In den Verwaltungen landauf und landab ist der Herbst die Jahreszeit, in der häufig die Stichtage für Regelbeurteilungen für die Beschäftigten liegen. Seit rund 30 Jahren war es in der Rechtsprechung mit dem Segen des Bundesverwaltungsgerichts anerkannt, dass sich Beurteilungen auf die gesamten im Beurteilungszeitraum gezeigten Leistungen beziehen müssen.
Das galt auch, wenn im Beurteilungszeitraum eine Beförderung erfolgt war. Die im vorherigen Statusamt gezeigten Leistungen waren dann insgesamt an dem strengeren Maßstab des Beförderungsamtes zum Beurteilungsstichtag zu messen, auch wenn sie teilweise im niedrigeren Amt erbracht worden waren.
In der Verwaltungspraxis hat das unproblematisch funktioniert und auch nicht zu grundsätzlichen Problemen in der gerichtlichen Überprüfung geführt.
Zeitraum vor der Beförderung spielt keine Rolle
Gleichwohl hat das Bundesverwaltungsgericht bereits im Herbst vergangenen Jahres ausdrücklich diese Rechtsprechung aufgegeben. Die noch vor der Beförderung im Beurteilungszeitraum erbrachten Leistungen dürfen nicht nachträglich am Maßstab des Beförderungsamtes bewertet werden, so das Bundesverwaltungsgericht. Es gebe dafür im Fall der Regelbeurteilung keine Rechtfertigung. Die Beurteilung könne sich nur auf die im neuen Statusamt erbrachten Leistungen beziehen. Dem Zeitraum vor der Beförderung komme für die Beurteilung keine Bedeutung mehr zu. Gleichwohl müsse die Regelbeurteilung aber die Leistungen im alten Statusamt ebenfalls erfassen, dürfe sie aber nicht bewerten.
Die Entscheidung hat die Praxis ratlos zurückgelassen. Wie soll das „Erfassen“, aber „Nichtbewerten“ funktionieren Außerdem verlangt das Bestenausleseprinzip des Art. 33 Abs. 2 GG gerade für Auswahlentscheidungen eine Bewertung der in der Vergangenheit erbrachten Leistungen und deren Vergleich. Die Leistungen sind vollständig zu würdigen.
Dass diese Rechtsprechungsänderung nicht ohne Kritik geblieben ist, verwundert nicht. Wie es weiter gehen soll, bleibt im Dunkeln. Das Bundesverwaltungsgericht hält nur fest, dass im Fall eines zu kurzen Zeitraums zwischen Beförderung und Beurteilungsstichtag die Regelbeurteilung ausfalle und für eine neue Auswahlentscheidung sodann eine Anlassbeurteilung erstellt werden müsse. Was aber soll etwa geschehen, wenn auch für eine Anlassbeurteilung ein nicht ausreichend langer Zeitraum im aktuellen Statusamt vorhanden ist?
In einer Entscheidung vom 21. Mai dieses Jahres stellt sich das Oberverwaltungsgericht Magdeburg der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts ausdrücklich entgegen. Eine dienstliche Regelbeurteilung, die die vor der Beförderung erbrachten Leistungen im alten Statusamt erfassen, aber nicht bewerten dürfe, verfehle ihren „verfassungsrechtlich-funktionalen Zweck“.
Manipulationsanfälligkeit liegt auf der Hand
Das Oberverwaltungsgericht führt weitere Erwägungen an, die gegen die Rechtsprechungsänderung des Bundesverwaltungsgerichts sprechen. Diese ergeben sich aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Übrigen zu dienstlichen Beurteilungen. Sie können in diesem kurzen Beitrag vernachlässigt werden.
Besonders bedeutsam erscheint die Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts Magdeburg, dass durch die Ausblendung eines wesentlichen Teils eines Regelbeurteilungszeitraums erst das Bedürfnis für eine Anlassbeurteilung geschaffen werde. Das konterkariere ein Regelbeurteilungssystem. Überdies wird durch die Rechtsprechungsänderung
der Verwaltung die Gelegenheit gegeben, durch die Beförderung eines Beamten kurz vor dem Regelbeurteilungstermin die Regelbeurteilung für diesen ausfallen zu lassen. Später könnte für den Fall einer weiteren Bewerbung für das nächste Beförderungsamt eine „passende“ Anlassbeurteilung erfolgen. Die Manipulationsanfälligkeit der Lösung des Bundesverwaltungsgerichts liegt auf der Hand. Es bleibt deswegen zu hoffen, dass auch die anderen Oberverwaltungsgerichte und Verwaltungsgerichtshöfe die kritische Sicht des Oberverwaltungsgerichts Magdeburg teilen werden.
Autor des Gastbeitrags ist Dr. Ralph Heiermann, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Arbeitsrecht.





