Nach Wohnungsnot und Mietwucher: Der Berliner Senat stimmt über ein Gesetz zur Vergesellschaftung im Bereich der Daseinsvorsorge ab. Die geplante Regelung ist ein Novum in der Geschichte der Bundesrepublik.
Der Gesetzesentwurf, den die Berliner SPD nun vorgelegt hat, zielt auf die Verstaatlichung großer Wohnkonzerne, wie Vonovia oder Deutsche Wohnen. Mit der Regelung zur Vergesellschaftung soll die „unmittelbare Deckung eines öffentlichen Bedarfs der Daseinsvorsorge“, etwa beim Wohnen und der Versorgung mit Energie, Wasser und Wärme, erreicht werden.
Erwartungsgemäß schlagen die Pläne aus dem Abgeordnetenhaus hohe Wellen. Der Eigentümerverband Haus & Grund spricht beispielsweise von einer „Beerdigung der freiheitlichen Grundordnung“, es würden damit „zentrale Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft“ verletzt. Die Mittelstands- und Wirtschaftsunion bewertet den Entwurf als „massiven Eingriff in die unternehmerische Freiheit“.
Einigung auf Eckpunkte des Gesetzes
Dabei ist der Gesetzesentwurf die Folge eines Volksentscheids aus dem Jahr 2021. Damals hatten sich rund 59 Prozent von 1,8 Millionen teilnehmenden Berlinerinnen und Berlinern für die Verstaatlichung von Wohnkonzernen mit mehr als 3.000 Wohnungen ausgesprochen. Die regierende Koalition aus Union und SPD hatte sich daraufhin in ihrem Koalitionsvertrag verständigt, ein Vergesellschaftungsrahmengesetz auf den Weg zu bringen. Nun stehen die Eckpunkte des Gesetzes fest.
Dieses fußt auf Artikel 15 des Grundgesetzes, der folgendermaßen lautet: „Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden.“ Dass dieser Passus des Grundgesetzes nun zur Anwendung kommt, ist ein Novum in der Geschichte der Bundesrepublik.
Entschädigung für betroffene Konzerne
Zu dem geplanten Gesetz erklärte Berlins Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD): „Was wir als Staat brauchen, ist ein geeignetes Mittel, um gegen diejenigen vorzugehen, die gezielt und immer wieder an Recht und Regeln vorbei agieren, Schlupflöcher suchen und mit ihrem Handeln auf Raubzug gehen, dabei Substanz auf Verschleiß fahren und Infrastruktur verwahrlosen lassen.“ Über die konkrete gesetzliche Ausformulierung wolle die Koalition nun sprechen.
Basierend auf Artikel 15 sollen die betroffenen Konzerne eine Entschädigung erhalten. Dabei darf nach dem Mehrheitsvotum einer eingesetzten Expertenkommission die Entschädigung unterhalb des Verkehrswertes liegen. Das Gesetz soll frühestens zwei Jahre nach Verkündung in Kraft treten. Damit will die Berliner Koalition sicherstellen, dass das Bundesverfassungsgericht das Gesetz vorher prüft, wie es in einer Pressemitteilung des Senats heißt.
Bis zum 18. Dezember ist eine endgültige Entscheidung über den Gesetzesentwurf geplant.