- Anzeige -
- Anzeige -
- Anzeige -
- Anzeige -
StartStaat & RathausDie falschen Voraussetzungen

Die falschen Voraussetzungen

Der Öffentliche Dienst ist weiblich – zumindest auf den ersten Blick, denn die Mehrheit der Beschäftigten sind Frauen. Aber der Schein trügt: In den Führungsebenen ist Gleichstellung z. B. noch längst nicht angekommen. Nicht, weil Frauen weniger motiviert oder qualifiziert sind als die männlichen Kollegen, sondern weil die Rahmenbedingungen nicht passen. Doch die lassen sich ändern.

Um eine gleichberechtigte Teilhabe von Männern und Frauen am Arbeitsleben zu ermöglichen, braucht es zunächst einmal eines: ein Bewusstsein für die Thematik. Wer Ungleichheiten nicht als solche wahrnimmt, versteht das Problem nicht. Wer Maßnahmen für mehr Gleichstellung nicht kennt, kann sie nicht in Anspruch nehmen. Hier setzt Diana Reimann an. Die Gleichstellungsbeauftragte beim Bundesverwaltungsamt (BVA) bietet Weiterbildungen und Führungstrainings zu verschiedenen Themen an, um mit den Beschäftigten aller Standorte und Ebenen im Gespräch zu bleiben. Zudem nutzt sie Personalversammlungen oder andere Veranstaltungen, bei denen viele Beschäftigte zusammenkommen, um dem Thema Gleichstellung eine Bühne zu geben. „Wir brauchen verschiedene Formate, um die Menschen zu erreichen“, erklärt sie. „Soziale Medien und das Intranet reichen da nicht aus.“

Pragmatisch ans Ziel

Das BVA hat eine ganze Reihe von Projekten in Leben gerufen, um Gleichstellung im Arbeitsalltag zu fördern. Darunter auch die sogenannten Eltern- und Pflege-Guides, die Wissen zum Thema Care-Arbeit bündeln und bei verschiedensten Fragen unterstützen. Care-Arbeit wird nach wie vor überwiegend von Frauen geleistet. Lässt die sich nicht mit dem Arbeitsalltag zusammenbringen, ist es vielen Frauen schlicht nicht möglich, einen Beruf auszuüben.

Neben den Beratungsangeboten gibt es im BVA eine Vielzahl an flexiblen Arbeitszeitmodellen und die Möglichkeit zu mobilem Arbeiten. „Diese Angebote werden gern genutzt, denn sie spiegeln das reale Leben wider“, so Reimann. Sie hat die Erfahrung gemacht, dass pragmatische Lösungen oft am besten sind und am stärksten auf Zustimmung treffen. „Manchmal muss man einfach loslaufen und ggf. feststellen, dass eine Idee zu utopisch ist“, sagt sie. Nachbessern und anpassen könne man immer noch. Wichtig seien dabei ein gutes Vertrauensverhältnis zur Behördenleitung und die Verbindlichkeit, einzuhalten, was angekündigt wurde.

Mit Sichtbarkeit

Es brauche viel Entwicklung, Veränderungsbereitschaft und den Mut, Altbewährtes zu hinterfragen oder zu überarbeiten, erklärt Christian Theierl, Gleichstellungsbeauftragter der Feuerwehr Hamburg. Dass sich das lohnen kann, macht er an einem Beispiel deutlich: Die Feuerwehr Hamburg hat in Zusammenarbeit mit der Sporthochschule Köln ihren herausfordernden Sporttest überprüft. Dabei wurden Übungen identifiziert, die anatomisch für Frauen schwieriger zu leisten waren. Um gerechte Einstellungsvoraussetzungen zu schaffen, habe man den Test verändert, berichtet Theierl. Statt mit Klimmzügen müssten die Bewerberinnen und Bewerber sich nun beispielsweise beim Beugehang beweisen – einer Übung, die beide Geschlechter gleichermaßen gut absolvieren können.

Gerade die Feuerwehr gilt für einige Menschen nach wie vor als Männerdomäne – zu Unrecht. „Es gibt ganz viele Frauen in der Feuerwehr, man sieht sie nur manchmal nicht“, so Theierl. Auch weil sie in der schweren Montur oft nicht als Frauen zu erkennen seien. „Einen Aufdruck Zugführerin gibt es für die Uniform gar nicht“, erklärt er.

„Wir arbeiten daran, Verbesserung herzustellen und mehr Sichtbarkeit für Frauen in der Feuerwehr zu schaffen.“ Denn dass junge Frauen sich wohlmöglich nicht für eine Karriere bei der Feuerwehr entschieden, hänge u. a. auch damit zusammen, wie das Berufsbild in der Gesellschaft wahrgenommen werde, betont der Gleichstellungsbeauftragte. Hier sei auch die mediale Darstellung des Feuerwehr-Berufs ein Problem – überzeichnete Bilder in Actionfilmen genau wie Kinderserien mit stereotypen Rollenbildern. Er appelliert an alle Frauen, sich von solchen Darstellungen und nicht abschrecken zu lassen und den Beruf auszuüben, den sie sich wünschen.

Grundlagen schaffen

Julia Welford sieht auch die Politik in der Verantwortung, Gleichstellung zu fördern. „Das darf kein parteipolitisches Interesse werden, das ist ein Verfassungsauftrag“, so die Parlamentarische Beraterin für Digitalisierung, Frauen und Jugend in der bayerischen Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen.

Der Staat müsse die nötigen gesetzliche Rahmenbedingungen schaffen und verbessern. Ein interessantes Beispiel, was das bewirken könne, liefere Schweden. Hier habe es eine Zeit lang freiwillige Elternzeit für Väter gegeben. Die habe nicht dazu geführt, dass eine überwiegende Mehrheit davon Gebrauch gemacht hätte. Dann wurde Elternzeit auch für Väter verpflichtend. Das habe schließlich langfristige Wirkung auf die Rollenverteilungen in Familien entfaltet.

Welford plädiert außerdem für Maßnahmen wie geschlechtersensible Berufsberatung an Schulen, dafür, dass Männer von der Politik besser angesprochen werden und aufgezeigt bekommen, dass auch sie von Gleichstellungsarbeit profitieren und dafür, dass Gleichstellungsbeauftragte mehr Unterstützung erhalten und mit ihren Anliegen in der Politik Gehör finden.

Vorheriger Artikel
Nächster Artikel

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein