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StartVerteidigungDänemark wagt den Vorstoß

Dänemark wagt den Vorstoß

Als erster NATO-Staat wird Dänemark Waffenteile für die Ukraine auf heimischem Boden produzieren. Gegen das ukrainische Unternehmen, das nach Dänemark expandiert, wird wegen Korruption ermittelt.

Als erster NATO-Staat überhaupt wird Dänemark auf eigenem Boden ein ukrainisches Rüstungsprodukt herstellen. Ab 1. Dezember soll in einer Fabrik in der Nähe der Skrydstrup Air Base Festtreibstoff für den ukrainischen Marschflugkörper Flamingo vom Band laufen.
Die Entscheidung folgt auf eine Vereinbarung, die im Juni am Rande des NATO-Gipfels zwischen Kopenhagen und Kiew getroffen wurde. Die beiden Staaten verabredeten, dass die ukrainische Rüstungsindustrie Produktion in das skandinavische Land auslagern wird. Dafür stellt die dänische Regierung 500 Millionen Kronen (etwa 66 Millionen Euro) bereit. Über die genaue Größe der Anlage bewahrte das dänische Verteidigungsministerium bisher Stillschweigen. Allerdings kündigte die Landesregierung an, dass bis zu 100 Jobs durch den Bau der Fabrik entstehen könnten.

„Das Abkommen bildet die Grundlage für eine enge Zusammenarbeit zwischen der dänischen und der ukrainischen Verteidigungsindustrie. Gleichzeitig verschafft es den dänischen Streitkräften leichteren Zugang zu einigen der neuesten Technologien und Erfahrungen aus der Ukraine“, so der dänische Verteidigungsminister Troels Lund Poulsen. Auf diese Weise werde die Integration unserer Verteidigungsindustrien der Sicherheit und Widerstandsfähigkeit beider Länder sehr zugutekommen, führte er weiter aus.

Eine Entscheidung mit Konsequenzen

Es liegt nahe, dass Dänemark nach Einrichtung der Produktionsanlage stärker in das Interesse russischer Nachrichtendienste gerät. Dieser Tatsache ist sich auch die dänische Regierung bewusst. Während der Pressekonferenz zur Bekanntmachung der Industrie räumte der Verteidigungsminister ein, dass die Behörden diesem Thema besondere Aufmerksamkeit widmen werden. Darüber hinaus organisierten die lokalen Behörden eine Informationsveranstaltung, um Sorgen bei der lokalen Bevölkerung abzubauen. Außerdem prüfe die Regierung laut Poulsen die Möglichkeit, Bürgerinnen und Bürgern eine Entschädigung zu gewähren, falls sie negative Folgen durch die neuen Industrieanlagen erleiden sollten.

Neben der jetzt in Kraft getretenen Vereinbarung mit Dänemark strebt die Ukraine an, weitere europäische Partner für die Produktion heimischer Waffen zu gewinnen. Deutschland, Kanada, Litauen, Norwegen und Großbritannien kommen laut dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj dafür in Frage. Die nun in Dänemark produzierten Feststofftreibstoffe bieten einige Vorteile im Vergleich zu konventionellen Flüssigtreibstoffen. Konkret können die Marschflugkörper zum Einsatz kommen, ohne unmittelbar vor dem Einsatz betankt werden zu müssen. Darüber hinaus sind Lagerung und Logistik einfacher.

Selenskyjs Waffe gegen die russische Versorgung im Inland

Der Marschflugkörper Flamingo vom ukrainischen Waffenhersteller Fire Point LCC kann auf Distanzen von bis zu 3.000 km wirken. Sollten die Zahlen der Realität entsprechen, würde das den deutsch-schwedischen Taurus und den britischen Storm Shadow in den Schatten stellen. Der Taurus kann auf Distanzen von bis zu 500 Kilometern wirken, das britische Marschflugkörpermuster weist eine Reichweite von 250 km auf. Laut Medienberichten soll die Nutzlast des Flamingo etwa eine Tonne betragen. Auf einer saudischen Rüstungsmesse gab der Hersteller eine Reisegeschwindigkeit von 850 km/h bis 900 km/h an. Diese Daten bezogen sich allerdings noch auf einen Prototypen. Außerdem sollen bereits erste Einsätze mit dem Flamingo geflogen worden sein. Weitere Details hält das ukrainische Verteidigungsministerium zurück.

Dafür gibt es Informationen zur Produktion der Fernwaffe. Erste Systeme laufen bereits vom Band. Fire Point LCC – das auch die FP-1-Distanzdrohne für die ukrainischen Streitkräfte herstellt – liefert etwa 30 Einheiten pro Monat aus. Bis Oktober strebt das Unternehmen an, die Produktionsleistung auf 210 Marschflugkörper zu steigern. Rein optisch erinnert der Flamingo an westliche Systeme. Das gilt insbesondere für das Antriebssystem. Es ähnelt den Turbinen von Kampfjets. Sollte die Beobachtung stimmen, würde das die Gerüchteküche bestätigen, die schon vor Veröffentlichung der ersten Bilder eine umgebaute Jetturbine als Antriebssystem für den Flamingo vermuteten.

Zusammenarbeit trotz Korruptionsvorwürfen

Während Fire Point in Dänemark zum ersten Mal Teile der Produktion erfolgreich ins Ausland verlegt, muss sich das Unternehmen auf heimischem Boden Korruptionsvorwürfen erwehren. Nach Berichten der renommierten Tageszeitung Kyiv Independent steht der Vorwurf im Raum, dass Fire Point überhöhte Rechnungen für Waffenlieferungen an das Verteidigungsministerium ausgestellt und unzutreffende Aussagen über die gelieferten unbemannten Systeme gemacht habe. Sollten die Angaben des Independent zutreffen, bemüht sich das ukrainische National Anti-Corruption Bureau of Ukraine (NABU) derzeit um Ermittlungen gegen das Unternehmen.

Dabei geht es auch um eine mögliche Verbindung zwischen dem Rüstungsunternehmen und Präsident Wolodymyr Selenskyj. Die Tageszeitung erhielt von einem anonymen Regierungsvertreter Kenntnis darüber, dass es eine Verbindung zwischen dem Unternehmen und Timur Mindich geben soll. Dieser ist Geschäftspartner von Selenskyjs früherem Medienunternehmen Kvartal 95. Fire Point ist eines der größten Rüstungsunternehmen der Ukraine. Insbesondere bei der Drohnenproduktion nimmt das Unternehmen eine bedeutende Rolle ein. Fast ein Drittel des gesamten Drohnenbudgets des ukrainischen Verteidigungsministeriums wird für Produkte von Fire Point aufgewendet. Das entsprach im vergangenen Jahr 13,2 Milliarden Hrywnja (274 Millionen Euro). Auf Nachfrage bestätigte Fire Point, dass es derartige Ermittlungen gebe. Aus Sicht des Rüstungsunternehmens seien die Vorwürfe jedoch haltlos.

Die dänischen Behörden sind über die Ermittlungen informiert, sehen sie aber nicht als Anlass, die Zusammenarbeit aufzukündigen. „Wir sind über den Bericht informiert und haben mit der ukrainischen Antikorruptionsbehörde Kontakt aufgenommen“, stellte der Verteidigungsminister klar. Allerdings habe das Ministerium erfahren, dass keine Anklage erhoben wurde. Es gebe daher keinen Grund zur Annahme, dass es zu Problemen kommen könne. Dennoch räumte Poulsen ein, dass Korruption ein Problem darstellen könne. Alle Unternehmen im Land hätten sich an die dänischen Gesetze zu halten.

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