Die Feuerwehr Düsseldorf nutzt für die strategische Standortplanung ein geodatenbasiertes Tool. Projektpartner waren die Geodatenexperten Ubilabs aus Hamburg. Im Interview erklären Branddirektor David von der Lieth von der Feuerwehr Düsseldorf und Jens Wille, Geschäftsführer von Ubilabs, welche Vorteile dies bei der Planung bieten kann.
Behörden Spiegel: Als Feuerwehrchef der Stadt Düsseldorf setzen Sie sich maßgeblich für die Digitalisierung wichtiger Planungsprozesse ein. Was war der Anlass, ein Kartentool für die Standortplanung zu entwickeln?
David von der Lieth: Tatsächlich beschäftigen uns Fragestellungen rund um die Standortplanung nahezu täglich. Die Bevölkerung in Düsseldorf verdichtet sich zunehmend, damit steigt die Anzahl an Notfällen – derzeit für den Rettungsdienst um sechs Prozent pro Jahr. Auch das Verkehrsnetz ist in permanentem Wandel. Daher müssen wir unsere Standorte laufend restrukturieren, um aktuellen Anforderungen gerecht zu werden. Bisher hatten wir aber keine Möglichkeit, auf kurzem Weg valide Daten für diese Planung zu erhalten. Da wir mit den Geodaten-Experten der Firma Ubilabs Anfang 2021 bereits ein hilfreiches Tool zur Impfroutenplanung entwickelt haben, ging das aktuelle Projekt aus den Erfahrungen dieser erfolgreichen Zusammenarbeit hervor.
Behörden Spiegel: Können Sie kurz schildern, um was es bei der Impfroutenplanung genau ging?
Von der Lieth: Die Feuerwehr Düsseldorf organisiert seit Anfang 2021 die gesamte Impfkampagne für die Landeshauptstadt Düsseldorf. Dabei stellte sich die Frage, wie wir Menschen erreichen, die das Impfzentrum nicht eigenständig aufsuchen können und hausärztlich nicht betreut werden. Das war nicht trivial, da es zu Beginn der Impfkampagne sehr genaue Vorgaben bezüglich einzuhaltender Temperaturen und dem erschütterungsfreien Transport der Impfstoffe gab. Wir haben das Problem mit mobilen Impfteams gelöst: Ein Kartentool von Ubilabs zeigt zu jeder zu impfenden Person einen Fußweg von maximal zehn Minuten auf, um die Vakzine rechtzeitig verimpfen zu können.
Behörden Spiegel: Auf welchen zeitlichen oder örtlichen Vorgaben basiert das aktuelle Tool für die Standortplanung?
Von der Lieth: Zwischen dem ersten Notruf und dem Eintreffen des Rettungsdienstes am Einsatzort dürfen nur wenige Minuten liegen – höchstens acht, um genau zu sein. Dabei gehen wir davon aus, dass zwei Minuten auf die Disposition bzw. Alarmierung und höchstens sechs Minuten auf die Fahrzeit entfallen. Im Brandschutz müssen die ersten zehn Einsatzkräfte nach höchstens zehn Minuten eintreffen. Weitere sechs Einsatzkräfte höchstens fünf Minuten später. Bei der Planung neuer oder der Reorganisation bestehender Feuer- und Rettungswachen spielt daher die schnelle Erreichbarkeit möglichst vieler Gebiete die entscheidende Rolle. Im Notfall zählt jede Minute. Das muss bei der Entscheidung für neue Standorte, bei Restrukturierungsprozessen bestehender Feuerwehrwachen und bei der Verteilung von Einsatzwagen berücksichtigt werden.
Behörden Spiegel: Welche Fragen beantwortet das neue Tool genau?
Von der Lieth: Beispielhafte Fragen sind: Wieviel Prozent des Stadtgebiets lässt sich von Standort x innerhalb von sechs Minuten erreichen? Eignet sich Grundstück y oder z besser für den Bau einer neuen Wache? Was passiert, wenn eine Wache verschoben wird oder ausfällt, wie müssen die umliegenden Standorte umstrukturiert werden? Wie sieht die Erreichbarkeit bei gleichzeitigen Einsätzen aus? Wo müssen wir evtl. Wagen hin verlegen? An welchen Orten können wir Rettungsfahrzeuge auch temporär stationieren?
Behörden Spiegel: Können Sie ein Beispielprojekt aus der Praxis nennen, bei dem das Tool bereits zum Einsatz kam?
Von der Lieth: Wir müssen derzeit im Stadtteil Wersten eine sehr große Feuerwehrwache verlegen. 900 Meter weiter stand eine freie Fläche zur Verfügung, jedoch mit einer komplizierteren Zufahrtssituation. Anhand des Tools von Ubilabs konnten wir belegen, dass dieser Standort trotzdem ideal ist und wir hier sogar mehr Einsatzorte schneller erreichen können als bisher. Der Entscheidungsprozess für einen neuen Standort ist sehr komplex, da wir ja nicht nur den Erreichbarkeitsgrad, sondern auch wirtschaftliche und stadtplanerische Aspekte berücksichtigen müssen und mit vielen verschiedenen Institutionen diskutieren. Bis dato hat sich so ein Prozess über Monate hingezogen. Mit dem neuen Tool sind die wichtigsten Parameter für diese Diskussionen nun sofort abrufbar, was erheblich schneller zu Entscheidungen führt.
Behörden Spiegel: Wie läuft die Standortplanung bei Feuerwehrwachen traditionellerweise ab?
Von der Lieth: Üblicherweise wird ein Gutachten beauftragt, für dessen Erstellung aktuelle Daten zugeliefert werden. Im Normallfall dauert der komplette Prozess von der Beauftragung bis zur Ergebnislieferung drei bis vier Monate – für jede einzelne Fragestellung. Die andere Alternative, die bei vielen Feuerwehren zum Einsatz kommt, sind sehr aufwändige Geotools, die durch Skripte ergänzt werden. Aber für uns fehlte eine einfache, dynamische Lösung, die man schnell und plattformunabhängig einsetzen kann.
Behörden Spiegel: Der größte Vorteil des Kartenbasierten Tools besteht also in der erheblichen Beschleunigung von Abstimmungsprozessen?
Von der Lieth: Tatsächlich gibt es viele Vorteile. Zum einen der Zeitfaktor – das Tool zeigt uns innerhalb von Sekunden den Erreichungsgrad an, basierend auf verschiedenen Szenarien. In diesen Szenarien lassen sich Wachen aktivieren oder deaktivieren, neu hinzufügen oder löschen. Man erkennt auf einen Blick, bei welchem Szenario welche Stadtgebiete innerhalb von maximal acht Minuten erreicht werden. Und dass, immer im aktuellen Straßennetz.
Ein zweiter Vorteil ist die hohe Dynamik und die Reproduzierbarkeit: Bisher haben Gutachter einen idealen Standort erarbeitet – sofern dieser sich aber nicht realisieren ließ, musste der Prozess wieder von vorne beginnen. Mit dem Tool bringen wir viel mehr Dynamik bereits in den Beginn des Entscheidungsprozesses. Des Weiteren müssen wir die Rahmenfaktoren nicht für jeden Planungsprozess wieder neu aufsetzen, sondern sie bleiben im System gespeichert. Ein entscheidender Pluspunkt sind zudem die deutlich reduzierten Kosten im Vergleich zu iterativen Gutachten: Das Geodatenbasierte Tool amortisiert sich bereits nach einem einzigen Planungsprozess.
Behörden Spiegel: Wie sieht der technologische Aspekt hinter dem Kartentool aus, auf welchen Daten basiert es genau?
Jens Wille: Im Grunde führt das Tool Daten zu Einwohnerzahlen, zur Bevölkerungsverteilung pro Fläche sowie zum Verkehrsnetz mit den Standortdaten der Feuerwehr zusammen und leitet anhand festgelegter Rahmenfaktoren (z. B. der Durchschnittsgeschwindigkeit von Rettungsfahrzeugen) Erreichbarkeitsanalysen ab, dargestellt in Isochronen. Die Datensituation ist also nicht extrem kompliziert. Aber die Ergebnisse möglichst anwenderfreundlich und einfach verständlich nutzbar zu machen, das ist dann nochmal eine eigene Herausforderung bei der Entwicklung.
Behörden Spiegel: Inwieweit könnten Sie das Kartentool bei Bedarf nun auch leichter auf Feuerwehren in anderen Städten übertragen?
Wille: Durch die Zusammenarbeit mit der Feuerwehr Düsseldorf haben wir viel Wissen um spezifische Abläufe und gültige Rahmenfaktoren in diesem speziellen Einsatzbereich gesammelt, so dass wir ähnliche Tools sehr schnell entwickeln könnten. Trotzdem sollte jedes Tool natürlich immer maßgeschneidert ins jeweilige Szenario passen. Aber auch im Fall Düsseldorf hat die eigentliche Entwicklung nur ca. 30 Tage beansprucht. Damit haben wir zudem eine Basis für weitere, noch sehr viel dynamischere Anwendungen geschaffen.