Polizisten werden beleidigt, Busfahrer beschimpft, Rettungskräfte attackiert: Gewalt gegen Beschäftigte im Öffentlichen Dienst nimmt zu – das zeigt die aktuelle Bürgerbefragung des Deutschen Beamtenbundes. Das untermauern auch die Gewerkschaften von Polizei und Zoll.
In Krisenzeiten ist der Staat verlässlicher Schutzschirm für Bürgerinnen und Bürger wie für Unternehmen, dann ist das Vertrauen groß. In normalen Zeiten sinken die Zustimmungswerte mit Blick auf die staatliche Handlungsfähigkeit. Letztere wird aber auch überschätzt. Der Staat kann nicht alles leisten. Er ist kein Heilsbringer. Wenn Politiker dies aber zugeben, müssten sie Lösungsansätze liefern und die manövrieren den Vollzug meistens noch stärker in Richtung Ohnmacht.
Den wachsenden Vertrauensverlust in die Handlungsfähigkeit des Staates zeigt sich auch in den Ergebnissen der DBB-Bürgerbefragung. Die Gesellschaft verroht und der Umgang der Menschen untereinander wird zunehmend rücksichtloser und brutaler: Dieser Meinung sind 84 Prozent der deutschen Bevölkerung und damit eine überwiegende Mehrheit. Das hat Folgen für die Beschäftigten im Öffentlichen Dienst. So ist jeder zweite Mitarbeitende nach eigenen Angaben schon einmal Opfer eines Übergriffs geworden, weil er oder sie im Dienst behindert, belästigt, beschimpft oder angegriffen wurde. „Das ist ein erschreckendes Ergebnis und diese Verrohung spüren auch die Kolleginnen und Kollegen“, erklärte der DBB-Bundesvorsitzende Volker Geyer bei der Vorstellung der Studie in Berlin.
Gesetze müssen schneller vollzogen werden
Die häufigsten Übergriffe wurden auf Bedienstete der Polizei (60 Prozent), auf Rettungskräfte und Notärzte (56 Prozent) beobachtet. Lehrerinnen und Lehrer liegen mit 30 Prozent im Mittelfeld, das Schlusslicht bilden Steuerbeamtinnen und -beamte mit sieben Prozent. 87 Prozent von insgesamt 2.000 befragten Bürgerinnen und Bürger berichten, bereits Zeuge von Beleidigungen gewesen zu sein. 69 Prozent haben beobachtet, dass Beschäftigte des Öffentlichen Dienstes angeschrien wurden und jeder Dritte (36 Prozent) hat eine Form von körperlicher Bedrängung beobachtet, zwölf Prozent direkte körperliche Gewalt.
„Wir haben zwar genügend Gesetze“, sagt DBB-Chef Geyer, aber: „Wir müssen auch dafür sorgen, dass diese schneller vollzogen werden.“ Denn sonst fehle die abschreckende Wirkung und die Gefahr sei groß, dass die Verrohung weiter zunehme. Wie die Bürgerbefragung des DBB, die zusammen mit dem Meinungsforschungsinstitut Forsa durchgeführt wurde, zeigt, wünscht sich die Hälfte aller Beschäftigten im Öffentlichen Dienst mehr Schutz und Unterstützung von ihren Arbeitgebern bzw. Dienstherrn. Die Forderung des DBB-Bundesvorsitzenden: „Der Staat darf seine Beschäftigten nicht allein lassen. Das bedeutet: Umfassende Prävention, lückenlose Dokumentation, volle Unterstützung für Betroffene und konsequentes Verfolgen von Täterinnen und Tätern.“ Auch die aktuellen Ergebnisse des „eGovernment Monitor 2025“ zeigen: das Verhältnis zwischen Staat und Bevölkerung ist beschädigt, nur noch 33 Prozent haben Vertrauen in die Handlungsfähigkeit des Staates.
Respekt vor den Beschäftigten geht gegen Null
Jochen Kopelke, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP), bestätigt die zunehmenden gewalttätigen Übergriffe gegen die Mitarbeitende des Öffentlichen Diensts. Doch nicht nur die Zahl der Übergriffe habe zugenommen, sagt er. Auch die Art der Angriffe habe sich verändert. „Es gibt häufiger schwerere Verletzungen, die Krankenhausaufenthalte oder Reha-Maßnahmen notwendig machen“, berichtet er. Doch auch die Polizeibeschäftigten selbst stünden immer öfter im Visier der Täter. „Wir haben im Streifendienst immer öfter gegen Messerangreifer vorzugehen“, führt Kopelke weiter aus. „Was uns auch extreme Sorge bereitet, ist die spürbare Zunahme an Einsätzen mit psychisch erkrankten Menschen in Akutsituationen.“
Das deckt sich mit den Erfahrungen der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPoIG). „Für die Einsatzkräfte wird der tägliche Dienst auf der Straße zum Weg in die Gefahrenzone, die nicht selten zur lebensbedrohlichen Situation wird“, erklärt der DPoIG-Bundesvorsitzende Rainer Wendt. Neu sei: „Die Gewalt kommt aus der Mitte unserer Gesellschaft.“ Der Staat verfüge über keine Autorität mehr, um Regelungen für das Zusammenleben zu erstellen. „Der Respekt vor den Beschäftigten geht gegen Null“, so Franke.
Vertrauensverlust fördert ein Klima der Respektlosigkeit
Die zunehmenden Übergriffe und brutalen Attacken würden auch „die unbefangene Freundlichkeit gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern“ belasten. Zwar habe die Politik mit einer Verschärfung von Strafandrohungen reagiert, aber „ohne erkennbaren Erfolg.“
Mit wachsender Respektlosigkeit und zunehmender Gewalt sind ebenfalls die Beschäftigten des Zolls konfrontiert. „Gerade im Bereich der Kriminalitätsbekämpfung liegt ein Grund in der fortschreitenden Professionalisierung und Brutalisierung der kriminellen Netzwerke“, erklärt der Sprecher der Deutschen Zoll- und Finanzgewerkschaft (BDZ), Felix Schirner. Diese Netzwerke würden global vernetzt agieren und nicht davor zurückschrecken, „Gewalt und Einschüchterung als strategisches Mittel einzusetzen“.
Auch im Innendienst erleben Zöllnerinnen und Zöllner Übergriffe, von Reichsbürgern oder Querdenkern beispielsweise. Der Vertrauensverlust gegenüber staatlichen Institutionen, sagt Schirner, fördere ein Klima, das zu wachsender Respektlosigkeit gegenüber staatlichen Bediensteten führe. Der BDZ-Bundesvorsitzende Thomas Liebel bringt es auf den Punkt: „Es ist an der Zeit, dass der Schutz derjenigen, die täglich für die Sicherheit unseres Landes eintreten, oberste Priorität erhält.“ Insbesondere diesen Trend hin zu mehr Wertschätzung des Öffentlichen Dienstes umzukehren, ist Aufgabe der Politik – angefangen vor der eigenen Haustüre.