Ein überraschendes Jahr geht nun zu Ende. Der russische Angriff auf die Ukraine zertrümmerte die Weltordnung. In den Gesellschaften, die sich eigentlich nur von den Folgen der Pandemiebekämpfung erholen wollten, mussten weitere Anpassungen stattfinden. Ein Kollateralopfer des russischen Angriffs war die deutsche Energiepolitik der vergangenen Jahrzehnte, deren Scheitern eindrucksvoll durch die Fotos der zerstörten Nordstream-Pipeline ins Bild gesetzt wurden. Erstmals seit etwa 70 Jahren könnten deutsche Bürger aufgrund der Fehler vergangener Regierungen tatsächlich ohne Heizung, ohne Strom und ohne Grundnahrungsmittel sein – sollten die Gasreserven den Winter über nicht reichen.
Ein weiteres Novum: Eine deutsche Regierung nutzt die Bundeswehr nicht als Sparpotential, sondern stockt den Wehretat massiv auf. Dass eine solche Anpassung an die Zeitenwende ausgerechnet von einer Ampel-Regierung ausgeht, damit war noch im vergangenen Jahr kaum zu rechnen. Doch das hundert Milliarden Sondervermögen – auch wenn es nach Inflationsausgleich und Abzug der Mehrwertsteuer nicht mehr ganz 100 Milliarden sind – schafft die Bedingungen zur Modernisierung der Bundeswehr.
Das dritte Novum ist die weltweite solidarische Lieferung von Waffensystemen an die Ukraine. Diese Lieferungen machen aber auch ein weiteres deutsches Manko deutlich: Die deutsche wehrtechnische Industrie kann marktverfügbar überaus wirksame Waffensysteme liefern, die allerdings für die Bundeswehr selber noch nicht unter Vertrag genommen wurden. Die Defizite der deutschen Rüstungsbeschaffung treten umso deutlicher zu Tage, je erfolgreicher deutsche Systeme in der Ukraine gegen den Aggressor wirken.
Was bleibt also an Hoffnungen und Wünschen für das kommende Jahr? Zum einen ein Friedensvertrag, der den Rückzug aller russischen Streitkräfte hinter die Grenzen der Ukraine – inklusive Befreiung der Krim von der russischen Fremdherrschaft – beinhaltet. Zum zweiten, dass Taiwan nicht das Schicksal der Ukraine teilen muss und von einem imperialistischen China angegriffen wird.
Und schließlich, dass dem deutschen Bundeskanzler gelingt, was er auf der Berliner Sicherheitskonferenz angekündigt hat: Die Reform der deutschen Rüstungsbeschaffung. Sollte Olaf Scholz dieses Wunder gelingen, dann ist er sicherlich auch in der Lage, die deutsche Energieversorgung auf verlässlichere Beine zu stellen. Denn selbst wenn Russland sich zurückzieht, ein Vertrauen wie vor dem völkerrechtswidrigen Angriff auf die Ukraine lässt sich in den kommenden Jahrzehnten nicht mehr aufbauen.