Alle vier Minuten erlebt in Deutschland eine Frau Gewalt durch ihren Partner oder Ex-Partner. Kritik auf Grund des mangelnden Schutzes von Frauen kommt aus verschiedenen Richtungen. Ein entsprechendes Gesetz verzögert sich.
Erneut gab es einen Messerangriff auf eine Frau von ihrem Ehemann. Die Tat fand in Berlin-Tegel und vor den Augen ihrer Kinder statt. Dass Gewalt gegen Frauen kein Einzelproblem ist, zeigen auch zwei Fälle, die sich Ende August ereigneten. Dort wurden innerhalb weniger Tage zwei Frauen von ihren (Ex-)Partnern in Berlin ermordet. Bei beiden Taten geht die Polizei von einem Femizid aus – also einem Mord an einer Frau auf Grund ihres Geschlechts. Ein weiterer Messerangriff eines Mannes auf eine Frau in Reinickendorf konnte gerade noch verhindert werden.
„Wir brauchen nicht nur ein Sicherheitspaket gegen terroristische Messerstecher, sondern auch für die Prävention und den Schutz von Frauen vor Gewalt“, machte die Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) als Reaktion auf die beiden Morde in Berlin deutlich. Deutschland habe ein „massives Gewaltproblem gegen Frauen“. „Das muss aufhören“, mahnte die Frauenministerin. Im Zuge dessen kündigte Paus an, ein sogenanntes Gewalthilfegesetz vorzubereiten, das allen Betroffenen einen Schutzanspruch auf Hilfe einräume.
Es fehlt an Geld
Dies erfordere jedoch zusätzliche finanzielle Mittel. „Das wird auch Geld kosten, damit wir die Bundesländer unterstützen, mehr Prävention und Schutzplätze für Frauen bereitzustellen“, so die Grünen-Politikerin. Das Gewalthilfegesetz könnte erstmals einen bundesweiten, einheitlichen und auch verbindlichen Rahmen für die Finanzierung von Frauenhäusern liefern. Bereits im Juni hatte Lisa Paus darauf hingewiesen, dass die insgesamt 350 Frauenhäuser, 100 Schutzwohnungen und rund 600 Beratungsstellen nicht ausreichten.
Die Ankündigung im Juni hatte unter anderem beim Verein Frauenhauskoordinierung (FHK) für Erleichterung gesorgt. „Es ist jetzt schon mehrere Jahre her, dass sie das im Koalitionsvertrag versprochen haben“, äußerte sich die Geschäftsführerin des Vereins, Sibylle Schreiber, damals. Seit Jahren warteten die Frauenhäuser darauf, dass „sich der Bund endlich mehr beteiligt“. Mit dem angekündigten Gesetz sei dies nun möglich.
Von Seiten der CDU äußerte sich Hessens Justizminister Christian Heinz zur Thematik. Aktuell steht in Frankfurt ein 52-jähriger Mann vor dem Landesgericht. Dieser hatte mit mehreren Messerstichen seine Frau ermordet. „Wir brauchen endlich die elektronische Fußfessel, damit Femizide verhindert werden können“, betonte Heinz. Der Justizminister brachte im August eine Bundesratsinitiative für einen „verstärkten Schutz vor häuslicher Gewalt durch elektronische Aufenthaltsüberwachung“ ein. Laut seinem Ministerium wird diese mittlerweile von mehreren Bundesländern unterstützt und Ende September im Bundesrat in Berlin diskutiert. Eine Fußfessel, um Kontakt- und Annäherungsverbote von Gewalttätern zu überwachen, ist in Spanien bereits seit 2009 erfolgreich im Einsatz. In Deutschland spricht sich unter anderem die Opferschutzorganisation Weißer Ring seit längerem für eine Einführung aus.
Noch viel zu tun
Aus Sicht des Bundesverbandes der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe (bff) ist in Deutschland noch viel zu tun. Statt notwendige Hilfe anzubieten, würde die Gefahr häufig mit dem Rat „trenn dich doch einfach“ abgetan, erklärte die Geschäftsführerin des Dachverbands bff, Katja Grieger. Femizide würden jedoch häufig gerade in Trennungssituationen oder direkt nach Trennungen verübt. „Wenn eine Partnerschaft zuvor bereits gewaltbelastet, kontrollierend und demütigend war, dann besteht das größte Risiko für eine Tötung dann, wenn die betroffene Frau eine Trennungsabsicht äußert, sich trennt oder getrennt hat“, so Grieger.
Die seit 2018 auch in Deutschland rechtskräftige Istanbul-Konvention sei noch nicht ausreichend umgesetzt. Dabei handelt es sich um ein Übereinkommen des Europarats zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. Das darin vorgesehene Gefährdungsmanagement muss laut Grieger jedoch noch flächendeckend realisiert werden. Die Konvention verlangt eine systematische Risiko- und Gefährdungseinschätzung aller relevanter Akteure, wie der Polizei, dem Jugendamt oder den Beratungsstellen. Auch hier fehle jedoch das Geld dafür, erklärte Grieger. Außerdem kritisierte sie, dass sich das Gewalthilfegesetz immer noch nicht im Gesetzgebungsverfahren befinde: „Nur ein solches Gesetz, gekoppelt mit einem Aufwuchs an finanziellen Mitteln, kann wirklich etwas an der täglichen Gewalt ändern, die an jedem zweiten Tag für eine Frau tödlich endet.“




