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Kritische Rohstoffe als Faustpfand

US-Präsident Trump knüpft die Ukraine-Unterstützung an weitreichende Rechte zum Abbau von kritischen Rohstoffen in der Ukraine. Das ist zynisch aber taktisch nachvollziehbar. Auch die EU hat Pläne für begehrte Rohstoffe aus der Erdkruste.

Das Oval Office hat viel gesehen in seiner 116-jährigen Geschichte. Doch was sich vergangene Woche zwischen dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und US-Präsident Donald Trump sowie Vize-Präsident J.D. Vance zutrug, war beispiellos. Vor den Augen der Weltpresse eskalierte die Debatte. Dabei reiste der ukrainische Präsident eigentlich nach Washington, um ein Rohstoffabkommen zwischen den USA und der Ukraine auszuhandeln. Grundsätzlich bestand bereits vor dem Treffen eine Einigkeit zwischen beiden Parteien. Das größte Land Kontinentaleuropas stimmte zu, den USA eine Beteiligung an der künftigen Erschließung von Bodenschätzen einzuräumen. Allerdings knüpfte Selenskyj dies an zwei Bedingungen: Trump sollte Putin als anhaltende Bedrohung für die europäische Sicherheit und die daraus resultierende Notwendigkeit externer Sicherheitsgarantien anerkennen.

Das scheiterte auf ganzer Linie und gipfelte in einem Wortgefecht. Zwar sprach Selenskyj auf dem Kurznachrichtendienst X im Nachhinein dem US-amerikanischen Volk seine Dankbarkeit für die Unterstützung der Ukraine aus, dies konnte aber kaum darüber hinwegtäuschen, dass viele Brücken zwischen den beiden Ländern nachhaltig abgebrochen sind. Trump kündigte an, die Unterstützungsleistungen an die Ukraine einzustellen. Europa reagiert und beruft zum 6. März einen EU-Sondergipfel ein. Zuvor kündigten der französische Präsident Emmanuel Macron und sein britischer Amtskollege Keir Starmer bei einem kurzfristig anberaumten Treffen in London an, einen Friedensplan zu entwickeln. Er sieht eine einmonatige Waffenruhe vor und soll mit den USA weiter erörtert werden.

Warum die USA am Rohstoffabbau interessiert sind

Auch wenn er zunächst vom Tisch zu sein scheint, lohnt es sich dennoch, einen Blick auf das Rohstoffabkommen zu werfen. Laut Medienberichten legte ein erster Entwurf des Abkommens fest, dass beide Länder einen gemeinsam verwalteten Wiederaufbau-Investitionsfonds einrichten sollten. Dieser sollte Einnahmen aus ukrainischen Ressourcen sammeln und verwalten. Die Ukraine solle die Hälfte der Einnahmen aus künftig erschlossenen Ressourcen im Staatsbesitz in den Fonds einzahlen. Darüber, um welche Ressourcen es sich konkret handeln sollte, gab der Entwurf keine Auskunft. Allerdings sind „Vorkommen von Mineralien, Kohlenwasserstoffen, Erdöl, Erdgas und anderen abbaubaren Materialien“ im Entwurf aufgezählt. Dazu kommen laut Entwurf „weitere Infrastruktur im Zusammenhang mit natürlichen Ressourcen“ wie Flüssigerdgas-Terminals und Häfen. Im Gegenzug sollte die US-Regierung die Ukraine bei den Bemühungen um Sicherheitsgarantien unterstützen. Darüber hinaus sollten die USA eine langfristige finanzielle Verpflichtung zur Entwicklung einer „stabilen und wirtschaftlich florierenden Ukraine“ eingehen.

Dass die USA eine derartige Idee auf den Verhandlungstisch bringen, ist außergewöhnlich und symptomatisch für die außenpolitische Neuausrichtung der Vereinigten Staaten unter Donald Trump. Sie ist Ausdruck der neuen Selbstbezogenheit, in der dem nationalen Vorteil eine größere Bedeutung als der regelbasierten internationalen Ordnung beigemessen wird. Gleichzeitig spiegelt der Schritt die Interessenverschiebung der USA nach Asien wider. Denn die Kontrolle über eine Vielzahl militärisch und ökonomisch unersetzlicher Mineralien obliegt dem systemischen Rivalen China. In der jüngsten Auflistung der sogenannten „critical minerals“ des United States Geological Survey sind von Aluminium bis Zirkonium 50 Materialien aufgelistet, welche die USA für die eigene Sicherheit als unerlässlich erachten.

China ist Klassenprimus

Dabei verfügt China über die weltgrößten Produktionskapazitäten für eine Vielzahl dieser Güter. Laut einem Bericht des U.S. Geological Survey aus dem Jahr 2024 bezogen die USA zwischen 2020 und 2023 70 Prozent der Seltene-Erden-Verbindungen und Metall-Importe aus dem Reich der Mitte. Ein Zustand, den die USA abzuändern versuchen. Die Ukraine könnte dazu einen Beitrag leisten. Laut Hanna Liventseva, Vorstandsvorsitzende des Ukrainischen Geologenverbandes, bedecke die Ukraine zwar nur 0,4 Prozent der Erdoberfläche, verfüge auf diesem Gebiet aber über etwa fünf Prozent der weltweiten Mineral-ressourcen. Konkret platziert sich das Land in den Top Ten der weltgrößten Vorkommen, zum Beispiel bei Titan, Gallium und Lithium. Bedeutende Vorkommen befinden sich allerdings auf Gebieten, welche Russland mittlerweile annektiert hat.

Europa greift ebenfalls zur Schaufel

Der rohstoffbezogenen Abhängigkeit zu China kann sich Europa aber ebenfalls nicht entziehen. 2024 definierte die EU mit dem European Critical Raw Materials Act selbst 34 kritische Materialien. Darüber hinaus sind innerhalb dieser Liste 17 Materialien als strategic raw materials (SRM) gekennzeichnet. Ziel des Gesetzes ist, die Versorgung der EU mit kritischen Rohstoffen zu verbessern, zur Stärkung der Kreislaufwirtschaft, einschließlich Recycling, beizutragen und die Förderung von Forschung und Innovation im Bereich der Ressourceneffizienz und der Entwicklung von Ersatzstoffen zu stärken.
Analog zu den USA bestehen auch für die EU entscheidende Abhängigkeiten bei bestimmten Materialien. So liefert China 100 Prozent der EU-Bedarfe schwerer und seltener Erden.
Es überrascht daher nicht, dass die EU vergangene Woche einen eigenen Vorschlag zu einem Abkommen über den Abbau kritischer Rohstoffe vortrug. Der EU-Kommissar für Industriestrategie, Stéphane Séjourné, unterbreitete den New Clean Industrial Deal im Rahmen eines Kiew-Besuches anlässlich des dritten Jahrestages der russischen Invasion vergangene Woche. Der EU-Kommissar betonte allerdings, dass es sich nicht um einen Alternativvorschlag zum US-Deal handele. Vielmehr kooperierten die EU und die Ukraine bereits seit 2021 in diesem Bereich. Darauf wolle man aufbauen und konkrete Projekte anschließen, so zum Beispiel eine Zusammenarbeit beim Graphit-Abbau.

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