Vergangenes Jahr stiegen die Verteidigungsausgaben so stark wie nie seit dem Ende des Kalten Krieges. Europa und der Nahe Osten stehen an der Spitze dieser Entwicklung. Erstmals in der Geschichte des vereinten Deutschlands investiert die Bundesrepublik die größten Summen in West-Europa.
2.718 Milliarden US-Dollar gab die Welt im Jahr 2024 für Verteidigungsgüter aus – 9,4 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Bundesrepublik zählt zu den Staaten, die diese Entwicklung vorantreiben. Das geht aus einer Veröffentlichung des Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI) hervor. Die Top fünf Einkäufer – die USA, China, Russland, Deutschland und Indien – sind gemeinsam für 60 Prozent der weltweiten Ausgaben verantwortlich. Das entspricht 1.635 Milliarden US-Dollar.
Europa als neuer Schlüsselmarkt
Für den Anstieg im Vergleich zum Vorjahr ist aber vor allem die Entwicklung in Europa entscheidend. Die Militärausgaben auf dem alten Kontinent – einschließlich Russlands – stiegen um 17 Prozent auf 693 Milliarden US-Dollar. Abgesehen von Malta erhöhten alle europäischen Staaten ihre Verteidigungsausgaben. An der Spitze dieser Entwicklung stehen die Ukraine und Russland. Mit einem Ausgabenvolumen von 149 Milliarden US-Dollar ist Russland das Land in Europa, das am meisten in seine Streitkräfte investierte. Aber auch Polen zählt zu den Spitzenreitern in dieser Kategorie. Der Ostseeanrainer gab im vergangenen Jahr 4,2 Prozent seines BIP für die Verteidigung aus. 2025 strebt die Regierung in Warschau sogar Verteidigungsausgaben in Höhe von fünf Prozent des BIP an.
Im westlichen Europa positioniert sich die Bundesrepublik Deutschland bezogen auf absolute Zahlen an der Spitze. Erstmals seit der Wiedervereinigung führt Deutschland diese Liste an. Mit einem Wachstum von 28 Prozent stieg der Verteidigungsetat im vergangenen Jahr auf 88,5 Milliarden Euro. Das erfolgte vornehmlich durch Mittel aus dem Sondervermögen. Im Hinblick auf die prozentualen Steigerungen im Jahresvergleich beansprucht hingegen Schweden die Spitzenposition: 2023 gab das Land noch 34 Prozent weniger für seine Verteidigung aus als im Folgejahr. Damit erfüllt Schweden auf Anhieb das Zwei-Prozent-Ziel der NATO.
Aufwuchs in der gesamten NATO
In der gesamten NATO haben alle Mitgliedsstaaten im Jahr 2024 ihre Verteidigungsetats gesteigert. Die gesamten Militärausgaben des Bündnisses beliefen sich auf 1.506 Milliarden US-Dollar. Das entspricht 55 Prozent der weltweiten Investitionen. Laut SIPRI-Berechnung erfüllten 18 der 32 Mitgliedsstaaten das selbst gesetzte Zwei-Prozent-Ziel – elf mehr als im Jahr 2023. Seit Einführung der Richtlinie im Jahr 2014 konnten noch nie so viele NATO-Staaten das Ziel erreichen. Das Berechnungsmodell der NATO kommt hingegen zu einem anderen Ergebnis. 23 Staaten sollen laut NATO-Angaben das Ausgabeziel erfüllen. Deutschland zählt laut SIPRI zu den Staaten, die dieses Ziel verfehlten.
Die meisten Investitionen tätigen weiterhin die USA. Die Vereinigten Staaten erhöhten ihre Verteidigungsausgaben um 5,7 Prozent auf 997 Milliarden US-Dollar. Damit setzen sie den dreijährigen Aufwärtstrend fort. Der US-Verteidigungshaushalt entspricht 66 Prozent aller NATO-Ausgaben. Die europäischen NATO-Mitglieder sind für 30 Prozent der Gesamtausgaben verantwortlich – rund 454 Milliarden Dollar in absoluten Zahlen.
Investitionen auch im Nahen Osten
Im Nahen Osten stiegen die Verteidigungsausgaben 2024 um 15 Prozent auf etwa 243 Milliarden US-Dollar. Diese Entwicklung wird vor allem durch Israel und den Libanon getrieben. Israels Militärausgaben stiegen um 65 Prozent auf 46,5 Milliarden US-Dollar – der höchste Anstieg seit dem Sechs-Tage-Krieg 1967. Um diese Summen aufzubringen, investiert der jüdische Staat 8,8 Prozent seines BIP in die Verteidigung. Noch umfassender erhöhte der Libanon seine Ausgaben: Sie stiegen um 58 Prozent auf 635 Millionen US-Dollar, nachdem das Land aufgrund der prekären Wirtschaftslage in den Vorjahren stark gespart hatte.
Der Iran hingegen kürzte sein Militärbudget trotz laufender Konflikte. Im Vergleich zum Vorjahr investierte die Islamische Republik zehn Prozent weniger in militärische Zwecke. Das Verteidigungsbudget belief sich deshalb auf 7,9 Milliarden US-Dollar. Internationale Sanktionen schränken die militärische Investitionsfähigkeit des Landes erheblich ein. Abseits von Israel und dem Libanon fielen die Mehrausgaben in den Staaten des Nahen Ostens aber eher moderat aus.
Die Industrie profitiert
Die weltweit steigenden Verteidigungsbudgets schlagen sich positiv in den Bilanzen der Rüstungsindustrie nieder. Das größte deutsche Rüstungsunternehmen Rheinmetall verzeichnete 2024 einen Allzeitrekord beim Ergebnis und beim Auftragsbestand. Der Konzernumsatz stieg deutlich um 36 Prozent auf 9,751 Milliarden Euro. Aber auch die kleineren Unternehmen Hensoldt und Renk zeigten im vergangenen Jahr eine sehr positive Entwicklung. Der Sensor-Experte Hensoldt verzeichnete 2024 einen Anstieg im Umsatzvolumen beim Kerngeschäft von neun Prozent.
Die Entwicklung in Deutschland spiegelt sich im übrigen Europa wider: Das größte britische Rüstungsunternehmen BAE Systems wuchs im selben Zeitraum um 14 Prozent. Frankreichs Rüstungskonzern Thales verzeichnete 2024 ebenfalls einen Rekordauftragsbestand. Der Umsatz überschritt die 20-Milliarden-Euro-Marke bei einem organischen Wachstum (Umsatz- und Ertragssteigerung ohne externe Zukäufe) von 8,3 Prozent.