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Für einen aktiveren Staat

Von der finanziellen Absicherung bis hin zur Förderung von Kreativität und Engagement – die Möglichkeiten, Kinder und Jugendliche zu unterstützen, sind vielseitig. Im Interview spricht Ekin Deligöz, Paralmentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), über die Kindergrundsicherung, bessere Chancen für benachteiligte Familien und Frauen in Führungspositionen des Öffentlichen Dienstes. Die Fragen stellte Dr. Eva-Charlotte Proll.

Behörden Spiegel: Was sind die größten Errungenschaften binnen Ihrer zweijährigen Tätigkeit als Parlamentarische Staatssekretärin im BMFSFJ?

Deligöz: Wir haben bereits große und kleine Errungenschaften erzielt. Dass jetzt bei der Europawahl alle 16-Jährigen zur Wahl gehen können, ist eine große Errungenschaft, weil es unsere Demokratie stärkt und Jugendliche früher an Demokratie heranführt. Wir haben kleine Errungenschaften erzielt, die sich aber auf viele Menschen auswirken, wie die Ausweitung der Kinderkrankentage oder dass Jugendliche in der Jugendhilfe bei den Kosten nicht mehr mit herangezogen werden. Wir haben aber auch Gesetze, deren Wirkung sich erst in ein paar Jahren entfalten wird, wie z. B. das Ganztagsförderungsgesetz oder der Ausbau der Qualität in der Kindertagesbetreuung. Auch haben wir Maßnahmen zur Verringerung des Fachkräftemangels eingebracht, z. B. durch Weiterbildung unter anderem in der Pflege und in der Kindertagesbetreuung.

Eine kleine Maßnahme, aber dennoch besonders für mich, ist das Zukunftsprogramm für Bewegung, Kultur und Gesundheit. Darüber können junge Menschen finanzielle Unterstützung für eigene Projektideen vor Ort beantragen. So sind zum Beispiel Fahrrad-Werkstätten in Augsburg entstanden. Andere Jugendliche haben sich Parkbänke für alle Generationen gewünscht. Eine Gruppe von geflüchteten Jugendlichen in Berlin hat sich für eine Begegnungsstätte zum Erlernen handwerklicher Tätigkeiten eingesetzt. Die Kreativität und das Engagement, wie Jugendliche aktiv ihr Umfeld selbst gestalten wollen und können, fasziniert mich dabei immer wieder aufs Neue.

Behörden Spiegel: Stichwort Kindergrundsicherung…

Deligöz: Die Kindergrundsicherung befindet sich in den Verhandlungen im Bundestag. Im Bereich der Sozialgesetzbücher ist es immer kompliziert. Daneben ist das Vorhaben als anspruchsvolles Digitalisierungsvorhaben komplex. Die drei Fraktionen, die die Kindergrundsicherung verhandeln, haben unterschiedliche Erwartungen und Ansätze. Aber ich bin zuversichtlich.

Behörden Spiegel: Die Kindergrundsicherung ist also auf dem Weg. Welche Fragen sind bis zur Einführung noch zu klären?

Deligöz: Die Kindergrundsicherung ist eine umfassende Reform der Familienförderung. Ziel ist, den Zugang zu Leistungen für anspruchsberechtigte Familien zu vereinfachen. Kernpunkt ist dabei die Digitalisierung, mit der wir schneller Leistungen feststellen und auszahlen können. Datenschutz ist dabei immer eine Herausforderung. Weil wir hier über die Zuwendung des Staates sprechen, sind wir an die Haushaltsordnung und das Sozialrecht gebunden. Dennoch wollen wir ein aktivierender Staat sein, der Familien dort unterstützt, wo der Bedarf besteht.

Natürlich darf alles, was wir im Sozialrecht neu schaffen, auf keinen Fall zu einem Mehr an Bürokratie führen. Wir reden deshalb im Zusammenhang mit der Kindergrundsicherung im Grunde nicht über eine neue Behörde, sondern setzen auf den Strukturen der Familienkassen auf, die bereits jetzt das Kindergeld auszahlen. Aufgrund der steigenden Zahl von Ansprüchen alleine beim bestehenden Kinderzuschlag wird hier mehr Personal benötigt. Es sollte künftig erreicht werden, dass möglichst viele anspruchsberechtigte Familien die Leistung auch erhalten.

Es ist unser Auftrag, Verwaltungsarbeit zu beschleunigen, indem ein intelligenter, aber datenschutzrechtlich sicherer Abgleich mit Steuerdaten oder bei Behörden, wie der Rentenversicherung, ermöglicht werden kann.

Behörden Spiegel: Was sieht der Nationale Aktionsplan „Neue Chancen für Kinder in Deutschland“ vor, um sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche zu fördern?

Deligöz: Mit dem Nationalen Aktionsplan „Neue Chancen für Kinder in Deutschland“ setzt Deutschland die 2021 verabschiedete EU-Ratsempfehlung zur Einführung einer Europäischen Kindergarantie um. Danach soll jedem Kind in der EU der Zugang zu Erziehung und Betreuung, Bildung, Gesundheit, Ernährung und Wohnraum gewährt werden. Als Koordinatorin für die Umsetzung des Aktionsplans in Deutschland besuche ich bundesweit Kommunen und Organisationen, die sich mit ihrer Arbeit für bessere Chancen von benachteiligten Kindern und ihren Familien einsetzen. Es ist beeindruckend, was schon alles vor Ort geleistet wird.

Aus dem Familienbericht wissen wir, welche Rolle Zeit, Geld und Infrastruktur für Familien spielen. Das kombinieren wir im Nationalen Aktionsplan. An den materiellen Leistungen arbeiten wir mit der Kindergrundsicherung. An der Infrastruktur arbeiten wir mit dem Ausbau der Ganztagsbetreuungsplätze an Grundschulen, dem Startchancen- Programm sowie dem qualitativen Ausbau der Kitas. Wir diskutieren regelmäßig mit den anderen Bundesressorts, den Ländern, den Kommunen sowie zivilgesellschaftlichen Organisationen, wie wir z. B. weitere Zugänge schaffen oder bei der Gewinnung neuer Fachkräfte voranschreiten können. Die Vernetzung von Akteuren und die Bekanntmachung von Maßnahmen vor Ort schaffen einen präventiven Mehrwert. Ganz wichtig ist mir dabei der Dialog mit den Kindern und Jugendlichen selbst. Gemeinsam kommen wir voran, nicht jeder Einzelne für sich.

Behörden Spiegel: Im zweiten Führungspositionen-Gesetz hat sich die Regierung vorgenommen, die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in Führungspositionen im Öffentlichen Dienst im Bund zu erreichen. Wie ist der aktuelle Stand und können Sie die Zielvorgabe bis 2025 einhalten?

Deligöz: Bei den obersten Bundesbehörden lag der Anteil von Frauen in Führung 2015 noch bei 33 Prozent. Im Jahr 2022 waren wir bei 41 Prozent, Tendenz steigend. Wir sind noch nicht bei 50, aber das erreichen wir sukzessive. Dabei gehen wir verschiedene Wege und versuchen, allen gerecht zu werden, wie z. B. flexible Formen des Arbeitens vorzulegen oder das Führen in Teilzeit zu ermöglichen.

Erstmals erfassen wir auch die Zahlen von Sozialversicherungsträgern und Körperschaften des öffentlichen Rechts im Bereich der Sozialversicherung. Dort sind wir derzeit bei 24 Prozent. Schauen wir uns im Vergleich dazu die Privatwirtschaft an: Im gleichen Zeitraum gab es eine Steigerung von knapp 18 auf 25 Prozent. Es fehlen dennoch die Geschwindigkeit und die Zielwirkung. Aber „Frauen in Führungspositionen“ ist kein Dogma, es ist ein Mittel zum Zweck. Wir brauchen gemischte Teams, da ebenjene oftmals bessere Entscheidungen treffen, weil sie verschiedene Blickwinkel einnehmen. Deshalb fordere ich Quoten als Mittel zum Zweck. Irgendwann werden wir sie dann vielleicht nicht mehr brauchen.

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