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StartStaat & RathausDie Mobilität von Morgen

Die Mobilität von Morgen

(BS) Wie lässt sich die Mobilität der Zukunft in Nordrhein-Westfalen klima-freundlich, bezahlbar und alltagstaug­lich organisieren? Diese Frage prägte den Mobilitätstag NRW. Es wird deut­lich: Das Land versteht sich als Modell­region – hat aber noch viel Sanierungs-und Reformarbeit vor sich.

Bereits zum siebten Mal lud das Verkehrsministerium in Düssel­dorf Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Wis­senschaft zum Erfahrungsaustausch ein. Ziel: Dialog, Vernetzung und das Schmieden von Akteurskoalitionen – getreu dem Motto „gemeinsam voran“.

Bewegung im Herzen Europas

Verkehrsminister Oliver Krischer (Bündnis 90/Die Grünen) be­tont zu Beginn die Bedeutung des Deutschlandtickets als sozialer und klimapolitischer Hebel: „Es bleibt bis mindestens 2030“, stellte er klar. Zugleich verweist Krischer auf die Rolle des Lan­des als „Modellregion für Digitalisierung, multimodale Mobilität und die Stärkung des ländlichen Raums“. On-Demand-Angebote und Tarifreformen, etwa über die landeseigene Datenplattform Mobidrom, machen Buchung und Bezahlung im ÖPNV künftig so einfach wie möglich.

Kernforderungen und Zielsetzungen

Doch NRW steht nicht allein in der Welt. Zum Blick über den Teller­rand lädt Eric von Breska als Direktor für Investitionen sowie inno­vative und nachhaltige Mobilität bei der EU-Kommission ein. Sechs der großen Verkehrskorridore des transeuropäischen Netzes füh­ren durch Deutschland, zwei davon durch Nordrhein-Westfalen. „Diese Korridore haben für uns höchste Priorität, um nachhaltige und intelligente Mobilität zu erreichen“, so von Breska. Künftig müssten zudem städtische Knotenpunkte bis 2027 nachhaltige Mobilitätspläne vorlegen. Und auch für 2026 plant die EU konkrete Impulse: „Wir wollen groß angelegte Testkorridore für autonomes Fahren in Europa forcieren, sowohl im öffentlichen Nahverkehr als auch bei Fahrdienstleistungen oder beim Güterverkehr.“

Akzeptanz statt Kulturkampf

Die Verkehrswende ist nicht nur eine technische, sondern eine gesellschaftliche Aufgabe. Darauf weist Verkehrsexpertin Prof. Dr. Sophia Becker von der TU Berlin hin. Sie erinnert an die Debatte um ein Tempolimit auf Autobahnen. Während der ehemalige Bun­desverkehrsminister Volker Wissing (vormals FDP) argumentiert habe, dafür gebe es „keine Akzeptanz“, zeigen aktuelle Umfragen unter ADAC-Mitgliedern ein anderes Bild. Die Botschaft: Akzep­tanz ist im Wandel – nicht nur durch den Zeitgeist, sondern durch mutige Entscheidungen und eine positive Kommunikation.

Klimaschutz sei für Teile der Gesellschaft zu einem „Triggerpunkt“ geworden. Schon das Wort löse Abwehrreaktionen aus. Erfolgrei­che Kampagnen für nachhaltige Mobilität setzten deshalb stärker auf Lebensqualität und Gesundheit. Becker plädierte für mehr Mut der politischen Entscheidungsträger: „Eine hohe Akzeptanz ist nicht die Voraussetzung für erfolgreiche Klimaschutzpolitik und Mobilitätswende, sondern konsistente Politikgestaltung ist eine der Voraussetzungen für steigende Akzeptanz.“

Daten, Strukturen und neue Angebote

Welche Rolle neue Technologien spielen, machte Mobilitätsjour­nalist Don Dahlmann deutlich. Das Auto sei längst „das ultimative Mobile Device“. Gleichzeitig stehe es im Schnitt 23,5 Stunden am Tag still. Autonomes Fahren, On-Demand-Verkehre und geteilte Fahrzeuge könnten diese Ressourcen effizienter nutzen – und mehr Raum in den Innenstädten freigeben. Entscheidend sei: „Menschen kaufen keinen Antrieb, sie kaufen Bequemlichkeit.“

Die Veranstaltung zeigt aber auch Grenzen auf. Immer wieder ist von fehlender Anschlussfinanzierung für Pilotprojekte, komplexen Förderstrukturen und langen Planungsverfahren die Rede. Es klafft zudem eine Diskrepanz zwischen Förderlogik und Bedarf: Es werde dort geforscht, „wo gerade die Mittel da sind“ – nicht zwingend dort, wo Kommunen die Ergebnisse am dringendsten bräuchten, so der Tenor.

Staatssekretär Viktor Haase ordnet diese Diskussion in die Inf­rastrukturrealität ein. Die Netze seien „in die Jahre gekommen“, Brücken, Schienen und Wasserstraßen warteten auf Sanierung. Mit Sondervermögen und Sanierungsoffensiven wolle das Land einen „Aufholwettbewerb“ starten. Kritisch merkt Haase an, dass aus dem Sondervermögen Infrastruktur bislang keine Mittel für die Wasser­straßen vorgesehen sind. NRW gehe deshalb mit einer „Fokusgrup­pe Infrastruktur“ eigene Wege, in der Wissenschaft, Wirtschaft, Kommunen und Verwaltung gemeinsam an Lösungen arbeiteten.

Triangel gewinnt Mobilitätspreis

Wie Mobilität funktionieren kann, zeigt der Sieger des Mobilitäts­preises NRW. Als Gewinner geht die „Triangel“ im Kreis Steinfurt hervor. Das Radwege-Dreieck verbindet auf rund 60 Kilometern sechs Ortskerne und erschließt damit den Alltag von rund 160.000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Ehemalige Bahntrassen wur­den auf drei Meter Breite ausgebaut, über 150 Knotenpunkte um­gestaltet und eine neue Brücke über eine Bundesstraße errichtet. Die Triangel stehe exemplarisch dafür, wie stillgelegte Infrastruktur in hochwertige, sichere Alltagsradwege verwandelt werden kön­ne, hieß es in der Laudatio.

Weitere nominierte Projekte zeigen unterschiedliche Zugänge zur Verkehrswende: eine weitgehend autofreie Siedlung in Köln, die Bonusmobil-App der Ruhrbahn, die klimafreundliches Verhalten mit Punkten belohnt, die digitale Erfassung ungenutzter privater Parkplätze in innerstädtischen Quartieren und das Bildungsprojekt „Sensebox Bike“, in dem Schülerinnen und Schüler auf ihren Alltags­wegen Verkehrsdaten erheben.

Der Mobilitätstag NRW macht damit deutlich: Zwischen europäi­scher Netzplanung, landespolitischen Strukturreformen und kom­munalen Projekten entsteht ein dichtes Geflecht an Initiativen. Ob daraus ein tatsächlich spürbarer Wandel für die Bürgerinnen und Bürger wird, hängt nun vor allem von konsequenter Umsetzung, verlässlicher Finanzierung – und einer Mobilitätspolitik ab, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt.

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