Die sozialen Medien sind längst zu einem Ort geworden, an dem Menschen ihre Meinung äußern, sich mit anderen austauschen – und manchmal auch ihrem Frust Luft machen. Doch was viele unterschätzen: Auch Verhaltensweisen im Internet können sich direkt auf das eigene Arbeitsverhältnis auswirken, besonders wenn die grundgesetzlich geschützte Meinungsfreiheit überschritten und die Rücksichtnahmepflicht gegenüber dem eigenen Arbeitgeber verletzt wird.
Ein aktuelles Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf (3 SLa 313/24) zeigt, dass die Hürden für eine Kündigung, die auf einen privaten Facebook-Post gestützt wird, jedoch sehr hoch sind.
Sachverhalt
Der Kläger war bei der Beklagten, bzw. ihrer Rechtsvorgängerin, der Z.AG, seit dem 1. September 2017 zuletzt als Schlosser beschäftigt und unterhielt bis zum 31. Oktober 2023 einen privaten Facebook-Account unter seinem Namen. Unter dem Punkt „Lebensereignis“ war unter dem Datum 1. September 2017 angegeben:
„Hat angefangen bei der Z.AG zu arbeiten“.
Als Statusmeldung postete der Kläger am 31. Oktober 2023 den folgenden Kommentar:
„Weiß jemand wann und wo die nächste Demo gegen Juden in NRW ist? Wir Zeit, das Rheinhausen bebt“.
In einer weiteren Statusmeldung veröffentlichte der Kläger eine Videosequenz, welche die Stürmung eines aus Tel Aviv kommenden Flugzeuges durch eine antisemitische Parolen rufende Menschenmenge an einem Flughafen in Dagestan Ende Oktober 2023 zeigt. Bei dem Vorfall wurden israelische Passagiere gezielt gesucht und 20 Personen verletzt. Der Kläger kommentierte das Video wie folgt:
„Das sind Männer. Die protestieren, dass keine israelischen Flugzeuge mehr kommen sollen Flughafen ist für Flüge geschlossen, so muss es sein. Das Land heißt Dagestan. Ehrenmänner.“
Die Z.AG bekam noch am 31. Oktober 2023 über deren Meldekanal einen Hinweis auf die Statusmeldungen des Klägers und prüfte zunächst, ob es sich um einen ihrer Mitarbeiter handelte. Nachdem diese Prüfung negativ verlief, stellte man die Vermutung auf, dass es sich um einen Mitarbeiter der Beklagten handeln könnte, da die Beklagte bis zum 31. Dezember 2019 noch eine Geschäftseinheit der Z.AG war und zum 1. Januar 2020 auf die Z.E. GmbH & Co. KG ausgegliedert wurde. Die Z.AG leitete die Meldung dann am 6. November 2023 an die Beklagte weiter und informierte darüber den Hinweisgeber. Am 9. November 2023 fand sodann ein Anhörungsgespräch mit dem Kläger statt, in dem dieser bestätigte, dass er die Posts getätigt hatte. Zudem leitete die Z.AG der Beklagten eine Presseanfrage der Bildzeitung weiter, in der diese nach arbeitsrechtlichen Maßnahmen im Zusammenhang mit den Posts fragte. Mit Schreiben vom 15. November 2023 kündigte die Beklagte dann das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise ordentlich zum 31. Januar 2024.
Die Entscheidung des LAG Düsseldorf
Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf sah die Kündigung, ebenso wie die Vorinstanz, als unwirksam an.
Das LAG Düsseldorf stellte zunächst fest, dass grundsätzlich auch die schuldhafte Verletzung von Nebenpflichten als wichtiger Grund nach § 626 Abs. 1 BGB und damit zugleich auch als verhaltensbedingter Kündigungsgrund einer ordentlichen Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG geeignet sein kann.
Der Arbeitnehmer ist nach § 241 Abs. 2 BGB auch außerhalb der Arbeitszeit verpflichtet, auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen.
Nach § 241 Abs. 2 BGB ist jede Partei des Arbeitsvertrags zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet.
Durch ein rechtswidriges außerdienstliches Verhalten des Arbeitnehmers werden berechtigte Interessen des Arbeitgebers beeinträchtigt, wenn es negative Auswirkungen auf den Betrieb oder einen Bezug zum Arbeitsverhältnis hat. In diesem Fall verstößt der Arbeitnehmer gegen seine schuldrechtliche Pflicht zur Rücksichtnahme aus § 241 Abs. 2 BGB.
Jedoch gerade im Bereich der Arbeitsverhältnisse außerhalb des öffentlichen Dienstes ist zu beachten, dass das Verhalten eines Arbeitnehmers im privaten Lebensbereich grundsätzlich außerhalb der Einflusssphäre des Arbeitgebers liegt. Daher kann nur in solchen Fällen eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung vorliegen, in denen sich das private Verhalten auf den betrieblichen Bereich auswirkt und dort zu Störungen führt. Berührt das außerdienstliche Verhalten den arbeitsvertraglichen Pflichtenkreis nicht, so ist der Arbeitgeber nicht berechtigt, die ihm bekannt gewordenen Umstände aus der Privatsphäre des Arbeitnehmers durch den Ausspruch einer Kündigung zu missbilligen.
Ein Bezug zum Arbeitsverhältnis kann etwa anzunehmen sein, wenn
- der Arbeitnehmer zwar außerdienstlich, aber unter Nutzung von Betriebsmitteln oder betrieblichen Einrichtungen gehandelt hat,
- sich der Arbeitgeber oder andere Arbeitnehmer staatlichen Ermittlungen ausgesetzt sehen oder
- in der Öffentlichkeit mit einer Straftat in Verbindung gebracht werden.
Bei Äußerungen in den sozialen Medien kann der Bezug zum Arbeitsverhältnis auch durch eine Verlinkung des Arbeitgebers bzw. Angaben zum Beschäftigungsverhältnis, die eine Identifizierung des Arbeitgebers in der Öffentlichkeit zulassen, hergestellt werden. In einem solchen Fall wird der Arbeitgeber mit der Äußerung in Verbindung gebracht, was dazu führt, dass der Arbeitnehmer durch die Rücksichtnahmepflicht aus § 241 Abs. 2 BGB dazu angehalten wird, auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers, nicht in möglicherweise rufschädigender Weise in politische Auseinandersetzungen hineingezogen zu werden, Rücksicht zu nehmen. Fehlt hingegen ein solcher Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis, liegt eine Verletzung der vertraglichen Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers regelmäßig nicht vor.
Im vorliegenden Fall sah das LAG Düsseldorf in beiden Posts eine schwerwiegende Verletzung der Rücksichtnahmepflicht des Klägers, da der Kläger durch die Benennung seines Arbeitgebers auf seinem Facebook-Account einen Bezug zum Arbeitsverhältnis hergestellt hat. Dabei haben die als antisemitisch und menschenverachtend anzusehenden Posts auch zu einer konkreten Beeinträchtigung betrieblicher Interessen geführt, wie die Meldung durch den anonymen Hinweisgeber und die Anfrage der Bildzeitung zu arbeitsrechtlichen Maßnahmen in diesem Fall gezeigt hat.
Auch wenn damit ein an sich geeigneter Grund zur außerordentlichen Kündigung gegeben war, sah das LAG Düsseldorf die Kündigung als unverhältnismäßig und damit unwirksam an. Die Beklagte hätte den Kläger zuvor abmahnen müssen, da dieser den Bezug zum Arbeitsverhältnis einfach durch das Löschen des Arbeitgebernamens auf seinem Facebook-Profil hätte auflösen können. Eine Abmahnung hätte daher eine Wiederholung gleichartigen Fehlverhaltens für die Zukunft ausschließen können.
Das LAG Düsseldorf sah eine solche Abmahnung auch nicht als entbehrlich an, da die Pflichtverletzung nicht so schwerwiegend war, dass die einmalige Hinnahme dem Arbeitgeber unzumutbar war, was für den Arbeitnehmer auch offensichtlich hätte erkennbar sein müssen. Dies trifft nur dann zu, wenn die Pflichtverletzung so schwer war, dass die Basis für eine weitere Zusammenarbeit irreparabel entfallen ist. Grund für diese Ansicht ist, dass die Pflichtverletzung nicht in den Äußerungen auf Facebook zu sehen ist, sondern in der Verletzung der Rücksichtnahmepflicht durch den Verweis auf den Arbeitgeber. Diese Pflichtverletzung erfolgte aber nicht vorsätzlich, sondern fahrlässig und ohne Intention, die Beklagte zu schädigen.
Die dem Kläger vorzuwerfende Verletzung von Rücksichtnahmepflichten im außerdienstlichen Bereich wiegt damit in der Gesamtschau nicht so schwer, dass selbst deren erstmalige Hinnahme der Beklagten nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Kläger erkennbar – ausgeschlossen gewesen wäre.
Einordnung
Auch wenn die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts auf den ersten Blick als zu milde angesehen werden mag, zeigt sie einmal mehr, dass bei außerdienstlichem Verhalten trennscharf zwischen dem Verhalten an sich (hier: den antisemitischen und menschenverachtenden Posts) und der Rücksichtnahmepflichtverletzung (hier: Herstellen des Bezugs der antisemitischen und menschenverachtenden Posts zum Arbeitsverhältnis durch den Hinweis auf den Arbeitgeber im Facebook-Account) unterschieden werden muss. Lediglich Letzteres wird bei der Frage nach der Wirksamkeit der Kündigung beurteilt, was dazu führen kann, dass eine Abmahnung als milderes Mittel angesehen wird, weil diese geeignet gewesen wäre, eine Wiederholung gleichartigen Fehlverhaltens für die Zukunft auszuschließen. und die Pflichtverletzung zudem auch nicht so schwerwiegend war, dass bereits die einmalige Hinnahme dem Arbeitgeber unzumutbar ist, was für den Arbeitnehmer hätte erkennbar sein müssen.
Im öffentlichen Dienst ist beim außerdienstlichen Verhalten und entsprechenden politischen Äußerungen hingegen zwischen Beamten und Mitarbeitenden im öffentlichen Dienst zu unterscheiden. Es bestehen unterschiedliche Wertungen und Anforderungen an die einfache und gesteigerte politische Treuepflicht, die Beamte bzw. Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst betreffen (siehe https://www.behoerden-spiegel.de/2024/08/02/teilnahme-am-potsdamer-treffen-zur-remigration-von-asylsuchenden-und-menschen-mit-migrationshintergrund-kein-ausserordentlicher-kuendigungsgrund-fuer-mitarbeiterin-des-oeffentlichen/).
Im Ergebnis zeigt die Rechtsprechung, dass selbst aufs Schärfste zu missbilligende Äußerungen in sozialen Medien und damit im privaten Lebensbereich nicht zwangsläufig zu einer Pflichtverletzung führen, die Konsequenzen im Arbeitsverhältnis auslöst. Aber selbst wenn eine Rücksichtnahmepflichtverletzung vorliegt, kann nicht pauschalisiert werden, wann eine wirksame (außer-)ordentliche Kündigung vorliegt, sondern es hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere, ob bereits eine Abmahnung ausgereicht hätte, den Pflichtverstoß zu sanktionieren und eine Wiederholung gleichartigen Fehlverhaltens für die Zukunft auszuschließen.
Der Autor dieses Gastbeitrages ist Dr. Björn Braun LL.M. von der Küttner Rechtsanwälte Partnergesellschaft.




