- Anzeige -
- Anzeige -
- Anzeige -
StartSicherheit"Der Gruß aus der Küche ist vorbei"

„Der Gruß aus der Küche ist vorbei“

Bei Schadenslagen sind sie allgegenwärtig. Auch die Verbreitung nimmt stetig zu. Doch die Entwicklung von Drohnen sei lange noch nicht abgeschlossen, sagen Robert Grafe, Geschäftsführer des Deutschen Rettungsrobotikzentrums (DRZ), und Dirk Aschenbrenner, Leiter der Feuerwehr Dortmund und 1. Vorsitzender des DRZ. Wo die Reise hingeht, erklären sie im Interview. Die Fragen stellte Bennet Biskup-Klawon.

Behörden Spiegel: Ist der Hype um Drohnen vorbei?

Dirk Aschenbrenner: Wir haben noch gar nicht richtig angefangen. Ich würde sagen, die Zeit der Pioniere ist ein bisschen vorbei. Der Gruß aus der Küche ist quasi verspeist und wir befinden uns bei einem Fünf-Gänge-Menü. Was wir im Moment mehrheitlich haben, ist das Aufsteigenlassen einer Kamera. Letztendlich hat man ein Fluggerät gefunden, das so sicher und gut zu bedienen ist, dass man es mit zu einer Einsatzstelle nehmen kann und damit ein Bild von oben bekommt. Das ist in der Fläche am meisten verbreitet. Das Potenzial ist natürlich deutlich größer.

Robert Grafe: Mittlerweile geht es in eine reguläre Nutzung. Man sieht, dass sich die Drohne zum Standardeinsatzmittel entwickelt hat. Das heißt aber nicht, dass die Nutzung dieser Systeme und auch das taktische Vorgehen, so wie es jetzt ist, ewig Bestand haben wird. Ich glaube auch, da gibt es noch größere Entwicklungspotenziale.

Behörden Spiegel:  Drohnen sind flächenmäßig breit im Einsatz. Aber werden diese nach ihren Möglichkeiten eingesetzt oder werden sie nur gestartet, weil man eben eine hat?

Grafe: Auf der einen Seite haben wir die rein technischen Komponenten. Auf der anderen Seite haben wir das Kennenlernen der Technik und die Anwendung des technischen Systems. Das hat natürlich eine gewisse Lernkurve erfordert, beziehungsweise erfordert es immer noch. Gerade bei Fragen des taktisch richtigen Vorgehens wird immer noch gelernt. Natürlich haben die ersten Pioniere bei mehr oder weniger null angefangen.

Ich stand bei meinem ersten Drohneneinsatz während eines Großbrandes vor den Fragen: Wie gehe ich da jetzt ran? Was braucht der Einsatzleiter, der das System auch noch nicht kennt? Denn die Führungskräfte mussten auch erst verstehen, was das System liefern und welchen Mehrwert man daraus ziehen kann. Also dieser taktische Einsatz – welche Perspektive, welche Zeit, welche Intervalle, welcher Rhythmus, welche Qualität, welcher Fokus – ist einer gewissen Lernkurve auf beiden Seiten unterworfen: derjenigen, die es in den Einsatz bringen und derer, die die Informationen dann erhalten. Im Moment ist es so, dass es noch keinen wirklichen Standard gibt. Daran arbeiten wir im DRZ. Sprich einsatztaktische Schulungen und Standardisierung.

Aschenbrenner: Das ist gar kein seltenes Phänomen. Das ist durchaus vergleichbar mit der Einführung des Hohlstrahlrohrs oder der Überdruckbelüftung. Häufig werden Technologien von Anbietern auf den Markt gebracht, die durchaus Vorteile bieten und sich am Ende durchsetzen.

In der Regel wird die taktische Schulung nicht mit angeboten, sondern es gibt das Gerät und, wenn es hochkommt, noch eine Bedienerschulung. Und das ist bei den Drohnen oder insgesamt bei neuen Technologien häufig so. Da kommt die Technologie, die auch gut ist, die vielleicht auch mit dem Gedanken einer Gesamtkonzeption entwickelt wurde. Aber das Konzept ist noch nicht rund.

Auch beim Hohlstrahlrohr hat es Jahre gedauert, bis man neben der Bedienerschulung dann auch eine taktische Schulung entwickelt hatte, die in der Fläche angeboten wurde, und man taktische Einsatzgrundsätze festgelegt hatte. Ich halte es für wichtig, das möglichst parallel zu tun. Das ist auch eine Aufgabe, die sich das DRZ vorgenommen hat. Dafür muss man erst mal Strukturen schaffen. Das ist auch nicht so easy. Bei Innovationen sehen wir häufig, dass die Taktik der Technik folgt. Eigentlich müsste man den Prozess mal umdrehen, das wird aber noch eine Zeit lang dauern, bis man so weit ist. Ich kann das nur unterstützen, da ist noch eine Menge Luft nach oben, die auch gefüllt werden muss, damit die technischen Geräte auch wirklich optimal eingesetzt werden und ihren Mehrwert bringen.

Behörden Spiegel: Wie wird das DRZ momentan finanziert? Wie wird es mit dem DRZ weitergehen?

Grafe: Wir stehen jetzt nach der positiven Evaluation des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) in der zweiten Förderphase. Diese geht noch bis Ende 2026.  Wir sind jetzt in einem Prozess, das DRZ wirtschaftlich auf eigene Füße zu stellen, denn das klare Ziel ist, dass das DRZ als Transferinitiative über diese Förderung hinaus besteht. Das heißt, wir arbeiten auch an Geschäftsmodellen, um es mal so zu formulieren, bei denen sicherlich Forschung und auch Forschungsförderung immer noch eine Rolle spielen wird. Aber auch die Themen der Mitgliedschaften, der Schulung und der Zertifizierung werden eine größere Rolle spielen als jetzt. Wir betreiben hier am Standort in Dortmund eine sehr große Versuchsinfrastruktur, die natürlich dann auch zum Zwecke der Refinanzierung für Externe, für Versuche, für Schulungen, für Veranstaltungen nutzbar gemacht wird. Das ist ein Prozess, in dem wir jetzt stehen. Da sind wir noch nicht am Ende, haben aber erste Schritte gemacht.

Behörden Spiegel: An welchen Projekten wird aktuell gearbeitet?

Grafe: Wir arbeiten jetzt an drei größeren Forschungsprojekten mit. Zwei sind national gefördert und eins ist international, also EU-gefördert. Das europäische Ausland ist auch ein Bereich, in den wir uns ausdehnen wollen. In den Projekten geht es in verschiedenen Ausprägungen um das, was wir eben schon angerissen haben, also um Forschung mit Plattformen. Beispielsweise geht es in den EU-Projekten viel um Daten und Datenverarbeitung. Wie kann man aus großen Datenmengen gewisse Vorhersagen machen? Wie kann man Informationen generieren? Das sind die großen Schwerpunkte mit unterschiedlichen Szenarien. Da geht es teilweise dann um Unwetter oder CBRN-Gefahren.Wir als DRZ selbst betreiben keine Grundlagenforschung, sondern wir machen im Grunde immer die Feldversuche und Praxistests.

Aschenbrenner: Wir kümmern uns zudem auch um entsprechende Qualifizierungsangebote, da wir das Alleinstellungsmerkmal mit unseren Möglichkeiten innerhalb der Übungshalle samt einem der großen deutschen Capture-Systeme haben, mit dem man sehr genau nachvollziehen kann, wie Flugbewegungen beispielsweise gesteuert werden.

Auch auf unserem Außengelände, mittlerweile mit Brandfläche und Wasserfläche, können Drohnen und Robotik am und im Wasser getestet und dort mit diesen trainiert werden. Ich glaube, dass es ganz wichtig ist, dass man diese Trainings auch in realer Einsatzumgebung macht. Außerdem planen wir kleine, kostenlose Online-Formate, bei denen Ergebnisse vorstellt werden können. Wir wollen Rettungsrobotik-Tage als Praxis-Tage installieren, idealerweise auf der 112 Rescue in Dortmund, damit man die räumliche Nähe nutzt. Hier kommen viele Menschen hin, die sollen Robotik auch erleben und ausprobieren können.

Und das Zweite ist, dass wir einen Kongress zur Rettungsrobotik etablieren wollen, um diesen Austausch, die Vernetzung und die Nutzung dieser Plattform weiter voranzutreiben und die Rettungsrobotik näher an die Anwender zu bringen. Dafür braucht es Formate und Schnittstellen gleichzeitig, immer mit der Herausforderung, dass wir am Ende damit auch Geld verdienen müssen, um uns dann über Wasser zu halten.

Behörden Spiegel: Was kommt in Zukunft im Bereich der Rettungsrobotik auf uns zu?

Aschenbrenner: Die Kriterien sind relativ klar: Es geht immer um Geschwindigkeit, um Präzision und letztendlich auch um eine gewisse Einsatzqualität. Wenn ich mir z. B. die Herausforderung eines Waldbrands angucke, da hat man immer das gleiche Problem: Ein Waldbrand entsteht, dann wird er entdeckt und dann wird die Feuerwehr auf dem Boden alarmiert und wird dahin geschickt, wo der Meldende den Rauch wahrgenommen hat. Wenn man sich mit einem Waldbrand beschäftigt, dann weiß man, der verläuft immer leicht keilförmig. Wenn man die Keilspitze als Erstes löscht, dann bricht im Prinzip an den Rändern das Feuer relativ schnell zusammen.Das heißt, es kommt sehr darauf an, dass die ersten Kräfte sehr schnell an die richtige Stelle kommen. Denn zu Beginn kommen nicht gleich zehn Löschflugzeuge, sondern immer das erste Löschfahrzeug. Das muss an die richtige Stelle geschickt werden. Das ist ein gutes Anwendungsbeispiel für vorauseilende Drohnen. Wenn wir allein über vorauseilende Drohnen dahin kommen, dass die Drohne dem Löschfahrzeug am Boden sagt: „Das ist genau die Stelle, wo du dein Wasser hinbringen musst.“ Dann könnte man vielleicht eine ganze Reihe großer Waldbrände verhindern.

Noch besser wäre natürlich eine Entwicklung von Drohnen, die auch Löschmittel dabei haben. Dann können diese das Löschmittel sofort selber ausbringen. Eine Drohne in der Luft kann natürlich viel schneller an dieser Stelle sein als ein Fahrzeug auf dem Boden. Wenn solche Technologien helfen, frühzeitig Schadensereignisse so klein zu halten, dass sie eben nicht mehr zu Katastrophen werden, ist schon viel geholfen.

Dafür muss am Ende Geld da sein. In erster Linie scheitert es nicht mehr an den technologischen Grenzen, sondern weil finanzielle Mittel da nicht hinfließen.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein