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StartVerteidigungWie sich die Zukunft der Marine gestaltet

Wie sich die Zukunft der Marine gestaltet

Zwei Herzen schlagen in der Brust der Deutschen Marine. Beide müssen arbeiten, damit der deutsche Staat nachhaltig vor seeseitigen Bedrohungen geschützt ist und die Deutsche Marine ihren Aufgaben im Rahmen internationaler Bündnisse nachkommen kann.
Die langfristige Modernisierung 2035+ strebt eine Neuaufstellung der maritimen Teilstreitkraft an. Unter der Leitlinie „regionally rooted, globally committed“ beschafft die Marine umfassend neue Systeme. So will sie vornehmlich den Aufgaben in der Landes- und Bündnisverteidigung (LV/BV), aber auch denen in internationalen Missionen gerecht werden. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf autonomen Systemen. Gleichzeitig muss die Marine, entsprechend der Forderung des Verteidigungsministers Boris Pistorius (SPD), bis 2029 kriegstüchtig sein. Das bedeutet, Kaltstartfähigkeit, Einsatzbereitschaft und Durchhaltefähigkeit zu gewährleisten.
Wie und warum die Marine diese beiden Entwicklungen parallel vorantreibt, erklärte Fregattenkapitän Patrick Rothehüser, Leit-Referent der Abteilung Planung, Referat Konzeption und Weiterentwicklung im Marinekommando, auf dem Defence Day: Kurs Marine 2035+ des Behörden Spiegel. Rothehüser machte deutlich, wie die Marine analog zur Entwicklung in der gesamten Bundeswehr nach der russischen Invasion der Ukraine den inhaltlichen Schwerpunkt hin zu LV/BV verschob. Die Reaktion auf den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg sei unmittelbar erfolgt: „Der Inspekteur hat alles aufs Meer geschickt, was schwimmt“, stellte er klar.

Die Herausforderungen der Zukunft


Auf die Erfahrung des russischen Angriffskriegs folgte eine umfassende Bedrohungsanalyse. In deren Mittelpunkt stünde Russland. Eine einseitige Fokussierung auf das Land lasse allerdings eine Reihe weiterer Bedrohungen außer Acht. So gelte es auch, Anti-Access/Area Denial, Drohneneinsatz, Aktivitäten unter der Meeresoberfläche, militärische Agitation in der Grauzone und die Aufgaben in internationalen Gewässern zu beachten. Um diesen multipolaren Bedrohungen zu begegnen, analysierte die Deutsche Marine, welche Ansprüche im Sinne der mehrdimensionalen Seekriegsführung durch die Kräfte der Marine zu leisten seien.

Es gelte, umfassende Präsenz mit Signalwirkung in den eigenen Gewässern aufrechtzuerhalten. Mit der Reaktion auf den Einmarsch Russlands in die Ukraine habe die Deutsche Marine gezeigt, in welcher Form sich diese Signalwirkung ausdrücke. Darüber hinaus ermögliche hochfrequente Präsenz in den Ozeanen, zwischen normalen und maliziös motivierten Schiffsbewegungen zu unterscheiden. Um diese Fähigkeit bereitstellen zu können, müsse die Marine die nötigen Kapazitäten vorhalten.
Die Deutsche Marine müsse sich den Herausforderungen der rasant an Bedeutung gewinnenden Unterwasserkriegsführung stellen. KI-Fähigkeiten zur Erstellung von Unterwasser-Lagebildern sowie eine hinreichende Fähigkeitsabbildung im Bereich U-Boote und Unterwasserdrohnen seien erforderlich.
Es sei notwendig, Fähigkeiten zum maritimen Strike zu entwickeln. Für die ideale Wirkung von der See aufs Land seien schnelle und schwer entdeckbare Einheiten über und unter Wasser Voraussetzung.
Die Küstenverteidigung verlange nach mobilen infanteristischen Einheiten, die Positionen sichern, die im Wirkungsgebiet gegnerischer Truppen lägen.
Die Marine müsse ihre Führungsfähigkeit resilient gestalten. Hauptquartiere seien primäre Ziele des Gegners. Daher bedürfe es einer Alternative zum Stützpunkt in Rostock.
Der Kampf gegen Ziele über Wasser und in der Luft sei von zentraler Bedeutung. Dies sei die einzige Möglichkeit, feindlichen Kräften die Nutzung der See zu verwehren. Dies könne man nur mit einer weitreichenden Sensorik in Kombination mit offensiven und defensiven Waffensystemen sicherstellen.

Ansprüche auf die Flotte projiziert

Die auf diese Weise identifizierten Ansprüche habe man im nächsten Schritt auf eine zukünftige Flotte übertragen, erläuterte Rothehüser. Damit sei die Frage beantwortet, welche Einheiten die geforderten Fähigkeiten im Zielbild 2035+ abbilden.Konkret kommt den Fregatten der Bundeswehr die Aufgabe zu, den Seekrieg im Atlantik zu führen und Verbände zu schützen. Darüber hinaus befähigt ihre Sensorik die Fregatten, gegen ballistische Raketen zu wirken. Entsprechend der Planung 2035+ schätzt die Bundeswehr ihren Bedarf auf 15 Schiffe dieses Typs.
Korvetten hingegen zeichnen sich durch ihre Wendigkeit und Manövrierbarkeit aus. Sie bringen die idealen Voraussetzungen für den Einsatz in Binnenmeeren wie der Ostsee mit. Die Deutsche Marine beziffert die Zielgröße der einsatzfähigen Korvetten auf sechs.
Im Bereich der U-Boot-Kriegsführung hätten sich die Anforderungen laut Rothehüser in der vergangenen Dekade kaum verändert.
Neue Maßstäbe setze hingegen der Einsatz von Unterwasser-Drohnen. Dementsprechend quantifiziert die Marine auch den Bedarf an derartigen Systemen.
Unter der Bedingung, dass Drohnen umfassend verfügbar seien, benötige die Marine sechs U-Boote. Sollte diese Voraussetzung unerfüllt bleiben, steige die Anzahl der benötigten bemannten Systeme entsprechend an.

Dringende Bedarfe schnellstmöglich decken
Der großen Bedeutung unbemannter Systeme entsprechend bediene sich die Marine bei diesen Plattformen laut Rothehüser eines anderen Beschaffungsmechanismus als bei anderen Systemen üblich.
„Bei Drohnen sind die Erneuerungszyklen sehr kurz“, erklärte er. Um die unbemannten Systeme möglichst zeitnah den Soldatinnen und Soldaten der Marine zur Verfügung stellen zu können, erfolge die Beschaffung deshalb über OPEX. Bei diesem Verfahren prüft die Marine gleichzeitig die technischen Fähigkeiten von Systemen und erörtert das Potenzial im taktischen Einsatz. Ziel dieser Vorgehensweise sei es, Zeit bei der Beschaffung einzusparen. Rothehüser gesteht allerdings ein, dass dieses Verfahren das Risiko birgt, nicht das richtige System auf dem Markt zu finden.

Der zweite Prioritätsstrang


Neben der langfristigen Aufgabe, der Fähigkeitsentwicklung für das Zielbild 2035+, sei die Marine gefordert, die kurzfristige Ertüchtigung bis 2029 zu gewährleisten. „Es geht um schnelle Entscheidungen und schnelle Effekte“, stellt Rothehüser klar. Darunter versteht er, die Bestandsflotte soweit vertretbar und finanzierbar zu verbessern.
Dabei könne ein breites Spektrum von Maßnahmen zum Einsatz kommen. „Alles ist denkbar“, erklärte Rothehüser. Wenn es für die deutsche Flotte von Vorteil ist, komme es auch in Betracht. So könne auch die Optimierung der anfallenden Instandsetzungsperioden eine Maßnahme aus diesem Spektrum darstellen.
Den vielfältigen Herausforderungen und dem parallelen Vorgehen entsprechend identifizierte Rothehüser drei Kernziele für die Deutsche Marine:

  • Die Schwerpunktsetzung LV/BV unter gleichzeitiger Beachtung der internationalen Aufgaben.
  • Die Modernisierung der Flotte unter besonderer Berücksichtigung unbemannter Systeme.
  • Die kurzfristige Ertüchtigung, um 2029 glaubwürdig abschrecken zu können.


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