- Anzeige -
- Anzeige -
- Anzeige -
StartVerteidigung"Russland muss verlieren lernen"

„Russland muss verlieren lernen“

Diese Feststellung des lettischen Verteidigungsministers im Interview der FAZ steht in starkem Kontrast mit der fortgesetzten Bombardierung ukrainischer Städte und russischer Unterdrückung in den annektierten Gebieten. Aber sie unterstreicht das Ziel, die Ukraine in diesem Krieg solange zu unterstützen, „bis Russland seine Truppen aus der Ukraine zurückzieht“ und die Russen „bereit sind, den Krieg zu verlieren“.

Der Angriffskrieg Russlands tobt jetzt schon über acht Monate. Russland hat in den besetzten Gebieten dramatische Zerstörungen angerichtet. Aber auch im ganzen Land mit einem Raketen- und Drohnen-Regen hat Putin vor allem die Kritische Infrastruktur und direkt zivile Häuser und Wohnviertel in großem Umfang dezimiert. Damit wird ein weiterer Teil seines Vernichtungskrieges gegen die Ukraine grausam wirksam. Zwar hat er Ende Februar keinen erfolgreichen Überraschungssieg mit der Einnahme Kiews und der Einrichtung einer Russland genehmen Regierung landen können. Seine letzten aggressiven Wortmeldungen unterstreichen aber, dass er die politischen Zwecke seiner Reconquista und seinen breit angelegten Krieg gegen den „liberalen Westen“ weiter vorantreiben will. Trotz der Mängel in der Exekution seiner Politik und der Schwächen der russischen Strukturen verfolgt er seine Zwecke gestützt auf eine politische und nachhaltig erwartete Zusammenarbeit mit der gerade diktatorisch weiter verfestigten Volksrepublik China.

Seine fragwürdigen Erfolgsaussichten stützt er auf seine Wahrnehmung der „liberalen Welt“, die er angreift. Er geht davon aus, dass diese Staaten nicht zusammenhalten gegen Russlands Aggression, wenn ihre eigenen, v.a. ökonomischen, finanziellen und sozialen Nachteile die Gesellschaften spalten und ihre Menschen gegen die eigene Regierung aufstehen. Er erwartet, dass er letztlich auf Zugeständnisse zählen kann, die seiner Reconquista Politik erneut einen (Teil-)Erfolg bescheren. Dabei hat er schon vor Beginn der Aggression zwei „Geschenke“ westlicher Staaten für seine beschlossene Aggression erhalten. Zu einem Zeitpunkt im Januar 2022, als viele Politiker im Westen noch nicht dachten, dass Putin angreifen würde, haben die Staaten der NATO für den Fall des Angriffs schon mal erklärt, dass es sich dabei nicht um einen Fall kollektiver Verteidigung handele, da die Ukraine (Gott sei Dank oder leider) nicht Mitglied der Allianz sei. Außerdem haben alle zusätzlich politisch entschieden, dass sie die rechtlichen Möglichkeiten eines kollektiven Einsatzes eigener Truppen zur Verteidigung der Ukraine gem. Art 51 der VN Charta nicht nutzen werden. Der damals angedrohte hohe Preis mit Sanktionen hat Putin eben nicht von der Exekution gegen die Ukraine abgehalten.

Was bedeutet und verlangt diese Lage vor dem Winter für die Führung im Kriege und die umfassende(re) westliche Unterstützung nach über acht Monaten der Aggression?

1. Keine weiteren „Geschenke“ an Putin, wenn „Putin nicht gewinnen darf“. Dazu gehört, die territoriale Integrität der Ukraine als Maximalposition zu bezeichnen, von der man zugunsten des Aggressors Abstriche machen müsse.

2. Schnellere Verstärkung der Luftabwehr um die Kritische Infrastruktur und die Bevölkerungszentren, damit Raketen und Drohnen ihr Ziel so wenig erreichen, wie die Raketen der HAMAS in Israel.

3. Breite Unterstützung der ukrainischen Streitkräfte, um das russische Militär letztlich hinter die Grenzen der Russischen Föderation zurückzudrängen.

4. ‚Geleitschutz‘ für die Handelsschiffe in den nationalen Gewässern der Anliegerstaaten und die klare Ansage an Russland, dass die Verweigerung des Transports oder gar Angriffe auf diese Schiffe einen Verstoß gegen das Völkerrecht darstellt, der drastische Gegenmaßnahmen haben wird.

5. Umfassende Hilfen für die Ukraine in der Energie-, Elektrizitäts-, Wasser- und Gesundheitsversorgung.

Dieses Handeln dient dazu, um – mit den Worten von Präsident Steinmeier am 28. Oktober – einen „gerechten Frieden“ zu erreichen, „ein Friede, der die Unabhängigkeit und die Freiheit der Ukraine bewahrt“.

Nun gibt es gerade auch in Deutschland Politiker, Wissenschaftler, Intellektuelle, ja Bürger, die um des kurzsichtigen Eigeninteresse willens, einen solchen Frieden für nicht erreichbar halten oder in jedem Fall mit zu hohem Kosten, v.a. auch für das eigene Land, verbunden halten. Sie suchen deshalb den Weg zu Verhandlungen mit Russland und qualifizieren dabei die territoriale Integrität als eine Maximalposition, die nicht zur Grundlage der Verhandlung gemacht werden sollte. Es ist der Bundespräsident, der solche Vorstellungen als Weg zu einem „Scheinfrieden“ bezeichnet.

Außerdem haben diese Kreise noch nicht erkannt oder verdrängt, dass der Krieg Putins nicht nur der Ukraine gilt, sondern Putin erklärtermaßen einen Krieg gegen den gesamten „liberalen Westen“ führt. Daraus folgt, dass jeder „ungerechte Friede… den Keim neuer Gewalt in sich trägt“.

Da Putin in seinem brutalen Eroberungskrieg gegen die Ukraine neben Truppen und Raketen auch „historische Legionen“ ins Gefecht führt, wird er von seinen fixen politischen Zwecken nicht ohne weiteres abzubringen sein. Um die territoriale Integrität der Ukraine wieder herzustellen, sind weitere gemeinsame Anstrengungen auf ökonomischem, finanziellem und militärischem Gebiet erforderlich. Diese müssen auf dem Schlachtfeld und durch die vielfältigen Sanktionen Russland nicht nur nachhaltig vor Augen führen, dass es ein Niederwerfen der Ukraine ganz oder teilweise nicht erreichen kann. Russland muss die Unwahrscheinlichkeit des Erfolgs und noch mehr der zu große Preis des Erfolgs durch das kohärente Handeln der Ukraine mit seinen Unterstützern überzeugend vor Augen geführt werden. Darin liegt letztlich das Motiv Russlands zum Frieden und zwar unter den Bedingungen der Charta von Paris und nicht mit der Verstümmelung eines anderen Staates.

Der Autor des Gastbeitrags ist Generalleutnant a.D. Dr. Klaus Olshausen.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein