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Wer bringt das Internet unter Kontrolle?

Der Digital Services Act (DSA) soll das Internet sicherer machen. Doch für die Durchsetzung des Gesetzes muss Deutschland die zuständige Behörde bestimmen. Die Koordination übernimmt wohl die Bundesnetzagentur (BNetzA). Aber um die Aufsicht über den Kinder- und Jugendschutz ist ein Streit entbrannt.

„Der Digital Services Act (DSA) der EU wird weltweit Standards setzen“, erklärte Tabea Rößner, MdB (Bündnis 90/Die Grünen) beim Digitalen Staat Online. Die Vorsitzende des Digitalausschusses im Deutschen Bundestag hält die EU-Verordnung – zusammen mit dem zugehörigen Digital Markets Act (DMA) – für das nächste große Gesetzeswerk nach der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Es solle mehrere Fehlentwicklungen zurechtrücken, die sich im Umgang im und mit dem Internet im letzten Jahrzehnt etabliert haben. „Durch die große Zurückhaltung bei der Regulierung haben sich die Netzgiganten zu Gatekeepern entwickelt“, kritisiert Rößner.

Der Digital Services Act erlegt ihnen Transparenz- und Berichtspflichten auf. Sogenannte „Sehr große Online-Plattformen“ (VLOP) und „Sehr große Online-Suchmaschinen“ (VLOSE) sollen der EU-Kommission ihre Algorithmen offenlegen. Zudem soll es EU-weit Beschwerdemechanismen geben. Die Mitgliedsstaaten sind diejenigen, die den DSA gegenüber den kleineren Online-Plattformen und -Suchmaschinen durchsetzen müssen. Dafür schreibt ihnen das Gesetz vor, einen Digital Services Coordinator (DSC) zu benennen. Dies hat das Bundesdigitalministerium (BMDV) inzwischen getan. Anfang August veröffentlichte es den Referentenentwurf des „Digitale Dienste Gesetzes“ (DDG-E). Demnach wird die Bundesnetzagentur (BNetzA) die deutsche Koordinationsstelle.

Bundesnetzagentur bereitet sich vor

„Wir sind bereit“, sagt Dr. Julia Marquier, die Leiterin des Referats Netzneutralität, Plattformmonitoring, Künstliche Intelligenz in der BNetzA. Sie schildert intensive inhaltliche Vorbereitungen. Besonders das IT-Team bereite sich vor. Sie nähmen an allen Sitzungen der EU-Gruppe teil, um das Information Sharing System der EU kennenzulernen. Zudem suche die Agentur Mitarbeitende, die medien- und kommunikationswissenschaftliche Qualifikationen haben, um die 63 dafür vorgesehenen Stellen zu besetzen. Aber auch organisatorisch bereite sich die BNetzA vor: „Wir richten einen Aufbaustab ein. Dieser ist direkt dem Präsidium untergeordnet und nicht in die Abteilungen eingegliedert“, berichtet die Referatsleiterin. „Das ist notwendig, um die Unabhängigkeit als Digital Services Coordinator zu wahren.“

Aus der Zivilgesellschaft kamen immer Forderungen nach Unabhängigkeit. Denn die Medienaufsicht ist in Deutschland staatsfern organisiert. „Der Teil der Bundesnetzagentur, der die Aufsicht übernimmt, muss vollständig unabhängig gestellt werden“, sagt zum Beispiel Tabea Rößner. Sie sieht es kritisch, dass die EU-Kommission selbst die Durchsetzung des DSA gegenüber sehr großen Digitalkonzernen übernimmt. Hier sei die Medienaufsicht nicht vom Staat getrennt.

Aber die Landesmedienanstalten sind nicht zur zuständigen Stelle für die DSA-Durchsetzung ernannt worden. Stattdessen erklärte der Referentenentwurf die Bundeszentrale für den Kinder- und Jugendschutz (BZKJ) zur verantwortlichen Stelle für diejenigen Aspekte des DSA, die den Schutz von Minderjährigen betreffen. Darüber hinaus wird der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) dafür zuständig sein, gegen Microtargetting und Profiling von Kindern und Jugendlichen vorzugehen.

Streit um Stellung der Landesmedienanstalten

„Ich glaube, dass das Zusammenwirken der Landesmedienanstalten und der Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz (BZKJ) sehr gut harmonisiert ist“, entgegnet der Direktor der BZKJ, Sebastian Gutknecht. Schon seit zwei Jahren nehme die Bundeszentrale strukturelle Jugendmedienschutzaufgaben insbesondere in der Vorsorge wahr. Dabei habe sie den „Risikoraum vermessen“ und Maßnahmen erarbeitet. Der DSA biete letztlich eine rechtliche Klarstellung dieser Aufgaben. Für die BZKJ bedeute der DDG-E im Grunde ein „Weiter so“. Die Bundeszentrale übernehme die strukturelle Vorsorge, die Landesmedienanstalten die Einzelfälle.

„Es ist ein Versäumnis, dass die Landesmedienanstalten nicht genannt worden sind“, kritisiert dagegen die Digitalausschussvorsitzende Rößner den Referentenentwurf des FDP-geführten BMDV. „In den Ländern sollen die bereichsspezifischen Regelungen erhalten bleiben“, erläutert Rößner. „In Deutschland gelten der Medienstaatsvertrag und der Jugendmedienschutzstaatsvertrag sowie die Länderhoheit in Medienfragen“, betont die ehemalige Journalistin.

Laut den beiden Verträgen sind die Landesmedienanstalten nicht nur für die Medienaufsicht zuständig, sondern insbesondere auch für die Durchsetzung von Kinder- und Jugendmedienschutz. „Wir sind als zuständige Behörde für die DSA-Durchsetzung zu benennen, weil wir nach deutschem Recht eine zuständige Behörde sind“, bringt es der Direktor der Landesanstalt für Medien NRW und Europabeauftragte der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM), Dr. Tobias Schmid, auf den Punkt. Die Direktorin der Medienanstalt Berlin-Brandenburg, Eva Flecken, betont, dass auch die Landesmedienanstalten Vorsorgeaufgaben wahrnähmen. Dazu arbeiteten alle Medienanstalten sowie die BZKJ in der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) zusammen. Diese habe zum Beispiel über 100 technische Wege der Altersverifikation zugelassen. Diese strukturelle Vorsorgemaßnahme setzten vor allem die Landesmedienanstalten durch – auch bei schwer greifbaren, international operierenden Pornografieplattformen. Die vertraglich festgelegte und durch die Praxis fixierte Zuständigkeit der Landesmedienanstalten sei anzuerkennen.

Straffer Zeitplan

Armin Jungbluth sieht das überraschenderweise ähnlich. Für die Durchsetzung des DSA dürfte das BMDV nur diejenigen Verwaltungsstrukturen aufbauen, die nötig seien, verteidigt er den Entwurf des Digitale Dienste Gesetzes. Doch der Referatsleiter „Rechtsrahmen digitale Dienste und Medienrecht“ im BMDV ergänzt: „Aus fachlicher Sicht teile ich die Einschätzung der Landesmedienanstalten.“ Das letzte Wort sei aber noch nicht gesprochen. Der Referentenentwurf könne in der parlamentarischen Beratung noch geändert werden.

Jungbluth sorgt sich über den „straffen Zeitplan“. Bis zum 11. Oktober solle der Entwurf im Kabinett sein, um noch rechtzeitig den Bundestag und Bundesrat zu erreichen. Die Eile sei deshalb vonnöten, weil Deutschland laut DSA bis zum 17. Februar 2024 einen DSC ernennen muss.

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