Dienstrechner aus, Smartphone in die Schublade und raus in die Berge. Workation ist im Öffentlichen Dienst noch nicht sehr verbreitet. Dabei zeigen einige Behörden bereits, dass es funktionieren kann.
Die Landeshauptstadt München und die IT Baden-Württemberg (BITBW) gehören zu den Vorreitern, die ihren Beschäftigten bereits eine Workation – Arbeit (Work) im Urlaub (Vacation), genauer: am Urlaubsort – ermöglichen. Nachdem sich mobiles Arbeiten in der Coronazeit etabliert hatte, äußerten die Beschäftigten den Wunsch, phasenweise auch aus dem Ausland arbeiten zu dürfen. „Da war schnell klar: Wir brauchen klare Spielregeln, die gleichzeitig Flexibilität geben und Sicherheit schaffen“, erinnert sich der Personal- und Organisationsreferent der Landeshauptstadt München, Andreas Mickisch.
Genau wie die Landeshauptstadt hat auch die BITBW den Anspruch auf Workation in die Dienstvereinbarung Mobiles Arbeiten aufgenommen. Diese regelt u. a., dass Mitarbeitende bis zu 30 Tage innerhalb von 12 Monaten im Kalenderjahr Workation in der EU machen dürfen. Außerdem zeigt sie auf, welche Abläufe und Voraussetzungen dabei zu beachten sind. Das Angebot gilt für alle Arbeitsplätze, an denen mobiles Arbeiten möglich ist – unter Beachtung der vorab mitgeteilten Hinweise zu Datenschutz, Informationssicherheit und Arbeitsschutz.
Mit frischem Schwung
„Für mich war es eine tolle Mischung aus Sonne, Urlaubsatmosphäre und konzentriertem Arbeiten“, berichtet Stefanie Huber, Organisationsberaterin im Personal- und Organisationsreferat der Landeshauptstadt München. Knapp 1.400 km trennen Malta – den Ort ihrer letzten Workation – und München. Trotzdem sei der Arbeitsalltag mit einem normalen Homeoffice-Tag vergleichbar gewesen. Der einzige Unterschied: Huber konnte nicht an spontanen Präsenzterminen teilnehmen. „Das habe ich aber von Anfang an offen kommuniziert“, betont sie.
Offenheit und klare Absprachen sind wichtige Voraussetzungen für das Gelingen einer Workation. Außerdem sollte schon vor Reiseantritt überprüft werden, ob am Zielort der Zugang zu einer sicheren Internetverbindung sowie die benötigte technische Infrastruktur vorhanden sind. „Beim nächsten Mal werde ich genauer auf die Ausstattung der Unterkunft achten. Vor allem auf ausreichend Steckdosen“, erklärt Huber. Die Ferienwohnung auf Malta hatte zwar genügend Arbeitsplätze für alle Mitreisenden, doch nicht jeder davon verfügte über eine Lademöglichkeit – eine unerwartete Herausforderung, die sich durch gelegentliche Platzwechsel lösen ließ. Huber plant bereits ihre nächste Workation und zeigt sich nach ihrem ersten Selbsttest überzeugt vom Konzept: „Die neue Umgebung hat spürbar frischen Schwung und Motivation gebracht.“
Ausbruch aus dem Alltag
„Ein neues Arbeitsumfeld im Grünen oder in einer interessanten Stadt, mit Fernblick, unter Palmen oder am Strand bietet uns Lebensqualität, neue Eindrücke, Erholung und Abwechslung“, so Prof. Dr. Julia Reif. Die Professorin für Wirtschafts- und Organisationspsychologie an der Universität der Bundeswehr München bestätigt die positive Auswirkung von Workation auf die Motivation von Beschäftigten. Auch die erhöhte Flexibilität und Zeitsouveränität könnten die intrinsische Arbeitsmotivation stärken und – durch die erlebte Verantwortlichkeit für die Arbeitsergebnisse – letztendlich auch die Produktivität und Leistung.
Von Workation können verschiedene Gruppen von Beschäftigten profitieren, erläutert Reif: von den jüngeren Generationen, die Flexibilität und digitale Arbeitsweisen erwarten, bis hin zu älteren Beschäftigten, die ggf. nicht mehr Vollzeit arbeiten möchten. „Es gibt nicht den einen Workationer-Typ“, erklärt sie. Für manche Menschen sei die Leidenschaft für Outdoor-Aktivitäten ein Reiseanlass, für andere das Kennenlernen neuer Leute und für wieder andere die Suche nach außergewöhnlichen Erfahrungen abseits des Mainstreams. „Was ihnen aber vermutlich allen gemeinsam ist, ist ihre Fähigkeit zur Selbstorganisation und Selbstführung, ihr Bedürfnis nach Selbstentfaltung und die Arbeit an Aufgaben, die so beschaffen sind, dass sie orts- und zeitunabhängig bearbeitet werden können.“
Entscheidend sei bei alldem, Arbeit und Freizeit bewusst zu trennen und die Arbeitszeit unter Palmen kognitiv als ebensolche zu verbuchen, so Reif. Wer Workation als Zwang interpretiere, im Urlaub arbeiten zu müssen, kehre die Ergebnisse um: Zufriedenheit, Motivation und Arbeitsqualität nähmen ab.
Abschalten und entspannen
Inna Fried, Personalsachbearbeiterin bei der BITBW, hat ihre erste Workation gemeinsam mit einer Kollegin gemacht. Die Reise führte die beiden Frauen nach Madrid, Valencia, Barcelona und Madeira. Arbeit und Urlaub voneinander abzugrenzen, fiel ihnen überraschend leicht, berichtet die Personalsachbearbeiterin. „Sobald der Laptop zugeklappt war, schalteten wir automatisch in den Urlaubsmodus.“
Vom Blick aufs Meer bei der ersten Tasse Kaffee am Morgen bis zum Feierabend am Strand – der Arbeitsort-Wechsel war nicht nur eine besondere Erfahrung, sondern auch gut für die Gesundheit. „Wir waren merklich ausgeglichener und entspannter“, erzählt Fried. „Insgesamt haben wir uns mehr bewegt, sind viel gelaufen und haben uns dank des gesteigerten Wohlbefindens auch bewusster ernährt.“
Nachhaltige Effekte
Von den positiven gesundheitlichen Effekten einer Workation können Beschäftigte auch auf kleineren Reisen im Inland profitieren. In einem Projekt hat CENTOURIS, ein Institut der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Passau, die ganzheitliche gesundheitsorientierte (Co-)Workation in bayerischen Heil- und Thermalbädern untersucht. Dort herrschen durch bereits bestehende Kurangebote besondere Möglichkeiten, Arbeitszeit mit regenerativen Elementen wie einem Besuch in der Natur oder therapeutischen Angeboten zu kombinieren. Diese Verbindung kann Stressabbau und mentale Entlastung fördern. Zudem können therapeutische, physiotherapeutische und ernährungsbezogene Programme vor Ort dazu beitragen, ungesunde Arbeits- und Lebensgewohnheiten nachhaltig zu verändern.
Die Ergebnisse des Projekts machen deutlich, dass es sich für Arbeitgeber, aber auch für die Kurorte lohnt, entsprechende Konzepte zu fördern und auszubauen. Arbeitgeber können so ihre Attraktivität steigern, ihre Beschäftigten können Arbeit und Gesundheitsvorsorge verbinden, ohne Urlaubstage zu nutzen, und Fehlzeiten werden reduziert. Kurorte können sich neben den klassischen Kurteilnehmenden neue Zielgruppen erschließen, die auch außerhalb der Hochsaison anreisen und durch ihren Besuch die Wirtschaft vor Ort stärken.
„Gesundheitsorientierte Workation stellt in Bayern ein vielversprechendes Konzept dar – sowohl aus Sicht der Beschäftigten wie auch der Arbeitgeber und der Kommunen bzw. Kurorte“, erklärt Dr. Stefan Mang, Geschäftsführer von CENTOURIS. Es bestehe bereits ein messbares Interesse und die gesundheitlichen und wirtschaftlichen Potenziale seien real.