Der Cloud-Markt wird von amerikanischen Hyperscalern beherrscht. Das ist für die öffentliche Verwaltung ein Problem, die sich eine Stärkung der digitalen Souveränität wünscht. Eine Umfrage des zentrum für Nachhaltige Transformation (zNT) unter öffentlichen Unternehmen weist darauf hin, dass Lizenzpraktiken und Lock-In-Effekte ein Problem darstellen.
Lock-In-Effekt bedeutet, dass Kundinnen und Kunden an Produkte und Dienstleister gebunden werden, da Wechselkosten oder sonstige Barrieren die Migration zu Alternativprodukten erschweren. Prof. Dr. Torsten Oltmanns, Managing Partner von zNT, erklärte dazu, dass viele Unternehmen Angebote nutzen, die Cloud- und Softwareprodukte kombinieren. Die Lock-In-Effekte würden teilweise schon lange bestehen: „Zwischen Software- und Cloud-Anbietern und ihren Unternehmenskunden bestehen komplexe, betriebsübergreifende Abhängigkeiten, die teilweise über Jahrzehnte zurückgehen“, so Oltmanns.
Wenn Unternehmen sich entscheiden, bei einem großen Cloud-Anbieter zu bleiben, besteht die Gefahr, dass die Kosten für die Services stark steigen. Dazu kämen Sicherheitsrisiken: „Software-Monokulturen sind immer ein Risiko für die Cyber-Sicherheit, weil sich der Aufwand für die Kompromittierung durch Cyber-Kriminelle lohnt“, erklärt Prof. Dr. Dennis-Kenji Kipker von der Universität Bremen. Bestes Beispiel ist der chinesische Cyber-Angriff auf das US-Außenministerium vor einem Jahr, bei dem eklatante Sicherheitsmängel bei Microsoft festgestellt wurden. Das US-Ministerium für Innere Sicherheit veröffentlichte im Anschluss an den Vorfall einen Bericht mit den Versäumnissen von Microsoft. Dies hätte aber nicht zu weiteren Schlussfolgerungen seitens der Behörden geführt, so Kipker.
Klagen können helfen
Um sich gegen ungerechtfertigte Kostensteigerungen von Cloud-Anbietern zu wehren, können private und öffentliche Unternehmen sich an das Kartellamt wenden. Gemäß Wettbewerbsrechts-Professor Dr. Patrick Krauskopf sind in zahlreichen Fällen Bemühungen um einvernehmliche Lösungen sinnvoller. Von diesen hat allerdings die Öffentlichkeit keine Kenntnis, weil die Parteien Vertraulichkeit mittels Non- Disclosure-Agreements (NDA) vereinbaren. Krauskopf ist außerdem Vorsitzender der Schweizer Stiftung KMU für Rechtsdurchsetzung (SKR). Die SKR kann kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), aber auch der öffentlichen Hand, etwa bei ungerechtfertigten Preiserhöhungen durch marktmächtige Cloud-Provider helfen. Auch in rechtlicher Hinsicht, indem z.B. die Bedürfnisse der „Kleinen“ gepoolt werden, um eine Gegenmacht aufzubauen.
Nach Krauskopf haben sich große Cloud- Betreiber auf Klagen vor Kartellbehörden, wie z.B. der EU-Kommission, eingestellt und oft kartellrechtliche Sanktionsrisiken einkalkuliert, auch wenn die Hyperscaler diese nicht öffentlich zugeben würden. Derzeit laufen Untersuchungen der EU-Kommission, ob Microsoft gegen die Kartellvorschriften der EU verstoßen hat, indem es seine Marktposition bei Produktivitätssoftware nutzt und sein paketzentriertes Modell gegenüber konkurrierenden Anbietern individueller Software abschottet. Nichtsdestotrotz wünscht sich Krauskopf, dass die Vormachtstellung großer amerikanischer Cloud-Provider auf anderem Wege gestoppt wird: „Man sollte den Auf- und Ausbau europäischer Lösungen ermöglichen, das passiert nicht über das Kartellrecht“, resümiert der ehemalige Vizedirektor des Schweizer Kartellamts WEKO.
Struktur muss transparenter werden
Das wünscht sich auch Torsten Oltmanns von zNT. Die Befragung zur Lage des Cloud- Marktes für öffentliche Unternehmen läuft noch bis August 2024. Dennoch lassen sich schon die ersten Schlussfolgerungen ziehen. „Politiker und Regulierer sollten die Bedingungen auf dem Cloud-Markt kritisch durchleuchten“, so Oltmanns. Des Weiteren sollten Kunden bessere Transparenz über Kosten und Leistung der Cloud-Anbieter erhalten. Oltmanns schlägt dafür die Einrichtung einer unabhängigen Clearing-Stelle vor, die Daten sammelt und anonymisiert. Darüber hinaus sollten sich betroffene Unternehmen häufiger zusammenschließen: „Beispiele aus der Schweiz zeigen, dass juristische Auseinandersetzungen erfolgreich sein können, wenn Unternehmen sich zusammentun“, fasst Oltmanns zusammen.