Das Pentagon nutzt den Jahresauftakt, um Milliarden in die Weiterentwicklung seiner Hyperschall-Ambitionen zu investieren. Ein Unternehmen profitiert davon besonders.
1,45 Milliarden US-Dollar investiert das Pentagon in die Entwicklung eines Testbettes für Hyperschallgeschwindigkeiten. Begünstigter des auf fünf Jahre ausgelegten Vertrages ist das US-Verteidigungstechnikunternehmen Kratos. Die Vergabe erfolgt im Rahmen der zweiten Phase des Multi-Service Advanced Capability Hypersonic Test Bed Program (MACH-TB). Ziel ist es, die Anzahl der Hyperschall-Testflüge deutlich zu erhöhen.
Für das kalifornische Unternehmen stellt die Vergabe die größte Beauftragung in der 31-jährigen Unternehmensgeschichte dar. Ihr ging ein erfolgreicher Flugtest von Kratos’ Erinyes-Plattform durch die Missile Defense Agency (MDA) voraus. Dabei erreichte die nach der griechischen Rachegöttin benannte Testplattform Geschwindigkeiten von mehr als Mach fünf. Innerhalb von nur drei Jahren und mit einem Budget von 15 Millionen US-Dollar entwickelte das in San Diego ansässige Unternehmen sein Hyperschallsystem.
Das rief weitere Interessenten auf den Plan. Im Juli vergangenen Jahres erklärte Kratos’ Präsident für Defense and Rocket Support Services, Dave Carter, dass eine Reihe potenzieller Kunden Interesse an diesem System bekundet habe. MACH-TB galt als möglicher Kandidat. Bisher kommen innerhalb des Programms Systeme wie HASTE von Rocket Lab oder der Talon-A aus dem Hause Stratolaunch zum Einsatz, um Komponenten in einer realistischen Umgebung zu erproben. In einer Pressemitteilung vergangene Woche machte Kratos offiziell, dass diese Spekulationen nicht haltlos waren.
Vom Subunternehmer zum Milliardenprojekt
Kratos war bereits zuvor als Unterauftragnehmer an MACH-TB 1.0 beteiligt. Als solcher lieferte das Unternehmen Höhenforschungsraketen an den Hauptauftragnehmer Leidos. Von dieser Rolle hat sich das Unternehmen nun mit einem Paukenschlag emanzipiert. In der zweiten Phase tritt Kratos als Hauptauftragnehmer auf. Dabei steht das Unternehmen an der Spitze eines Industriekonsortiums, zu dem unter anderem Leidos, Rocket Lab und die Purdue University gehören.
Folgerichtig steht Kratos vor der Aufgabe, eine kostengünstige Brücke zwischen Hyperschall-Bodentests und Flugtests auf Systemebene zu entwickeln. Konkret ist das Unternehmen als Hauptauftragnehmer im Bereich 1 – „Systems Engineering, Integration, and Testing (SEIT)“ – beauftragt, Hyperschall-Flüge in hoher Frequenz bei vergleichbar niedrigen Kosten durchzuführen. Im Sommer vergangenen Jahres betrugen die Kosten für eine einzelne Erinyes ohne Antriebssysteme oder anwenderspezifische Anpassungen etwa fünf Millionen US-Dollar.
„Dieser programmatische Meilenstein unterstreicht unser unerschütterliches Engagement für Vorab-Investitionen in die rasche Entwicklung und Markteinführung erschwinglicher, einsatzkritischer Lösungen, die den sich wandelnden Anforderungen der Streitkräfte gerecht werden. Der Zuschlag für das MACH-TB 2.0-Programm ist ein wichtiges Element der organischen Wachstumsprognose und -erwartung von Kratos für die kommenden Jahre“, kommentierte Kratos-CEO Eric DeMarco den Zuschlag für sein Unternehmen.
Die USA auf der Überholspur
Das MACH-TB-Programm entstand im Jahr 2022. Anlass für die Gründung war das schleppende Tempo, mit dem das US-Verteidigungsministerium (DoD) Tests in Hyperschallgeschwindigkeiten durchführen konnte. Das Test Resource Management Center des Pentagons sowie die Crane Division des Naval Surface Warfare Centers arbeiten seitdem daran, eine Infrastruktur für die schnelle und kostengünstige Erprobung von Hyperschallsystemen aufzubauen.
Im Fokus steht dabei das fliegende Testbett. Während der Entwicklung einer Hyperschallrakete können auf diesem Materialien und Technologien unter den Bedingungen des Fluges bei Geschwindigkeiten jenseits von Mach fünf erprobt werden. Zuvor erfolgte die Beurteilung einzelner Systemkomponenten erst im Rahmen eines vollständigen Flugtests.
Aus Sicht der USA erscheint eine schnellere und effizientere Entwicklung von Hyperschallfähigkeiten geboten, da sich das Land zunehmender internationaler Konkurrenz bei der Entwicklung dieser Waffengattung ausgesetzt sieht. Vergangene Woche behauptete das nordkoreanische Verteidigungsministerium, eine Hyperschallrakete erfolgreich getestet zu haben. Eine unabhängige Überprüfung dieser Angaben steht aus.
Noch größere Aufmerksamkeit erregte ein Video einer angeblichen chinesischen Hyperschalldrohne. Auf dem Kurznachrichtendienst X veröffentlichtes Material zeigt ein Fahrzeug mit Ähnlichkeiten zur 2022 vorgestellten Drohne MD-22. Laut Herstellerangaben soll dieses Luftfahrzeug Geschwindigkeiten von bis zu Mach sieben erreichen können.
Deutschland entwickelt mit Norwegen
Die Bundesrepublik entwickelt mit Beschluss des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages vom 26. Juni 2024 gemeinsam mit Norwegen den Überschalllenkflugkörper Super Sonic Strike Missile (3SM) „Tyrfing“. Dafür investiert Deutschland 650 Millionen Euro. Die Finanzierung erfolgt bis einschließlich 2027 aus dem Sondervermögen Bundeswehr. Daran anschließend erfolgt die Finanzierung aus dem regulären Verteidigungshaushalt. Erste einsatzbereite Systeme sollen ab 2035 zur Verfügung stehen.
Die Entwicklung erfolgt unter der Leitung des norwegischen Rüstungsunternehmens Kongsberg Defence & Aerospace. Auf deutscher Seite ist ein Konsortium aus Diehl Defence und MBDA Deutschland beteiligt. Bereits seit 2023 entwickelt Norwegen das System als Nachfolger der Naval Strike Missile. Nachdem sich Deutschland an der Entwicklung beteiligt hat, ist es das gemeinsame Ziel beider Länder, ihre Fregatten mit den Lenkflugkörpern für die See- und Landzielbekämpfung auszurüsten. Neben der Überschallfähigkeit soll sich das System durch eine verbesserte Missionskontrolle und Allwetterfähigkeit auszeichnen. Laut dem deutschen Verteidigungsministerium (BMVg) soll die Super Sonic Strike Missile darüber hinaus während des Fluges steuerbar sein und mit moderner Suchkopftechnologie für die Zielerfassung ausgerüstet werden. Außerdem sieht die Anforderungsbeschreibung vor, dass der Gefechtskopf eine einstellbare Wirkung besitzt, um Kollateralschäden neben dem Ziel zu minimieren.
Darüber hinaus planen die deutsche und die US-amerikanische Regierung, neben weiteren Waffensystemen ab 2026 die in Entwicklung befindliche Hyperschallrakete des Typs Dark Eagle zeitweise in Deutschland zu stationieren.