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Gut Gesetz will Weile haben?

Vier Jahre hat das baden-württembergische Landesmobilitätsgesetz (LMG) gebraucht. Damit soll den Kommunen ein Werkzeugkasten an die Hand gegeben werden, um die ÖPNV-Infrastruktur zu verbessern und den Umstieg auf klimafreundliche Verkehrsmittel zu unterstützen. Verkehrsminister Winfried Hermann zeigt sich mit dem Ergebnis zufrieden, aber wie stehen Verbände und Kommunen dazu?

Im Koalitionsvertrag der grünschwarzen Regierung von 2021 wird das Gesetz erstmals erwähnt. Eigentlich hätte Verkehrsminister Winfried Hermann (Bündnis 90/ Die Grünen) es gerne schon 2023 auf den Weg gebracht. Doch durch Gegenwind aus den Reihen der CDU konnte das LMG erst Ende März 2025 verabschiedet werden. Im Zuge dessen wurden im vorherigen Jahr durch 21 Modell- und drei Vorreiterkommunen die wesentlichen Grundlagen für das Gesetz getestet.

Mit den Instrumenten, die das neue Gesetz mit sich bringt, nimmt Baden-Württemberg in einigen Punkten eine bundesweite Vorreiterrolle ein. Einer dieser Punkte, und zugleich das zentrale Element des LMGs, ist der Mobilitätspass, mit dem Kommunen eine Abgabe für den Ausbau der ÖPNV-Infrastruktur erzielen können. Die Einführung einer solchen Abgabe ist für die Kommunen freiwillig. Allerdings ist sie an Mindestanforderungen für den ÖPNV geknüpft. Sie darf nur angeordnet werden, „wenn in dem von ihr vorgesehenen Abgabengebiet zu den gängigen Verkehrszeiten ein ausreichendes und nutzbares Angebot des ÖPNV zur Verfügung steht“, erklärt das baden- württembergische Verkehrsministerium. Zu wählen ist dann aus zwei Modellen, dem Einwohnerbeitrag und dem Kfz-Halterbeitrag. Diejenigen, die zur Kasse gebeten werden, bekommen im Gegenzug ein Mobilitätsguthaben, welches sie mit dem Kauf von ÖPNV-Tickets, wie dem Deutschlandticket, verrechnen können. Damit soll zum einen ein Anreiz zum Nutzen der öffentlichen Verkehrsstrukturen geschaffen werden und zum anderen können Kommunen das übrige Geld für die Erneuerung und den Ausbau ebenjener Strukturen einsetzen.

Des Weiteren ist eine freiwillige und durch das Gesetz finanzierte Einsetzung von Radkoordinatorinnen und -koordinatoren vorgesehen, die Kommunen und Landkreise beim Ausbau von Radwegen unterstützen sollen. Auch der Einsatz von Scan-Fahrzeugen für eine effizientere Kontrolle von Falschparkenden wird durch das LMG ermöglicht. Zu guter Letzt werden mit dem Gesetz Vorgaben der EU und des Bundes umgesetzt, sodass zukünftig mehr saubere Fahrzeuge für den ÖPNV angeschafft werden und mit MobiData BW stellt das Land ein IT-System für gesammelte Mobilitätsdaten offen zur Verfügung. Insgesamt soll das LMG vor allem Möglichkeiten eröffnen und keine Zwänge einführen, jedoch fragen sich besonders die Modellkommunen und Verbände, warum man dann nicht mehr Möglichkeiten zur Verfügung gestellt hat.

Stimmen der Kritik

Ursprünglich getestet wurden nämlich zwei weitere Abgabemodelle, die viele der sich kritisch äußernden Stimmen bevorzugt hätten. Denn die ersten Gesetzesentwürfe sahen neben den bereits genannten Modellen noch eine Arbeitgeberabgabe und eine City-Maut vor. Diese wurden jedoch auf Drängen der CDU aus dem endgültigen Gesetzesentwurf gestrichen. Dr. Frank Mentrup (SPD), Karlsruher Oberbürgermeister und Vorsitzende des baden-württembergischen Städtetags, zeigt sich darüber enttäuscht: „Mit der Streichung dieser Varianten können die beiden in ganz Europa erfolgreichsten Nahverkehrsabgabekonzepte nicht zur Anwendung kommen. Die Stadt Karlsruhe hat sich als Modellstadt mit viel Personalaufwand bei der Variante „Arbeitgeberabgabe“ engagiert und bedauert, dass diese Option nicht Teil des LMG geworden ist.“ Insgesamt bewertet er das in Kraft getretene Gesetz als nicht förderlich für die Verkehrswende im baden-württembergischen ÖPNV-Bereich. Bund und Länder würden zwar jährlich das Deutschlandticket finanzieren, weigerten sich aber, den ÖPNV-Betrieb selbst mitzufinanzieren. Dies habe zur Folge, dass dessen Qualität von Jahr zu Jahr abnehme. „Das LMG könnte mit dem Mobilitätspass eine kleine Teillösung bieten, bleibt aber durch die übrig gebliebenen Varianten leider zahnlos“, so Dr. Mentrup.

Auch die Opposition ist zu einem ähnlichen Ergebnis gekommen, wie Landtagsabgeordneter Jan-Peter Röderer (SPD) erklärt. Laut ihm habe das LMG zwei große Schwachstellen: Zum einen sei es immer noch gespickt mit bürokratischem Aufwand und Berichtspflichten, beispielsweise für die Busunternehmen, die saubere Fahrzeuge anschaffen wollen, aber auch in Form der Radkoordinatoren. Zum anderen sieht auch Röderer die Streichung der zusätzlichen Optionen für den Mobilitätspass als problematisch an. Kommunen „brauchen die Wahlfreiheit, um in ihrem Kontext den größten Nutzen für den ÖPNV und die größte verkehrslenkende Wirkung zu haben. So wird das LMG deshalb weder eine Lenkungswirkung im Ballungsraum noch im ländlichen Raum entfalten.“

Doch sollte mit dem LMG nicht nur die Mobilitätswende vorangebracht, sondern auch der Klimaschutz mitgedacht werden. Ist wenigstens das geglückt? Der Landesgeschäftsführer vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) Baden-Württemberg, Martin Bachhofer, begrüßt das Gesetz zwar grundsätzlich, jedoch sei der Klimaschutz viel zu wenig mitgedacht worden. Zwar seien manche Maßnahmen wie Parkraumkontrolle und Radkoordinatoren ein Schritt in die richtige Richtung, jedoch bleibe das LMG besonders bei seinen Zielen vage und unverbindlich. „Dass weder die fünf Klimaziele im Verkehr noch der in Aussicht gestellte Mindestbedienstandard im ÖPNV (Mobilitätsgarantie) den Weg ins LMG gefunden haben, zeigt die Ambitionslosigkeit dieses Gesetzes.“ Auch für Bachhofer hätten die weggefallenen Optionen das „größte Potential zur Verlagerung von Fahrten auf klimafreundlichere Verkehrsmittel“ gehabt.

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