Die Polizei befindet sich bei Demonstrationslagen teilweise in einer schwierigen Situation. Zum einen sind die Beamtinnen und Beamten dafür verantwortlich, die grundgesetzlich geschützte Versammlungsfreiheit zu sichern. Zum anderen könne sie von den Demonstrationsteilnehmerinnen und -teilnehmern aber auch selbst als Konfliktpartei wahrgenommen werden, die staatliche oder gar private Interessen vertrete.
Das meint zumindest Roman Thurn, der am Institut für Soziologie der Ludwig-Maximilians-Universität München promoviert und zuvor wissenschaftlicher Mitarbeiter am Forschungsinstitut für öffentliche und private Sicherheit (FÖPS Berlin) war. Er geht außerdem davon aus, dass die Polizei durch ihre personelle Zusammensetzung bestimmte Milieus und deren spezifische Haltungen und Wertvorstellungen reproduziere. Hier dominiert aus Thurns Sicht das Kleinbürgertum, verbunden mit einem Wertkonservatismus. Dadurch spiegele die Polizei nicht die gesamte Gesellschaft wider, kritisiert der Protestforscher. Des Weiteren sieht er gewisse Ressentiments gegenüber linken Protesten seitens der Polizeien und unterschiedliche Wahrnehmungen verschiedener Proteste dort. So würden rechte Proteste oftmals zurückhaltender poliziert als linke.
Unterschiedliche Behandlung?
Ähnliches ist von Maren Wegner, seit kurzem Mitarbeiterin am FÖPS Berlin und zuvor lange an der Deutschen Hochschule der Polizei tätig, zu vernehmen. Sie bemängelt, dass die Polizei linken Protest zu oft zu kritisch sehe und ihn zu wenig differenziere. Außerdem seien Proteste in der Vergangenheit oft zum Anlass genommen worden, um Strafvorschriften, etwa bei Widerstandshandlungen gegen Vollstreckungsbeamtinnen und Vollstreckungsbeamte, zu verschärfen, meint sie. Aus Wegners Sicht gebe es im Bereich des sogenannten Protest Policing noch einen großen Forschungsbedarf. Zumal in diesem Bereich bislang auch noch keine Metatheorie existiere.
Kein Messen mit zweierlei Maß
Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jochen Kopelke, lässt diese Kritik nicht unwidersprochen. Er unterstreicht, dass jede Versammlung einsatztaktisch individuell beurteilt werde. Deshalb gebe es dann auch gegebenenfalls ein unterschiedliches polizeiliches Vorgehen. Ein Messen mit zweierlei Maß finde aber keinesfalls statt. Vielmehr gebe sich die Polizei immer möglichst bürgernah. Kopelke kritisiert in diesem Zusammenhang, dass die Nicht-Benennung einer Versammlungsleitung inzwischen teilweise ein taktisches Mittel von Demonstrierenden darstelle, insbesondere aus dem politisch linken Spektrum.
Zudem betont er, dass Forschung eher zu größeren Versammlungslagen stattfinde und deshalb nicht zwangsläufig repräsentativ sei. Hilfreich für die Beamtinnen und Beamten vor Ort wäre aus Sicht des GdP-Bundesvorsitzenden ein bundeseinheitliches Versammlungsrecht.
Auch der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt, sieht kein polizeiliches Messen mit zweierlei Maß. Vielmehr arbeiteten die Polizeien grundsätzlich deeskalierend und wiesen ein relativ hohes Bildungsniveau auf.