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StartSicherheitGefährdet die Cannabislegalisierung die Verkehrssicherheit?

Gefährdet die Cannabislegalisierung die Verkehrssicherheit?

Anfang Juli stimmte der Bundesrat neuen Bestimmungen und Bußgeldern für Cannabis am Steuer gegen Stimmen der CDU/CSU- und der AfD-Fraktion zu. Dabei wurde mit 3,5 Nanogramm je Milliliter im Blutserum ein neuer Grenzwert für das Tetrahydrocannabinol (THC) festgelegt. Zuvor lag der Grenzwert bei einem Nanogramm. Die Erhöhung stößt zu großen Teilen auf Unverständnis.
Fahrer eines Kraftfahrzeugs, die künftig mit einem höheren THC-Wert als 3,5 Nanogramm pro Milliliter Blut unterwegs sind, müssen mit einem Bußgeld von 500 Euro sowie einem einmonatigen Fahrverbot rechnen. Sollte der Fahrer zusätzlich alkoholisiert sein, kann das Bußgeld auf 1.000 Euro erhöht werden. Bei Fahranfängern und jungen Fahrern bis zum 21. Lebensjahr soll der analytische Grenzwert von einem Nanogramm pro Milliliter weiter bestehen bleiben.

Kritik an Grenzwerterhöhung
Union und AfD kritisierten die Erhöhung als hochgradig riskant und warfen der Regierungskoalition vor, Warnungen der Polizei zu ignorieren. Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) hält die Änderung des Straßenverkehrsgesetzes für einen schweren Fehler. Mit der Anhebung des Cannabis-Grenzwertes werde „das individuelle Mobilitätsbedürfnis der Cannabiskonsumenten über den Allgemeinschutz der Verkehrsteilnehmer gestellt“, was dazu führe, „dass das Risiko für alle Verkehrsteilnehmer steigt, in schwere oder tödliche Unfälle verwickelt zu werden“, so der Minister. Das gesamte Vorhaben stehe im Widerspruch zur Vision Zero.
Kritik an der Erhöhung kommt vor allem auch von Seiten der Polizeigewerkschaften. Rainer Wendt, Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), kritisiert, dass sämtliche Fachminister der Länder sowohl dem „Cannabisgesetz, als auch der willkürlichen Anhebung des THC-Grenzwertes auf jetzt 3,5 Nanogramm widersprochen hätten“. Der stellvertretende Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Michael Mertens, warnte Konsumenten davor, „sich an einen Grenzwert heranzukiffen.“ Er begrüßte zwar das absolute Cannabisverbot für Fahranfänger, kritisierte aber, dass es keine entsprechend strenge Regelung für Fahrer von Personentransporten und Gefahrgut gebe. „Das Staatsinteresse und die Sicherheit im Straßenverkehr bleiben auf der Strecke, Parteiräson regiert, der Schaden für die Demokratie wird in Kauf genommen. Die Zeche zahlen die Opfer dieser verhängnisvollen Drogenpolitik“, wurde Rainer Wendt deutlich.

Unterschiedliche Arten des Konsums
Der Konsum von Cannabis führt zu Einschränkungen von Konzentration und Aufmerksamkeit, zur Verlängerung der Reaktions- und Entscheidungszeit und kann sowohl das Sehvermögen als auch die Bewegungskoordination stören. Ein großes Problem für Konsumenten hinsichtlich der Teilnahme am Straßenverkehr stellt daher die fehlende Berechenbarkeit des THC-Abbaus dar. Diese erfolgt nicht, wie beim Alkohol, linear, sondern individuell unterschiedlich und ist von zahlreichen Faktoren abhängig.
Bei gelegentlichem oder moderatem Einzelkonsum kann eine Teilnahme am Straßenverkehr in der Regel bereits nach zwölf bis 24 Stunden möglich sein. Wurde das Cannabis jedoch oral konsumiert sollte länger als 24 Stunden bis zum Fahrtantritt gewartet werden. Bei regelmäßigem Konsum wird THC im Gewebe gespeichert und nur langsam ins Blut zurückgegeben. Daher kann es bei Dauerkonsumenten Tage dauern, bis der Grenzwert unterschritten wird.

Fehlen sicherer Tests
Der neue Grenzwert geht auf die Empfehlung einer unabhängigen Expertenkommission des Bundesverkehrsministeriums zurück. Diese vergleicht den Wert hinsichtlich der Verkehrssicherheit mit einer Blutalkoholkonzentration von 0,2 Promille. Sie vertritt die Ansicht, dass der bisherige Grenzwert so niedrig sei, dass auch jene bestraft würden, bei denen eine Minderung der Fahrsicherheit nicht begründet werden könne. Ein großes Fragezeichen steht bislang allerdings hinter der Überprüfbarkeit des Grenzwerts. Der Polizei fehlen derzeit Geräte, ähnlich dem Alkomaten, mit denen der THC-Wert verlässlich festgestellt werden kann. So forderte auch die GdP den „flächendeckenden Zugriff der beteiligten Behörden auf Drogenschnelltests, die gerichtsfeste Beweise für eine Fahrt unter Drogeneinfluss ermöglichten, ohne eine Blutprobe nehmen zu müssen.“
Derzeit gilt allein der Nachweis über einen Bluttest als rechtskräftiges Beweismittel. Für die Polizei ist mit einem solchen Test aber ein erheblicher – auch personeller – Mehraufwand verbunden. Sollten Hinweise auf einen Konsum, wie gerötete Augen, erweiterte Pupillen oder Ausfallerscheinungen festgestellt werden, könnte mit einem Schnelltest THC bzw. das Abbauprodukt THC-COOH in Speichel, Schweiß oder Urin nachgewiesen werden. Bei positivem Test wäre dann ein Bluttest anzuordnen. Einzig der Nachweis des Wirkstoffs THC im Blutserum gilt als Beweismittel.

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