Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) nutzte die traditionelle Bundeswehrtagung, um die Weichen für das kommende Jahr zu stellen.
Nach der Rede des deutschen Verteidigungsministers Boris Pistorius (SPD) ist klar: Dem mittlerweile auf drei Personen angewachsenen Staatssekretärsteam des Verteidigungsministeriums (BMVg) stehen arbeitsintensive Wochen bevor. Dabei wird Ostern 2026 zum Stichtag. Bis zum April des nächsten Jahres müssen die Staatssekretäre Hilmer, Plötner und Stöß Entwürfe für umfassende Strukturanpassungen vorlegen. Das Betätigungsfeld ist weit: Die Änderungen betreffen vom Ministerium über die Beschaffung bis hin zum Personal die Grundfeste der deutschen Streitkräfte.
Von Reform zu Reform
In seiner nun drei Jahre währenden Amtszeit zeigte Pistorius bislang wenig Hemmungen, das eigene Haus auf den Kopf zu stellen. Diesem Ruf wurde er auf der Bundeswehrkonferenz 2025 erneut gerecht. Wie der Verteidigungsminister mitteilte, ist Staatssekretär Martin Stöß beauftragt, bis Ostern 2026 eine neue Entbürokratisierungs- und Modernisierungsagenda für das Ministerium vorzulegen. Welche Themenfelder der Staatssekretär dabei besonders bearbeiten soll, ließ der ehemalige Innenminister Niedersachsens offen. Allerdings erläuterte er, wie mit der beauftragten Agenda im Frühjahr 2026 umzugehen sei: Nach dem Vorbild der Modernisierungsagenda vor drei Jahren soll sich das Dokument in der Praxis möglichst zeitnah auswirken.
Viele Maßnahmen für die Reserve
Zwar konnte sich die Bundeswehr im Wettbewerb um Köpfe, Talente und Fähigkeiten im vergangenen Jahr verbessern, die Personalentwicklung bleibt jedoch eine der zentralen Herausforderungen der Truppe. Folgerichtig stellte Pistorius in Berlin ein Maßnahmen-Potpourri vor, um dieser Herausforderung Herr zu werden. So ist der Generalinspekteur (GI) der Bundeswehr, General Carsten Breuer, beauftragt, die Ausbildung der Wehrdienstleistenden bis Frühsommer 2026 zu evaluieren. Darüber hinaus ist der GI beauftragt, in Zusammenarbeit mit Staatssekretär Stöß bis Ostern einen abgestimmten Aufwuchsplan für die aktive Truppe zu präsentieren. Dieser soll konkrete Maßnahmen und quantifizierbare Meilensteine festlegen. Damit sind die Bemühungen, die Truppe personell zu stärken, jedoch noch nicht erschöpft. So ist Stöß zusätzlich beauftragt, ein Gesetz zur Stärkung der Reserve auszuarbeiten. Dabei sollen bisher offene Themen wie die doppelte freiwillige Betätigung in den Streitkräften und anderen Hilfsorganisationen sowie Rechte und Pflichten gegenüber dem Arbeitgeber umfassender als bisher beleuchtet werden.
Des Weiteren ist der GI beauftragt, die erste Militärstrategie der Bundeswehr vorzulegen. Auf deren Basis soll bis Ostern ein neues Fähigkeitsprofil entstehen. Abschließend sollen Hilmer und Breuer bis Ostern eine konkrete Verteidigungsaufstellung der Streitkräfte präsentieren. Neben den Beauftragungen unternimmt der Verteidigungsminister selbst eine ungewöhnliche Maßnahme, um die personelle Ausstattung der Bundeswehr zu verbessern. So sollen alle Angehörigen der Bundeswehr vor Ablauf ihrer Dienstzeit – auch über die Altersgrenze hinaus – einen Brief des Ministers erhalten, der ihr Interesse an einer weiteren Verpflichtung abfragt und Perspektiven für eine fortgesetzte Tätigkeit in den Streitkräften eröffnet.
Um für den geplanten Aufwuchs der Streitkräfte genügend Unterbringungsmöglichkeiten zu schaffen, soll Staatssekretär Nils Hilmer noch im laufenden Jahr ein Infrastrukturbeschleunigungsgesetz vorlegen. Der Gesetzesvorschlag soll bis Januar 2026 ins Kabinett eingebracht werden. Komplexe Genehmigungsverfahren und Zuständigkeitsfragen soll es künftig nicht mehr geben.
Neues bei der Beschaffung
Neben Personal und Struktur im Ministerium möchte der Verteidigungsminister auch die Beschaffungsprozesse bei den Streitkräften reformieren. Dafür sind mehrere Maßnahmen vorgesehen. So ist Staatssekretär Plötner beauftragt, bis Mai 2026 ein Strukturkonzept für die Reorganisation des Bundesamtes für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) vorzulegen. Pistorius verspricht sich davon, das Amt zu befähigen, größere Auftragsvolumen zu stemmen. Nicht länger soll der Aufwuchs der Streitkräfte von Strukturen abhängen, die nie für derartige Anforderungen ausgelegt waren. Dazu gehört auch, dass das Amt – wie in anderen Staaten üblich – weitere Standorte neben Koblenz erschließt. Insbesondere attraktive Ballungsräume mit hohem Potenzial leistungsfähiger Fachkräfte stehen dabei im Fokus. Pistorius verspricht sich davon eine bessere personelle Ausstattung des Amtes.
Zusätzlich beauftragte der Verteidigungsminister Staatssekretär Stöß beauftragte, den Anteil für Forschung und Entwicklung im Verteidigungsetat der kommenden Jahre zu steigern. Ebenfalls zur materiellen Ausstattung der Truppe und zur Innovationsfähigkeit der deutschen Rüstungsindustrie soll die Ausweitung des Konzepts der Innovationszentren beitragen. Neben dem bestehenden Standort in Erding sollen weitere Zentren nach dessen Vorbild im gesamten Bundesgebiet entstehen. Priorität hat dabei ein Innovationszentrum für maritime Technologie. Wo genau dieses angesiedelt werden soll und ob bereits Planungen zur Entwicklung einer Liegenschaft laufen, ließ der Verteidigungsminister offen. Lediglich, dass Norddeutschland ein geeigneter Standort sei, machte Pistorius deutlich.





