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Die Wahl lokal

Die Wahl zum Deutschen Bundestag hat nicht nur die politische Landschaft verändert, sondern auch
bestehende Bruchlinien in der Republik vertieft. Wir werfen einen detaillierten Blick auf das regionale Wahlverhalten.

Das Ergebnis ist amtlich, die Mehrheitsverhältnisse stehen und die kommende Bundesregierung befindet sich in der Sondierung. Mit Ausnahme des Bündnisses Sahra Wagenknecht scheinen längst alle Parteien mit der Bundestagswahl abgeschlossen zu haben. Dabei zeigt dieser Stimmungstest Entwicklungen auf, welche das Land wahrscheinlich noch in Dekaden beschäftigen werden. Statt ein schneller Übergang zur Tagesordnung lohnt sich daher eine gründliche Betrachtung dieser Trends.

Politische Mitte unter Druck

Besonders in ostdeutschen Wahlkreisen mit niedriger Wahlbeteiligung fallen Gewinne der politischen Ränder auf: So erzielte die AfD im Wahlkreis Elbe-Elster – Oberspreewald- Lausitz mit 41,0 Prozent der Zweitstimmen ihr bundesweit bestes Ergebnis und gewann in Berlin erstmals ein Direktmandat. Bis auf zwei Ausnahmen – Erfurt II und Leipzig II, die an Die Linke gehen – sicherte sich die AfD alle Direktmandate in den neuen Ländern. Das ungeahnte Comeback der Linkspartei wird dabei in der Hauptstadt am deutlichsten: Vier Berliner Direktmandate fielen an sie, darunter mit Neukölln erstmals ein westdeutscher Wahlkreis. An ihre alten Erfolge als Volkspartei in den neuen Ländern kann Die Linke aber nicht anknüpfen.

Umgekehrt zeigt sich in Wahlkreisen mit hoher Wahlbeteiligung ein stärkeres Streben zur politischen Mitte: In Regionen, in denen mehr als 85 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgaben, erzielten CDU, SPD und Grüne besonders hohe Stimmenanteile. Entsprechend komme der Mobilisierungsfähigkeit der Parteien eine immer größere Bedeutung zu: „Je stärker die Mobilisierung, desto weniger profitieren extreme Parteien“, so Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte von der Universität Duisburg-Essen. Über die Gründe für die Disparitäten zwischen ost- und westdeutschem Wahlverhalten wird seit 1990 debattiert. Insbesondere eine schwache Parteibindung und anhaltende Enttäuschungen im Rahmen der Wiedervereinigung seien in den neuen Ländern ausschlaggebend. „Zudem ist der Organisationsgrad an zivilgesellschaftlicher Verwurzelung deutlich geringer, was die politische Ansprechbarkeit durch populistische Parteien erhöht“, so Prof. Oliver Lembcke von der Ruhr-Universität Bochum.

Wachsender Generationenkonflikt

Der demografische Wandel ist zu einem bestimmenden Faktor in Deutschland geworden. Noch nie war der Einfluss der älteren Generationen auf die Wahl so groß wie 2025. Nach Angaben von infratest dimap machten die über 60-Jährigen 40,3 Prozent der Wahlberechtigten aus. Die Union profitierte besonders von dieser Wählergruppe und erreichte hier rund 38 Prozent der Zweitstimmen. Dagegen stellte die Altersgruppe der unter 30-Jährigen lediglich 14,5 Prozent der Wahlberechtigten. Besonders drastisch ist der Absturz von Grünen und Freien Demokraten in der Wählergunst der Jugend: Während sie 2021 noch zu den klaren Gewinnern unter den Erstwählerinnen und -wählern zählten, kamen sie 2025 nur noch auf zehn und fünf Prozent. Linke und AfD erreichten in der Altersgruppe der unter 24-Jährigen hingegen jeweils 26 und 21 Prozent.

Trotz dieser Veränderungen unterstreichen beide Ergebnisse das gleiche Problem: „Die jüngeren Generationen fühlen sich zunehmend von der Politik übergangen – sei es in der Klimapolitik, der Rentenfrage oder der Digitalisierung“, folgert Dr. Thorsten Faas von der Freien Universität Berlin. Daneben treten Differenzen zwischen den Generationen auch in der Wahlbeteiligung zutage: Während unter den über 60-Jährigen rund 87 Prozent zur Wahl gingen, lag die Beteiligung unter den 18- bis 24-Jährigen bei 79 Prozent – immerhin sechs Prozent mehr als 2021. Dieser Unterschied lasse sich auch darauf zurückführen, dass die ältere Generation „noch sehr stark das Wählen als Bürgerpflicht gelernt hat“, meint Prof. Achim Goerres von der Universität Duisburg-Essen. Die anhaltende Marginalisierung junger Menschen demobilisiere die Betroffenen hingegen zusätzlich.

Ein direkter Vergleich zweier Wahlkreise mit gegensätzlichen Altersstrukturen macht dies besonders deutlich: Im Wahlkreis München-Schwabing, einem der jüngsten Deutschlands, liegt das Durchschnittsalter der Wahlberechtigten bei 38 Jahren. Hier erzielen Linke, Grüne und SPD zusammen 62 Prozent der Stimmen, während die Union nur 17 Prozent erreicht. Ganz anders sieht es im thüringischen Wahlkreis Sonneberg – Saalfeld-Rudolstadt aus, wo das Durchschnittsalter bei 54 Jahren liegt. Hier dominiert die Union mit 44 Prozent, während SPD und Grüne zusammen nur auf 18 Prozent kommen. Auch die AfD schneidet mit 29 Prozent überdurchschnittlich stark ab.

Kommunale Perspektiven

    Die Bundestagswahl 2025 hat bekannte Trends verstärkt und neue Dynamiken offengelegt. Nun steigt wohl in vielen Rathäusern die Spannung. Die neuen Mehrheitsverhältnisse im Parlament werden über Förderprogramme, Infrastrukturprojekte und die Finanzausstattung der Städte und Gemeinden entscheiden. Insbesondere im Hinblick auf das 500 Milliarden Euro schwere Sondervermögen fordern dieser Tage bereits unzählige Akteure ihren Teil vom Kuchen ein – darunter auch der Deutsche Städtetag. Das Geld müsse „schnell und ohne Umwege direkt vor Ort in den Städten ankommen, damit wir Schulen, Straßen und Brücken sanieren können“, sagt Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy.

    Auch die Frage der politischen Repräsentation stellt sich neu: „Wir beobachten eine neue Form der Lagerbildung – nicht mehr nur zwischen Links und Rechts, sondern zwischen Jung und Alt, Stadt und Land, Ost und West“, so der Politikwissenschaftler Prof. Uwe Jun von der Universität Trier. Offen ist, wie Deutschland auf dieses Signal reagiert – und welchen Beitrag Kommunen dabei leisten können und sollten. Politikwissenschaftler Prof. Norbert Kersting von der Universität Münster betont ihre zentrale Rolle im politischen System der Bundesrepublik: „Die Kommune ist die politische Ebene, auf der Bürgerinnen und Bürger am unmittelbarsten Einfluss nehmen können.“ Entsprechend groß sei der Zugzwang vor Ort: Handlungsbedarf besteht laut Lembcke insbesondere beim Ausbau politischer Bildungs- und Partizipationsangeboten. Er mahnt: „Die Wahl 2025 war ein Weckruf – falls Politik nicht gezielt auf die Anliegen junger Wähler eingeht, könnte sich die Entfremdung weiter verstärken.“

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