Nach jahrelanger Zurückhaltung bei Fragen der Verteidigungsfähigkeit im Weltall, wagt die
Bundesregierung jetzt einen Vorstoß. Auch aktive Fähigkeiten sind nicht länger ausgeschlossen.
Nachdem die Bundesrepublik bereits seit 2023 über eine Raumfahrtstrategie verfügt, hat die Regierung unter Friedrich Merz (CDU) mit der Weltraumsicherheitsstrategie vergangene Woche nachgelegt. Damit ist ein Versprechen aus dem Koalitionsvertrag eingelöst. Das jüngste Dokument nimmt sich explizit den verteidigungs- und sicherheitsrelevanten Aspekten des Alls an. Hier legt der Bund Bedrohungsszenarien dar und schlägt einen Plan für den Aufbau einer Weltraumsicherheitsarchitektur vor.
Das hat gute Gründe: Die Weltrauminfrastruktur hat einen direkten Einfluss auf die deutsche und internationale Sicherheit. Kommunikationssysteme des Bevölkerungsschutzes, der Feuerwehr und der Polizei sind darauf angewiesen – ebenso wie die der Bundeswehr (KommSys der Bw). In der Strategie der Bundesregierung heißt es dazu: „Schon ein kurzfristiger Ausfall von weltraumgestützten Diensten würde sich auf den Alltag aller Bürgerinnen und Bürger und Deutschlands Sicherheit auswirken.“ Damit werden weltraumgestützte Infrastrukturen zunehmend zu einem Bestandteil der Kritischen Infrastruktur. Auch die sicherheitsrelevante Datenerhebung trägt hierzu bei. Insbesondere die deutschen Sicherheitsbehörden – wie der Bundesnachrichtendienst (BND) oder die Streitkräfte – „benötigen unter anderem für die Informationsbeschaffung und die Landes- und Bündnisverteidigung weltweit zwingend Aufklärungs-, Wetter- und Erdbeobachtungs-, Kommunikations- und Navigationssatellitendienste“.
Zudem sei eine moderne militärische Einsatzführung ohne die Nutzung von Weltraumdiensten nicht mehr möglich. Die Entwicklung gehe dabei zunehmend in Richtung eines eigenständigen Operationsraums, dessen friedliche Nutzung es zu schützen und zu verteidigen gelte.Dass sich Deutschland um mehr operative Eigenständigkeit im Weltraum bemüht, liegt auch an den zunehmenden Aktivitäten von Staaten, mit denen die Bundesrepublik kein partnerschaftliches Verhältnis pflegt. In der Strategie sind Russland und China explizit aufgeführt. So habe Russland in den letzten Jahren mehrfach Weltraumkriegsfähigkeiten unter Beweis gestellt. China wiederum verfüge über ein rasant wachsendes Weltraumprogramm und pflege in diesem Zusammenhang auch seine operativen Fähigkeiten.
Drei Handlungslinien
Um unter diesen Bedingungen die Weltraumsicherheit zu garantieren, legt die Bundesregierung drei strategische Handlungsfelder fest. Zu nennen sind hier: Gefahren und Bedrohungen, Handlungsoptionen entwickeln; Internationale Kooperation und nachhaltige Ordnung im Weltraum fördern; Abschreckung aufbauen, Wehrhaftigkeit und Resilienz stärken. Anhand dieser Leitlinien soll sich der Aufbau einer gesamtstaatlichen Weltraumsicherheitsstrategie orientieren. Dabei sind zu den jeweiligen Handlungslinien bereits konkrete Aufgaben und Pläne hinterlegt. Ins Auge stechen dabei besonders der „Aufbau der resilienten Weltraum-Führungs- und Systemarchitektur der Bundeswehr“, die „Umsetzung eines Weltraumlage-Sensornetzwerks mit globaler Abdeckung“ sowie der Aufbau einer Multi-Orbit-Satellitenkonstellation. Dabei rekurriert die Strategie explizit auf die EU-Lösung IRIS2.
Im Themenfeld Internationale Kooperation verspricht die Bundesregierung den Ausbau der Beteiligung an der US-geführten Weltraumoperation OLYMPIC DEFENDER, den Ausbau des Information Sharing im Rahmen der NATO und ein European Space Component Command (ESCC) als Führungselement des Weltraumkommandos der Bundeswehr (WRKdoBw) zu etablieren. Zusätzlich verspricht die Regierung Merz, nationale Rechtspositionen zur Umsetzung und Anwendung von internationalem Weltraumrecht zu entwickeln.
Wehrhaft im Kosmos
Um Abschreckung und die Wehrhaftigkeit der Bundesrepublik im Weltraum auszubauen, schwebt der Bundesregierung vor, eine Weltraumakademie der Bundeswehr (Space Defence Academy) im Bereich des WRKdoBw zu etablieren. Darüber hinaus soll die Bundeswehr zu vollumfänglichen Cyberoperationen sowie Operationen im elektromagnetischen Spektrum in der Dimension Weltraum befähigt werden, ein einstufungsfähiges Space Wargaming Center sowie ein Space Simulations- und Testbed aufzusetzen. Interessant ist darüber hinaus, dass der Ausbau von Deep-Precision-Strike-Fähigkeiten in der Strategie im Kontext der Weltraumsicherheit steht. Das Dokument fordert den Aufbau technischer und operativer Fähigkeiten zur Einschränkung/Verhinderung der gegnerisch-militärischen Weltraumnutzung. Deep Precision Strike wird dabei als Lösungsvorschlag präsentiert.
Um die eigene Flotte im Weltraum zu schützen, schlägt das Dokument hingegen vor, hochagile, signalarme Wächtersatelliten sowie Raumgleiter zu entwickeln. Zusätzlich wagt die Bundesregierung mit der Weltraumsicherheitsstrategie einen Vorstoß. Erstmals fordert die Regierung in einem offiziellen Dokument, aktive Verteidigungsfähigkeiten im Weltraum zu entwickeln. Zu nennen sind hier der Aufbau und die Nutzung von Responsive Space national und/oder gemeinsam mit Partnern sowie die Entwicklung von aktiven und passiven Schutzmaßnahmen für alle Raumsegmente.




