-Heimatlandes stärken“, rechtfertigte das Pentagon den Schritt. Darüber hinaus werde die Maßnahme zu einer robusteren Verteidigung der westlichen Hemisphäre beitragen und die Beziehungen zu Verbündeten und Partnern in der Arktis vertiefen, ließ das US-Verteidigungsministerium weiter ausführen. Für große Überraschung dürfte der Schritt in Europa nicht sorgen. Verschiedene Medienberichte darüber, dass die USA die Verantwortlichkeit für ihre Truppenpräsenz auf der arktischen Insel verlagern, gingen der Ankündigung voraus.
Die politisch-geografische Schere
Zumindest rein geografisch ist die Verantwortungszuschneidung durchaus nachvollziehbar. Die Insel ist den USA geografisch deutlich näher als Europa. Politisch gestaltet sich die Lage allerdings anders. Grönland ist autonomer Teil des dänischen Königreiches. Als solches ist es Mitglied der NATO, nicht aber der Europäischen Union (EU). Die Präsenz des US-Militärs auf der Insel hat seit mehr als 80 Jahren Tradition. Bereits während des Zweiten Weltkriegs richteten die Streitkräfte der Vereinigten Staaten Militärbasen auf der Insel ein und stellten ihre Verteidigung sicher. Mit dem Ende des Zweiten und dem Aufflammen des Kalten Krieges nahm die strategische Bedeutung der arktischen Insel weiter zu. Die wesentlichen Frühwarnsysteme der USA gegen die ballistischen Raketen des Warschauer Pakts waren auf Grönland stationiert. Dieses Arrangement fand seine Fortsetzung über das Ende des Zweiten Weltkriegs hinaus – bis zur Wahl Donald Trumps. Bereits in seiner ersten Amtszeit verkündete Trump, Grönland kaufen zu wollen.
Militärisches Vorgehen nicht ausgeschlossen
Auch nach seiner Wiederwahl hält der 47. US-Präsident an diesen Ambitionen fest. Um dies zu untermauern, reiste Vizepräsident JD Vance Ende März auf den US-Militärstützpunkt Pituffik. Vance nutzte den Besuch, um scharfe Kritik an Dänemark zu üben. Aus der Perspektive der USA investiert das Königreich zu wenig in die arktische Verteidigung.
Mitte Juni weigerte sich US-Verteidigungsminister Pete Hegseth vor dem House Armed Services Committee, die Möglichkeit einer militärischen Invasion Grönlands auszuschließen. „Ich denke, das amerikanische Volk würde wollen, dass das Pentagon Pläne für alles hat“, rechtfertigte Hegseth sein Vorgehen. Auf demokratischer Seite sorgten diese Aussagen für Kopfschütteln. „Ich glaube kaum, dass das amerikanische Volk für Präsident Trump stimmte, weil sie hofften, dass er in Grönland einmarschieren wird“, spottete der demokratische Abgeordnete Adam Smith.
Während die USA den Unified Command Plan neu zuschneiden und auf höchster Ebene mit dem Gedanken einer Invasion Grönlands spielen, genehmigte das dänische Parlament ein Abkommen zur Stationierung US-amerikanischer Soldatinnen und Soldaten und der entsprechenden Ausrüstung auf dänischem Staatsgebiet. Das dem zugrundeliegende Abkommen ist allerdings auf den Dezember 2023 datiert und liegt damit vor der Wiederwahl Donald Trumps zum US-Präsidenten. Seitdem hat sich das Verhältnis zwischen den beiden Staaten signifikant abgekühlt
Europa zeigt sich solidarisch
Noch vor der Bekanntmachung der neuen militärischen Verantwortungszuschneidung besuchte der französische Präsident Emmanuel Macron Grönland. Ziel der Reise war es, die europäische Solidarität mit Grönland gegenüber den US-amerikanischen Besitzansprüchen zu untermauern. Damit folgte Macron der Einladung der Ministerpräsidenten von Grönland und Dänemark, Jens-Frederik Nielsen und Mette Frederiksen. „Es ist wichtig zu zeigen, dass Dänemark und Europa sich für dieses Gebiet engagieren, das von großer strategischer Bedeutung ist und dessen territoriale Integrität respektiert werden muss“, verkündete Macron auf der arktischen Insel.
Grönland strebt nach Unabhängigkeit
Unter Präsident Nielsen strebt Grönland zunehmend nach Unabhängigkeit. Das bezieht sich nicht nur auf die USA, auch gegenüber Dänemark pochen die 57.751 Einwohnerinnen und Einwohner der Insel auf mehr Unabhängigkeit. Die regierende Demokraatit erklärte in ihrem Wahlprogramm die Unabhängigkeit von Dänemark zum ultimativen Ziel. Zunächst fordert Nielsen neben einer offiziellen Entschuldigung Dänemarks für die Verbrechen an der grönländischen Bevölkerung während der Kolonialzeit mehr wirtschaftliche Investitionen. Ressourcenabbau, erneuerbare Energien und der Tourismus sollen Grönland aus der wirtschaftlichen Abhängigkeit von Fischereiexporten führen.





