- Anzeige -
- Anzeige -
- Anzeige -
- Anzeige -
StartSicherheitDer schwierige Schutz von maritimen Infrastrukturen

Der schwierige Schutz von maritimen Infrastrukturen

Ob die Nord-Stream-Pipeline oder Datenkabel auf dem Meeresgrund der Ostsee oder vor Taiwan – Vorfälle und Sabotageakte auf hoher See haben zugenommen. Frank Sill Torres, Direktor des Instituts für Maritimen Infrastrukturschutz am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), spricht im Interview über die Herausforderungen beim Schutz von maritimen Infrastrukturen und was das KRITIS-Dachgesetz auslöst. Das Interview führte Bennet Biskup-Klawon.

Behörden Spiegel: Was versteht man alles unter Kritischen maritimen Infrastrukturen?

Frank Sill Torres: Unter Kritischen Infrastrukturen (KRITIS) versteht man Infrastrukturen, deren Ausfall signifikante Auswirkungen auf die Versorgung der Bevölkerung haben kann. Im maritimen Bereich stehen dabei zuletzt vor allem die viel diskutierten Datenkabel im Fokus. Allerdings gilt für Deutschland, dass die für uns relevanten Datenkabel gar nicht in der Nord- oder Ostsee liegen. Unsere kritischen Datenkabel befinden sich vielmehr in anderen Regionen, wie zum Beispiel im Roten Meer, das eine zentrale Rolle für den Datenverkehr nach Asien spielt.

Weitere wichtige maritime Infrastrukturen sind Pipelines und Offshore-Windparks. Hierbei wird oft vergessen, dass es nicht nur um die Windräder selbst geht, sondern auch um die dazugehörigen Stromkabel und Transformatorstationen, die für die Einspeisung des Stroms an Land entscheidend sind. Auch Öl- und Gasförderplattformen zählen zu den Kritischen Infrastrukturen. In Deutschland gibt es jedoch nur eine Förderplattform, die sich im Wattenmeer befindet. Darüber hinaus existieren in deutschen Gewässern keine weiteren Förderstationen.

Ein weiterer zentraler Aspekt im maritimen Bereich sind die Schifffahrtswege. Viele denken hierbei zunächst an den Suezkanal. Doch für Deutschland wäre eine Blockade des Nord-Ostsee-Kanals weitaus gravierender. Die Auswirkungen eines solchen Ereignisses könnten für uns deutlich schwerwiegender sein als das, was wir bei der Blockade des Suezkanals beobachtet haben.

Schließlich gibt es noch eine oft übersehene Infrastruktur, die eine besondere Rolle spielt, da sie sowohl maritime als auch landgebundene Komponenten verbindet: Häfen. Häfen sind besonders interessant, weil sie diese beiden Welten miteinander verknüpfen und somit eine Schlüsselfunktion für den internationalen Handel und die Logistik darstellen.

Behörden Spiegel: Wie ist es um den Schutz von maritimen Infrastrukturen bestellt?

Sill Torres: Beim Schutz von Kritischen Infrastrukturen betrachtet man meistens drei Phasen oder Komponenten. In der ersten Phase geht es darum, einen Angriff durch Schutzmaßnahmen zu verlangsamen. Bei landgebundenen Infrastrukturen ist dies vergleichsweise einfach umsetzbar, etwa durch den Bau von Zäunen oder Mauern um das Schutzziel. Dabei muss jedoch klar sein, dass jede Schutzmaßnahme überwunden werden kann – es ist nur eine Frage der Zeit. Ziel ist es, den Angriff so weit wie möglich zu verzögern. Im maritimen Bereich stehen solche Maßnahmen jedoch nur eingeschränkt zur Verfügung. Die zweite, überaus wichtige Komponente ist die Erkennung. Um einen Angriff abzuwehren und die Infrastruktur zu schützen, muss erkannt werden, dass etwas Ungewöhnliches passiert. Dies lässt sich beispielsweise durch den Einsatz von Sensorik erreichen.     Die dritte Komponente ist die Intervention. Das bedeutet, dass Maßnahmen ergriffen werden, um den Angriff aktiv abzuwehren.

Im maritimen Bereich gibt es sowohl Vor- als auch Nachteile beim Schutz von Infrastrukturen: Einerseits sind die großen Distanzen im Offshore-Bereich ein Vorteil, da es in diesen Gebieten wenig Durchgangsverkehr gibt. Dies erleichtert die Erkennung von Anomalien. So können beispielsweise Satellitenbilder genutzt werden, um maritime Infrastrukturen zu überwachen. Der Nachteil hierbei ist jedoch, dass Satelliten nicht konstant Bilder liefern und zeitliche Lücken in der Überwachung entstehen können.

Ein weiteres wichtiges Hilfsmittel im maritimen Bereich ist das Automatische Identifikationssystem (AIS). Dieses System müssen Schiffe ab einer bestimmten Größe aktivieren, damit sie für andere sichtbar sind. Vereinfacht gesagt werden dabei die GPS-Koordinaten mit anderen Schiffen und Überwachungsstellen geteilt. Das Problem ist jedoch, dass das AIS leicht manipuliert oder deaktiviert werden kann. Solche Manipulationen oder Abschaltungen können Hinweise auf potenzielle Bedrohungen sein.

Nach den Anschlägen auf das World Trade Center wurden mit dem sogenannten ISPS-Code (International Ship and Port Facility Security Code) verbindliche Anforderungen definiert, um ein bestimmtes Sicherheitsniveau in der Schifffahrt einzuhalten. Allerdings deckt der ISPS-Code nicht alle Bedrohungen ab, wie etwa Angriffe durch Drohnen oder groß angelegte Cyber-Attacken.

Behörden Spiegel: Diese Maßnahmen dienen jetzt der Identifikation und Erkennung. Wie sieht es mit der Intervention aus?

Sill Torres: Hier kommt der Aspekt der weiten Distanzen wieder. Hauptverantwortlich ist da die Bundespolizei. Die Marine kann unterstützten, ist aber nicht zuständig. Nach dem Erkennen einer Gefahr braucht es eine zeitnahe Intervention. Im maritimen Bereich kann das aber dauern. Bis ein Polizeiboot oder auch ein Hubschrauber vor Ort ist, kann es eine halbe Stunde bis zu einigen Stunden dauern. Diese Verzögerung ist kritisch, da währenddessen wertvolle Zeit verloren geht.

Um diesem Problem entgegenzuwirken, ist es entscheidend, Gefahren frühzeitig zu antizipieren. Je früher eine potenzielle Bedrohung erkannt wird, desto schneller kann reagiert werden. Genau an dieser Stelle setzt unsere Arbeit beim DLR an: Wir versuchen, diese Reaktionslücke zu verkleinern. Mithilfe der Auswertung von Daten und der Identifikation von Anomalien im Verhalten – beispielsweise wenn ein Schiff in der Nähe von Datenkabeln sich in einer Art bewegt, die darauf schließen lässt, dass es einen Anker hinter sich herziehen könnte, oder es sich ungewöhnlich in der Nähe von Pipelines bewegt – können wir frühzeitig Warnsignale erkennen und Maßnahmen einleiten.

Es gibt eine schöne Aussage: Was wäre gewesen, hätte sich ein Polizeiboot in der Nähe aufgehalten, als die Nord-Stream-Pipeline gesprengt wurde? Schließlich wollen kriminelle oder staatliche Akteure dabei nicht beobachtet werden. Auch ein Geheimhalten der genauen Lage der Datenkabel hilft dabei nicht weiter, diese sind in Seekarten verzeichnet. Aber diese ganze Kette aus Überwachung und Intervention bleibt weiterhin schwierig.

Behörden Spiegel: Welche Vorschriften gibt es zur Sicherung der maritimen Infrastruktur? Und wie bewerten Sie den Gesetzesentwurf zum KRITIS-Dachgesetz? 

Sill Torres: Im maritimen Bereich gibt es, abgesehen vom ISPS-Code, der eine solide Grundlage bietet, derzeit keine konkreten Anforderungen. Das KRITIS-Dachgesetz stößt zunächst lediglich eine grundlegende Diskussion an, dass Handlungsbedarf besteht. Allerdings regelt das Gesetz bislang nicht, welche spezifischen Vorkehrungen die Betreiber treffen müssen. Die Betreiber müssen sich zusammen mit den Behörden Gedanken machen. Denn das Dachgesetz definiert zunächst einmal nur, wer es kontrollieren darf. Der nächste Schritt wird deshalb spannend. Im nächsten Schritt soll dann definiert werden, welche konkreten Anforderungen die Betreiber erfüllen müssen. Die Betreiber sind jetzt in einer unkomfortablen Situation. In unseren Gesprächen mit den Betreibern wird deutlich, dass ihnen die Notwendigkeit des Schutzes ihrer Anlagen bewusst ist. Allerdings ist dies mit erheblichen Kosten verbunden.

Dies wird vor allem durch die momentane geopolitische Lage nicht einfacher, wenn es um hybride Kriegsführung geht. Zudem geht es den Betreibern auch darum, was die Mitbewerber machen. Das heißt, die Betreiber wollen Rechtssicherheit und ein konkretes Sachgesetz, das klare Vorgaben macht.

Dann kommt die große Diskussion dazu: Wo ist der Unterschied zwischen Aufgaben eines Betreibers und des Staates? Es bestehen etwa unterschiedliche Auffassungen über die Verantwortlichkeiten im Zusammenhang mit Staatsterrorismus.

Behörden Spiegel: Was macht das DLR im Bereich „Schutz maritimer Infrastrukturen“?

Sill Torres: Beim DLR sind wir Teil des Querschnittsthemas Sicherheits- und Verteidigungsforschung. Innerhalb dieses Bereichs nutzen wir Kompetenzen aus anderen DLR-Säulen wie Raumfahrt, Energie, Verkehr und Luftfahrt, adaptieren diese und entwickeln spezifische Sicherheitslösungen. Beispielsweise entwickeln wir Überwachungssysteme, die im Unterwasserbereich eingesetzt werden können. Diese Systeme lassen sich entweder auf Wasserfahrzeugen oder in Häfen installieren. Ein Beispiel hierfür ist unser autonomes Unterwasserfahrzeug Seekatze.

Eine weitere wichtige Aufgabe ist die Integration von Sensordaten. Diese Integrationsleistung verdeutlicht, wie vielfältig unsere Arbeit ist: Wir haben Kolleginnen und Kollegen, die mit Satellitendaten arbeiten, andere, die auf Drohnen spezialisiert sind, und wiederum andere, die Kamerasysteme entwickeln. Unsere Aufgabe besteht darin, die unterschiedlichen Datenquellen zusammenzuführen, um ein sogenanntes Lagebild zu erstellen. Dieses Lagebild ist ein zentrales Element für Schutzmaßnahmen und die frühzeitige Erkennung von Gefahren. Darüber hinaus beschäftigen wir uns mit der Frage, wie Sicherheit für maritime Infrastrukturen definiert und gemessen werden kann. Wir untersuchen, wie die Resilienz solcher Infrastrukturen bestimmt, bewertet und schließlich erhöht werden kann. In diesem Kontext haben wir zwei größere Aktivitäten. Eine davon ist das Projekt MARLIN. In diesem Projekt geht es um die Integration von Daten für ein gemeinsames Lagebild. Hierbei stellen sich Fragen wie: Wie können Schnittstellen definiert werden? Wie lassen sich darauf aufbauend Services entwickeln, die Daten auswerten und Anomalien erkennen?

Ein zweites Projekt heißt ARROWS, welches sich mit der Sicherheit von Windparks beschäftigt. Dieses Thema, das wir seit der Gründung des Instituts verfolgen, beschäftigt sich mit der Bewertung und Erhöhung der Sicherheit von Windparks. Der Schwerpunkt liegt auf der Modellierung von Windparks im Störfall. Es geht dabei nicht darum, jedes einzelne Windrad darzustellen, sondern sowohl die technische als auch die logistische Ebene zu betrachten, etwa wenn eine Plattform ausfällt. Anhand dieser Modelle identifizieren wir Referenzwerte, um die Sicherheit zu bewerten und zu verbessern. In diesem Zusammenhang kooperieren wir eng mit Behörden wie der Bundespolizei, die eine zentrale Partnerin für uns ist.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein