Schon lange sind sich die Verantwortlichen in Bund und Ländern einig darüber, dass alle deutschen BOS mit modernen Breitband-Diensten ausgestattet werden müssen. Mit GAN 2.0 gibt es dazu bereits seit 2020 ein abgestimmtes Anforderungsdokument. Im Februar 2022 entschied sich die Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS) dann für ein flexibles Verfahren, das zumindest in Deutschland bisher sehr selten genutzt wurde.
Das jetzt gewählte Vergabeinstrument der Innovationspartnerschaft wurde 2014 auf der europäischen Ebene geschaffen, um komplexe Vorhaben aufzusetzen, für die Lösungen auf dem Markt noch nicht erhältlich bzw. die unter den gegebenen Rahmenbedingungen nicht ausplanbar sind. Man wollte damit für die Ausschreibenden die Möglichkeit eröffnen, sich gemeinsam mit potenziellen Auftragnehmern in einen Entwicklungsprozess zu begeben, dessen konkretes Ergebnis bei Beginn der Ausschreibung noch nicht feststand. Die Autoren der Innovationspartnerschaft hatten dabei wohl eher große Bauvorhaben und technische Entwicklungen im Sinne.
Mit Unterstützung des Beschaffungsamts des BMI (BeschA) haben die Verantwortlichen von BDBOS als Vergabestelle und Bund-Länder Vergabegremium die vorgegebenen Anforderungen der Phasen null und eins zum Aufbau des digitalen BOS-Netzes mit dem Rahmen einer Innovationspartnerschaft kompatibel gestaltet. Gegenstand der dabei geforderten innovativen „Entwicklung“ sind rechtliche, organisatorische und prozessuale Festlegungen für den Aufbau und Betrieb des künftigen BOS-Breitbandnetzes, die von der BDBOS zusammen mit den „Innovationspartnern“ verhandelt und im Erfolgsfall in Verträge und Preistabellen gegossen werden.
Aufbauphasen null und eins
Vergeben werden sollen in der Phase eins bis zu drei Rahmenverträge mit Mobilfunknetzbetreibern (MNOs) für „breitbandige Sprach- und Datenkommunikation mit Roaming, Bevorrechtigung und Priorisierung“. Aus diesen Verträgen sollen alle BOS künftig ihre SIM-Karten für das einheitliche, deutschlandweite BOS-Netz beziehen. Damit will man die derzeit bestehenden BOS-Einzelverträge in Bund und Ländern mit individuellen MNOs nach und nach ablösen. Wie genau Beschaffung und Management der neuen SIM-Karten erfolgen sollen, wird – wie vieles andere – noch Gegenstand künftiger Verhandlungen sein.
In der anschließenden Phase eins soll „ein selbst betriebenes eigenbeherrschtes breitbandiges Kernnetz im Rahmen einer gemeinsamen Entwicklungsphase mit den Innovationspartnern entwickelt/ermöglicht werden“. Damit läge das Teilnehmermanagement des BOS-Breitbandnetzes ausschließlich in den Händen von BDBOS bzw. einer künftigen Betriebsorganisation. Genaueres muss auch hier noch geregelt werden. Die Zugangsnetze dagegen wären weiter in der Verantwortung der Partner-MNOs. Auch wenn für die Breitbandkommunikation der Phasen null und eins noch kein „einsatzkritisches“ Kommunikationsniveau vorgesehen ist, wird man sich da noch Gedanken über mögliche Maßnahmen zur Härtung der kommerziellen Netze machen müssen.
Vergabeverfahren liegt im Zeitplan
Technologisch, so ist aus den Vergabekreisen zu hören, werden in den Vergabeunterlagen keine expliziten Festlegungen getroffen, aber die Präferenz liegt bei der Nutzung von Komponenten unterschiedlicher Hersteller, um ein Lock-In zu vermeiden. Nokia, Ericsson und Huawei sind hier die großen Marktplayer. Auch hier dürfte sich noch Diskussionsbedarf ergeben.
Dem Verhandlungsverfahren vorgeschaltet war in diesem Sommer ein Teilnehmerwettbewerb, aus dem erwartungsgemäß Telekom, Vodafone und Telefonica als aussichtsreiche Kandidaten hervorgingen. Die Vergabeunterlagen sind danach termingerecht am 19. August an die Bieter gegangen. Selbst wenn sich jetzt die Angebotsabgaben durch Fristverlängerung geringfügig verzögern, ist damit zu rechnen, dass Bewertungen und Verhandlungen dazu führen, dass noch vor Jahresende die Aufforderung zu einem „finalen“ Angebot an die MNOs herausgeht. Es wird damit gerecht, dass dann noch im ersten Quartal mit allen drei Betreibern Verträge zu „Innovationspartnerschaften“ geschlossen werden. Die abzuschließenden Verträge haben eine Laufzeit von sechs Jahren mit der Option, zweimal um jeweils zwei Jahre zu verlängern.
Viele offene Fragen
Erst dann geht die eigentliche „Entwicklung“ von Phase null und eins eines einheitlichen BDBOS-Breitbandnetzes los. Wie es danach mit den bereits beplanten Phasen zwei und drei weitergehen soll, ist derzeit noch völlig offen. Diese Planungen gehen nämlich von der Zuteilung eines brauchbaren Frequenzspektrums für Breitbanddienste an die BOS aus. Diese ist aber derzeit mehr als ungewiss.
Viel Aufwand hat die BDBOS bereits in Planung und Abstimmung dieses Großprojektes mit Bund und Ländern gesteckt. Das hat ihr viel Zustimmung aus den Ländern eingetragen. Noch mehr Abstimmungsaufwand dürfte ihr aber zur Regelung all der noch offenen Fragen und bei der Umsetzung bevorstehen. Derzeit ist ja noch nicht einmal klar, ob und wie Bund und Länder die neuen Innovationspartnerverträge überhaupt nutzen werden.
Für den polizeilichen Bereich sehe er da nicht so viele Widerstände, erklärt Stefan Wächter, Leiter der Autorisierten Stelle Niedersachsen. Schwierig werde es wohl eher im nicht-polizeilichen Bereich der Kommunen. Da komme es darauf an, dass die BDBOS-Verträge wirtschaftlich attraktiver seien als die schon bestehenden Vereinbarungen mit den Betreibern. Der Niedersachse ist sich sicher: „Das wird noch spannend!“
Die Autorin des Beitrags ist Dr. Barbara Held.