- Anzeige -
- Anzeige -
- Anzeige -
- Anzeige -
StartSicherheitZurück in die Zukunft

Zurück in die Zukunft

Weltweit sind die Breitband-Visionen für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben vielfältig wie weitreichend. Angefangen von KI-gestützter Verkehrsplanung und automatisierter Fahndung bis hin zur Echtzeitübertragung riesiger Datenmengen über Satelliten und 6G soll Technik den Einsatzkräften ihre herausfordernden Tätigkeiten erleichtern. Den Alltag der meisten prägen aber nach wie vor Tetra und Co.

Perspektivisch werde man das bundesweite deutsche Tetra-BOS-Netz noch bis „in die hohen 30er Jahre“ weiter betreiben, erklärte Frank Buddrus, Vizepräsident der Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS), kürzlich auf dem Europäischen Polizeikongress. Damit liegt die BDBOS im Trend. Im Konferenzprogramm der „Critical Communications World (CCW)“, die der internationale Branchenverband für kritische Kommunikation TCCA dieses Jahr in Dubai ausrichtete, nahm der Tetra-Standard viel Raum ein: Netze, Applikationen, Sicherheitsfragen und Endgeräte aller Art standen zur Debatte.

Überhaupt befindet sich Tetra auf globalem Erfolgskurs: Auf rund 8,7 Milliarden US-Dollar wird sein Markt für 2024 beziffert, die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate lag von 2022 bis 2032 bei 11,8 Prozent. Geschätzt werden von BOS und KRITIS-Betreibern der sparsame Umgang mit dem Spektrum und die robuste, langlebige Technik des schmalbandigen Standards.

Hybride Netze als Standard

International betreiben die meisten Länder ihre bewährten Tetra-Sprachfunknetze (oder andere schmalbandige Standards) für BOS weiter, während sie den Aufbau ihrer einsatzkritischen Breitbandnetze in unterschiedlicher Formation und Geschwindigkeit vorantreiben. Das Angebot an hybriden Systemkomponenten und Endgeräten wächst entsprechend. Viel Neues gibt es darüber hinaus nicht. So hört man vom einstigen Vorreiter, dem Vereinigten Königreich, das schon 2016 mit dem Aufbau einer Breitband-Infrastruktur begann, keine Fortschrittsberichte mehr. Unter den Europäern setzt jetzt Finnland Maßstäbe, das Gesetzänderungen, Ausschreibungsverfahren und den grundlegenden Netzaufbau zusammen mit kommerziellen Providern bereits bewerkstelligt hat. Mit Spannung werden die Bemühungen der neuen ACMOSS-Behörde beobachtet, die Frankreich schon zu den Olympischen Spielen mit ersten Breitband-Services versorgen will. Und natürlich spielt das von AT&T betriebene amerikanische FirstNet in einer anderen Liga, auch weil die Rahmenbedingungen so anders sind. Rein technologisch betrachtet, hat das CCW-Gastgeberland Dubai die Nase vorn. Nach einem erfolgreichen Piloten für die Weltausstellung 2024 ist der zuständige Netzbetreiber Nedaa gerade dabei, das Roll-out für ein flächendeckendes 5G-BOS-Netz abzuschließen. Aber auch da fährt man hybrid: Das bewährte Tetra-Netz bleibt.

Vision 6G

Dabei taucht am BOS-Horizont schon die Vision von 6G auf. Die Versprechungen sind nicht nur aus Sicht der BOS-Community groß: extrem große Bandbreiten mit entsprechend rasanter Übertragungsgeschwindigkeit kombiniert mit minimalen Latenzen, integrierten KI-Funktionen, Sensoren aller Art, verbesserte Sicherheitsfeatures etc. Holographische Echtzeitkommunikation könnte beispielsweise Polizei und Feuerwehr einen ganz neuen Zugang zu ferngelegenen Einsatzorten ermöglichen. Bei der Standardisierungsorganisation 3GPP haben die Arbeiten an den technischen Spezifikationen begonnen. Inwieweit dort BOS-Interessen eingehen, wird davon abhängen, inwieweit die BOS aus aller Welt ihre Anforderungen dort unterbringen können. Skepsis ist angesagt, da der BOSDigitalfunk im Milliardenmarkt der Telekommunikation nur eine kleine Nische darstellt.

Himmlische Zukunft

Erst der Einsatz von Satellitenkommunikation werde die 6G-Vorzüge weltweit und flächendeckend zur Geltung bringen, prognostiziert Prof. Marko Hoyhtya vom VTT Technical Research Centre of Finnland, der den BOS dringend nahelegt, stärker auf Satellitentechnologie zu setzen. Diese sind aber eher zurückhaltend: Standardszenarien für den Einsatz von Satellitenkommunikation sind mobile Basisstationen und das traditionelle Satellitentelefon für Krisensituationen.

Dabei explodieren Markt und Infrastrukturen der Satellitenkommunikation derzeit geradezu. So hat sich die Anzahl der gelaunchten Satelliten allein zwischen 2018 und 2023 von rund 400 auf über 2.500 pro Jahr gesteigert. Gleichzeitig sinken die Kosten für den Start erdnaher Satelliten (LEO) und damit auch die Kosten für die Payload ständig weiter, berichtet Zoltán Wirth, Leiter des Airbus-5G/6G-Programms. Im Zuge der Implementierung von 5G/6G arbeite die Industrie an der nahtlosen Integration von traditionellen, sehr hoch fliegenden GEOund MEO-Satelliten mit erdnahen LEO-Konstellationen und den terrestrischen Netzen. Hinzu kommen noch fliegende Plattformen wie Drohnen, Ballons, Flugzeuge etc. Idealerweise entsteht für die Nutzenden daraus der Eindruck eines einzigen, äußerst performanten erdumspannenden Kommunikationsnetzes, das immer und überall verfügbar ist. Ein Wunschtraum für BOS-Einsatzkräfte.

Finnland hat auch hier die Nase vor. Antti Kauppinen, CTO des staatseigenen Netzbetreibers Erillisverkot, berichtet über diverse Studien und Teststellungen zu Einsatzszenarien. Wegen Finnlands für GEO-Satelliten ungünstigen Lageim hohen Norden habe der dortige BOS-Digitalfunkbetreiber Virve ein besonderes Interesse an der Integration von LEO-Satellitennetzen. U. a. hat man bereits ein Szenario erfolgreich getestet, bei dem hochauflösende LEO-Satelliten-Bilder aus der Grenzüberwachung über einen Link via GEO-Satellit an die gewünschte Bodenstation übermittelt wurden. Die Beurteilung der Alltagstauglichkeit fällt trotzdem zurückhaltend aus: zu komplex, zu teuer. Prof. Hoyhtya, der eng mit Erillisverkot zusammenarbeitet, würde das so nicht unterschreiben. Tests des VTT-Instituts im Zusammenhang mit großflächigen Waldbränden attestieren den verfügbaren LEO-Konstellationen von OneWeb, Starlink und Iridium durchweg eine gute Performance. Allerdings muss auch Prof. Hoyhtya zugeben, dass bis zur Umsetzung dieser Konzepte noch viel Forschungs- und Entwicklungsarbeit nötig sein werde. Das betrifft zunächst die Schaffung einer neuen Generation von Endgeräten für die direkte Kommunikation mit Satelliten, Regeln für einen sparsamen Umgang mit Übertragungsressourcen, die Kontrolle über sicheren Datenverkehr und die Optimierung der Kosten. Dennoch ist die Botschaft des Professors eindeutig: Für die BOS-Kommunikation werden 6G und Satellitennetze einen Paradigmenwechsel bringen. Sie müssen nur die Chance ergreifen.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein