Großveranstaltungen, hybride Bedrohungen und Organisierte Kriminalität (OK) – der Einsatz deutscher Sicherheitskräfte ist vielfältig und überschreitet Grenzen aller Art. Die aktuelle Sicherheitslage zeigt deutlich, ein Alleingang für Landespolizeien, Bundespolizei oder Zoll ist nicht zielführend. Erfolgreiche Kooperationsprojekte wie die „Allianz Sicherer Bahnhof“ in Hamburg unterstreichen die Notwendigkeit eines gemeinsamen Wegs.
Im Jahr 2023 wurden insgesamt 25.640 Delikte festgestellt. Das waren 10,9 Prozent mehr als 2022 und sogar 42 Prozent mehr als 2019. Mit der „Allianz Sicherer Bahnhof“ versucht die Stadt Hamburg bereits seit über einem Jahr gegen diesen Trend vorzugehen. Der Titel des „gefährlichsten Bahnhofs Deutschlands“ konnte somit bereits abgelegt werden. In einer ersten Bilanz im Oktober dieses Jahres berichtete die Innenbehörde Hamburgs davon, dass die am Hamburger Bahnhof agierende Bundespolizeidirektion Hannover an Deutschlands meistfrequentiertem Bahnhof insgesamt 290 Gewalttaten registrieren konnte. Im Vorjahr lag diese Zahl noch bei insgesamt 720 Gewaltdelikten. Neben einem Waffenverbotsgebiet, einem Alkoholkonsumverbot und dem Aufbau der Videoüberwachung vor dem Bahnhof sind auch sogenannte „Quattro-Streifen“ Teil der Allianz. Seit April 2023 sind erstmalig Kräfte der Polizei Hamburg, der Bundespolizei, der DB Sicherheit und der Hochbahn-Wache täglich rund um den Bahnhof in gemeinsamen Streifen unterwegs.
Die Polizei vor Ort
Beim diesjährigen Polizeitag Hamburg sprach auch Falk Schnabel, Polizeipräsident der Stadt Hamburg, von einem großen Erfolg durch die gemeinsame Arbeit. „Die sichtbare Präsenz trägt deutlich zu einer Stärkung des Sicherheitsempfindens bei“, erklärte Schnabel. Eine Schwierigkeit sehe Schnabel jedoch darin, diese Präsenz weiterhin hochzuhalten. „Diese Präsenzkräfte sind dieselben, die auch bei Großveranstaltungen im Einsatz sind“, erklärte der Polizeipräsident. Durch die steigende Anzahl an Versammlungen, wie beispielsweise durch Fußballspiele oder Demonstrationen, wäre am Ende wieder weniger Präsenz möglich. Kooperationen auch mit privaten Sicherheitsfirmen, beispielsweise wie beim Hamburger Dom, entlasteten dagegen die Polizeibeamtinnen und -beamten deutlich. „Alleine kann das die Polizei nicht stemmen“, betonte Schnabel am Ende seines Vortrags deutlich.
Horst Niens, Vorsitzender des Hamburger Landesbezirks der Gewerkschaft der Polizei (GdP), unterstützte diese Sichtweise. Außerdem plädierte er für ein gesamthaftes Konzept der Inneren Sicherheit. „Innere Sicherheit ist nicht allein die Aufgabe der Polizei. Hier sind die gesamte Gesellschaft und alle staatlichen Behörden gefordert“, erklärte Niens. Die Polizei sehe sich in diesem Netzwerk als Ansprechpartner in den Quartieren. Sie nehme die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger auf und leite diese an die zuständigen Stellen weiter. „Da sind wir als Polizei – der Staat vor Ort – diejenigen, die filtern und Informationen dann weitergeben“, betonte Niens. Dies zeigt, dass die Polizei ihre Rolle nicht nur im reinen Einsatz sieht, sondern auch als Bindeglied zu anderen Behörden und Dienstleistern im Sicherheitsnetzwerk.
Kein Alleingang möglich
Während die Kooperation zwischen Polizei und anderen Sicherheitsbehörden, wie dem Zoll, an Bedeutung gewinnt, zeigt ein weiterer Bereich jedoch deutliche Schwierigkeiten: die Zusammenarbeit zwischen Polizei und Verfassungsschutz. Torsten Voß, Leiter des Landesamts für Verfassungsschutz Hamburg, verwies auf den strukturellen Rahmen, der eine enge Kooperation zwischen beiden Behörden erschwert. Dieses sogenannte Trennungsgebot wurde nach dem Zweiten Weltkrieg von den Alliierten eingeführt, um die Machtkonzentration von Sicherheitsbehörden zu verhindern. Das Prinzip: „Wer fast alles weiß, soll nicht alles dürfen, und wer fast alles darf, soll nicht alles wissen“, sollte gewährleisten, dass Verfassungsschutz und Polizei sich gegenseitig in ihrem Handlungsspielraum begrenzen.
In der Praxis bedeutet dies, dass der Verfassungsschutz der Polizei keine Informationen weitergeben darf, wenn diese durch Methoden erlangt wurden, die der Polizei nicht gestattet sind. Voß sieht die Hauptprobleme jedoch nicht im ursprünglichen Trennungsgebot, sondern in den folgenden Verschärfungen, die die Zusammenarbeit weiter einschränken. So führen zwei Urteile des Bundesverfassungsgerichts von 2013 und 2016 zu einer „informationellen Trennung“. Nach diesen Urteilen darf der Verfassungsschutz nur Informationen weitergeben, die auch die Polizei mit ihren eigenen Befugnissen hätte beschaffen dürfen.
„Die neueste Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, das Urteil zu den Verfassungsschutzgesetzen in Bayern und Hessen, ist aus Sicht eines Chefs einer Sicherheitsbehörde kaum noch nachvollziehbar“, kritisierte Voß. Durch das jüngste Urteil ist der Verfassungsschutz in Hessen beispielsweise verpflichtet, nur solche Straftaten an die Polizei zu melden, bei denen eine Höchststrafe von mehr als fünf Jahren droht. Angesichts der zunehmenden Bedrohungslage sei es laut Voß nicht nachvollziehbar, dass die rechtlichen Grundlagen für den Verfassungsschutz und damit die Kooperation zwischen Polizei und Verfassungsschutz immer weiter eingeschränkt würden.
Der Polizeitag in anderen Medien: Einen kurzen Bericht des NDR über den Hamburger Polizeitag können Sie hier ab Minute sieben finden.




