Am 25. November 2023 fand in Potsdam ein Treffen statt, bei dem die Teilnehmer/innen insbesondere Pläne zur sogenannten Remigration von Asylsuchenden und Menschen mit Migrationshintergrund diskutierten. Dieses sogenannte „Potsdamer Treffen“ mit mutmaßlich rechtsextremen Teilnehmer/innen erweckte bundesweite Aufmerksamkeit und Empörung. Unter den Teilnehmer/innen war auch die 64-jährige Klägerin, eine langjährige Mitarbeiterin der Stadt Köln. Seit dem Jahr 2000 ist sie bei der Stadt Köln beschäftigt und war zuletzt die zentrale Ansprechpartnerin für das Beschwerdemanagement im Umwelt- und Verbraucherschutzamt.
Nach dem Bekanntwerden ihrer Teilnahme am „Potsdamer Treffen“ sprach die Stadt Köln ihr gegenüber mehrere außerordentliche Kündigungen aus. Diese stützten sich im Wesentlichen darauf, dass die Klägerin durch ihre Teilnahme an dem Treffen ihre Treue- und Loyalitätspflicht gegenüber ihrer Arbeitgeberin verletzt habe. Die Klägerin erhob daraufhin Kündigungsschutzklage, um die Kündigungen gerichtlich anzugreifen.
Das Arbeitsgericht Köln hatte somit die Frage zu klären, ob die Teilnahme der Klägerin an dem Treffen einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB darstellt und das Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung beendet wurde.
Die Entscheidung des Arbeitsgerichts Köln
Das Arbeitsgericht Köln sah die Kündigung als unwirksam an. Allein die Teilnahme der Klägerin an dem Treffen stelle im konkreten Fall keinen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB dar und könne mithin keine außerordentliche Kündigung rechtfertigen.
Die konkrete Tätigkeit der Klägerin zugrunde gelegt, treffe sie keine gesteigerte, sondern nur eine einfache politische Treuepflicht gegenüber ihrer Arbeitgeberin. Deren Umfang richte sich nach der Stellung und dem Aufgabenkreis der Beschäftigten. Die Beschäftigte sei ihrem öffentlichen Arbeitgeber in einem solchen Maß zu Loyalität und Treue verpflichtet, wie es für die funktionsgerechte Verrichtung ihrer Tätigkeit unerlässlich sei.
Die einfache Treuepflicht der Klägerin sei erst dann verletzt, wenn ihr Verhalten konkret auf die aktive Förderung oder Verwirklichung verfassungsfeindlicher Ziele gerichtet sei. Indes könne allein aus ihrer Teilnahme am „Potsdamer Treffen“ nicht gefolgert werden, dass sie dem Inhalt der Beiträge zustimmend gegenüberstehe. Dass die Klägerin darüber hinaus aktiv für verfassungsfeindliche Ziele eingetreten wäre, beispielsweise durch Wortbeiträge während des Treffens, sei ihr nicht vorgeworfen worden.
Die Entscheidung des Arbeitsgerichts Köln ist noch nicht rechtskräftig. Es kann Berufung beim Landesarbeitsgericht Köln eingelegt werden.
Einordnung
Auch wenn die Entscheidung des Arbeitsgerichts auf den ersten Blick befremdlich anmuten mag, unterstreicht sie die erforderliche Unterscheidung zwischen einfacher und gesteigerter Treuepflicht, die von entscheidender Bedeutung ist, wenn es um die Frage geht, ob im konkreten Fall eine Treuepflichtverletzung vorliegt, die eine außerordentliche Kündigung zu begründen vermag. Damit liegt das Arbeitsgericht Köln auch auf der Rechtsprechungslinie des Bundesarbeitsgerichts.
Während Beamte einer gesteigerten politischen Treuepflicht unterliegen, die zur Folge hat, dass von ihnen die Bereitschaft gefordert wird, sich mit der Idee des Staates, d.h. seiner freiheitlichen, demokratischen, rechts- und sozialstaatlichen Ordnung, zu identifizieren und dafür aktiv einzutreten, lässt sich diese das Beamtenverhältnis prägende Treuepflicht nicht schematisch auf Beschäftigte übertragen, die in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis zum öffentlichen Arbeitgeber stehen und denen in der Regel keine hoheitlichen Befugnisse übertragen sind. Beamte haben sich aufgrund der gesteigerten Treuepflicht deshalb auch bereits von Gruppen und Bestrebungen zu distanzieren, die den Staat, seine verfassungsmäßigen Organe und die geltende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren (Vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 1975 – 2 BvL 13/73 („Radikalenerlass“).
Die Rechtsprechung erkennt aber auch an, dass es bei der Fülle staatlicher Aufgaben durchaus Bereiche gibt, bei denen es für die konkret geschuldete Arbeitsleistung im Rahmen von Arbeitsverhältnissen nicht auf die von Beamten verlangte besondere politische Loyalität ankommt. In diesen Bereichen können Arbeitnehmer auch dann beschäftigt werden, wenn sie nur ein geringeres Maß an politischer Treue erfüllen. Würde man für alle Angehörigen des öffentlichen Dienstes gleichmäßig und unabhängig von ihrer Funktion das Bestehen einer besonderen politischen Treuepflicht annehmen, so würden damit politische Grundrechte der Arbeitnehmer – die Freiheit der Meinungsäußerung (Artikel 5 Absatz 1 GG) und die Freiheit, sich in einer Partei politisch zu betätigen (Artikel 21 Absatz 1 GG) – unnötig und unverhältnismäßig eingeschränkt (Vgl. BAG, Urteil vom 5. August 1982 – 2 AZR 1136/79; BAG, Urteil vom 12. Mai 2011 – 2 AZR 479/09).
Im Ergebnis hängt das Maß der einem Mitarbeitenden des öffentlichen Dienstes obliegenden Treuepflicht insbesondere von seiner Stellung und dem Aufgabenkreis ab, der ihm laut Arbeitsvertrag übertragen ist. Er schuldet (nur) diejenige politische Loyalität, die für die funktionsgerechte Amtsausübung unverzichtbar ist.
Das Bundesarbeitsgericht formulierte es bereits in der Vergangenheit sehr plakativ, indem es feststellte, dass wenn den Mitarbeitenden nach der ihnen übertragenen Funktion keine Pflicht zu gesteigerter Loyalität trifft, diese arbeitsvertraglich nicht verpflichtet sind, jederzeit und auch außerdienstlich aktiv für den Bestand der politischen Ordnung des Grundgesetzes einzutreten. Je nach Stellung und Aufgabenkreis können sie die Verfassung schon dadurch „wahren“, dass sie die freiheitliche demokratische Grundordnung jedenfalls nicht aktiv bekämpfen (BAG, Urteil vom 12. Mai 2011 – 2 AZR 479/09; BAG, Urteil vom 20. Juli 1989 – 2 AZR 114/87).
Dabei ist dem Grunde nach davon auszugehen, dass die Anforderungen an die Treuepflicht umso höher sind, je umfangreicher hoheitliche Aufgaben übertragen werden bzw. je stärker der Bezug des außerdienstlichen Verhaltens zum konkreten Arbeitsverhältnis ist (vgl. BAG, Urteil vom 10. April 2014 – 2 AZR 684/13).
Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass wohl deutlich höhere Anforderungen an die Treuepflicht der Klägerin zu stellen gewesen und das Urteil auch wohl anders ausgefallen wäre, wenn sie bei ansonsten gleichem Sachverhalt kraft ihres Arbeitsverhältnisses mit Migrationsangelegenheiten beschäftigt gewesen wäre. Da sie aber im Beschwerdemanagement des Umwelt- und Verbraucherschutzamts tätig ist, greift hier nach Auffassung des Arbeitsgerichts Köln richtigerweise nur die einfache Treuepflicht.
Die Klägerin verwies zudem darauf, sie habe an dem Treffen im November des Vorjahres rein privat teilgenommen. Insoweit zeigt sich ein Spannungsverhältnis zwischen den Grundrechten der Klägerin beziehungsweise ihrem Interesse daran, ihre Freizeit als Privatangelegenheit frei zu gestalten und dem Interesse ihres öffentlichen Arbeitgebers, dass sich die Beschäftigten im Einklang mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung verhalten und sich zu ihr bekennen sollen. Dieses Spannungsverhältnis wurde im vorliegenden Fall zu Gunsten der Klägerin aufgelöst, da weder die konkrete Funktion noch die Stellung der Klägerin eine gesteigerte politische Treuepflicht rechtfertigen.
Wie die Entscheidung des Arbeitsgerichts Köln zeigt, bestehen durchaus hohe Hürden für die Annahme einer Treuepflichtverletzung bei einer Verbindung zu verfassungsfeindlichen Organisationen und Veranstaltungen. Dies gilt umso mehr, wenn im konkreten Fall keine gesteigerte, sondern wie im Fall der Klägerin nur eine einfache Treuepflicht besteht.
In der Konsequenz bedeutet das, dass nach der Rechtsprechung in diesen Fällen auch das Vorliegen eines wichtigen Grundes im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB und damit die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung hohen Voraussetzungen unterliegen. Letztlich können die Maßstäbe für eine insoweit relevante Treuepflichtverletzung und der Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung aber nicht pauschalisiert werden, sondern hängen immer von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere von der konkreten Funktion und der Stellung der in Rede stehenden Person.
Der Autor des Gastbeitrags ist Dr. Björn Braun von der Küttner Rechtsanwälte Partnergesellschaft.