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StartRechtAuslegung von Eignungskriterien – Wiederholte Ausschreibung bei Intransparenz

Auslegung von Eignungskriterien – Wiederholte Ausschreibung bei Intransparenz

OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 28.9.2023 – 11 Verg 2/23

  1. Sind keine eigenständigen Eignungskriterien aufgestellt, sind grundsätzlich Rückschlüsse auf mittelbar gestellte Eignungskriterien aus geforderten Referenzen möglich
  2. Die Auslegung welche Mindestanforderungen die vorgelegten Referenzen erfüllen müssen bzw. ob, und wenn ja, welche Eignungskriterien mit der Referenzforderung verbunden sind, erfolgt aus der Sicht eines verständigen, durchschnittlich erfahrenen Bieters.
  3. Intransparente Eignungskriterien führen zur Wiederholung der Ausschreibung

I. Sachverhalt (Kurzzusammenfassung)

Mit einer europaweiten Bekanntmachung vom 03.02.2023 hat die Vergabestelle und spätere Antragsgegnerin (Ag.) die Übernahme und Verwertung von Bioabfällen im Umfang von ca. 9.000 Mg pro Jahr im offenen Verfahren ausgeschrieben. Innerhalb der Auftragsbekanntmachung befanden sich keine eigenständigen Eignungskriterien. Die Eignungsprüfung sollte ausweislich der Ausschreibung ausschließlich anhand zweier unternehmensbezogener Referenzen erfolgen. Folgende Mindestanforderungen wurden u.a. an diese Referenzen gestellt: „[…]

  • Die erbrachten Leistungen müssen in Bezug auf die Leistungsgegenstände Tonnage ein ähnliches Volumen (mindestens jedoch 50 % der Tonnage) aufweisen,
  •  […]“

Einzelne Referenzen können in Summe betrachtet werden, wenn sie in den letzten fünf Jahren eine zeitliche Überlappung von mindestens drei Jahren haben und in der Summe mindestens 50 % der ausgeschriebenen Tonnage erreichen, sofern die Mindestkriterien nicht von einer einzigen Referenz erfüllt werden. […]“

Der Zuschlag erfolgte auf das Angebot der Beigeladenen, da ihr Angebot das wirtschaftlichste (jenes mit dem niedrigsten Angebotspreis) gewesen sei. Nach erfolgloser Rüge der Antragstellerin (Ast.) leitete diese ein Nachprüfungsverfahren ein, mit dem Ziel, den Ag. zu verpflichten, die eingegangenen Angebote unter Beachtung der Rechtsauffassung der VK neu zu bewerten. Dazu trug sie vor, dass das Angebot der Beigel. zwingend gem. § 57 Abs. 1 Hs. 1 VgV ausgeschlossen werden müsste, weil diese ihre technische und berufliche Leistungsfähigkeit nicht durch Vorlage geeigneter Referenzen nachgewiesen habe.

Mit Beschluss vom 15.05.2023 wurde der zulässige Antrag von der VK Hessen mit der Begründung abgelehnt, dass durch Auslegung hätte ermittelt werden könne, welche (konkludenten) Eignungskriterien durch die Referenzanforderungen gefordert waren. Hierzu sei die Beurteilung der Ausschreibung aus Sicht eines durchschnittlich erfahrenen Bieters maßgebend. Daraufhin legte die Ast. sofortige Beschwerde ein, da sie der Meinung war, dass die Beigeladene die in den Referenzen geforderte Mindesttonnage von 9.000 Mg/a nicht erfüllen könnte. Die Ast. beantragte die Ag. zu verpflichten, die Wertung der Angebote unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu wiederholen.

II. Entscheidung des OLG Frankfurts

Mit Beschluss vom 28.09.2023 entschied das OLG Frankfurt, dass das Vergabeverfahren aufzuheben und zurückzuversetzen ist. Der Ag. hat es laut OLG versäumt, transparente Regelungen in Bezug auf die technische und berufliche Eignung aufzustellen.

Die Eignungsprüfung anhand der geforderten Referenzen sei grundsätzlich möglich, weil aus diesen Rückschlüsse auf mittelbar gestellte Eignungskriterien möglich seien. Dabei müsse aus der Sicht eines verständigen durchschnittlich erfahrenen Bieters beurteilt werden, welche Mindestanforderungen die vorgelegten Referenzen erfüllen müssen. Im vorliegenden Fall entschied das OLG jedoch, dass die Annahme an die Voraussetzungen der Mindestanforderungen durch einen verständigen durchschnittlich erfahrenen Bieter nicht mit dem tatsächlich Gewollten des Ag. einhergehe.

Aus der maßgeblichen Sicht eines verständigen, durchschnittlich erfahrenen Bieters ginge aus der Bekanntmachung nämlich hervor, dass er grundsätzlich zwei unternehmensbezogene Referenzen vorzulegen habe, die „jeweils 50 % der Tonnage“ umfassen, sodass in Summe die streitgegenständliche (Gesamt-)Tonnage von 9.000 Mg/a erreicht wird. Diese Mindesttonnage sei demnach auch dann gefordert, wenn die Bieter von der Möglichkeit einer Summierung von Einzelreferenzen Gebrauch machen wollten. Nach Auslegung des OLG wird deutlich, dass der Ag. laut Bekanntmachung nur eine Summierung „innerhalb“ der geforderten Referenzen erlauben wollte, jedoch damit keinesfalls eine Verringerung des nachzuweisenden Gesamtvolumens einhergehen sollte. Die Beigel. vertrete jedoch die Auffassung, dass die Summierungsmöglichkeit zu einer Absenkung der zu referenzierenden Mindesttonnage auf 50 % der Auftragstonnage (4.500 Mg/a) führe. Dazu führte der Ag. vor dem OLG aus, dass er der Auffassung der Beigel. zustimme. Dies stellt jedoch nach dem OLG eine offensichtliche Ungleichbehandlung der Bieter dar, da der Bieter, der zum Nachweis seiner Leistungsfähigkeit zwei Referenzen benennt, nur dann die vom Ag. gestellten Mindestanforderungen erfülle, wenn jede der Referenzen sich über die Verwertung von 4.500 Mg/a verhält (und so z.B. mit zwei Referenzen mit einer Tonnage von je 4.000 Mg/a aus dem relevanten Zeitraum insgesamt also 8.000 Mg/a ausgeschlossen wäre), während ein anderer Bieter nur die Verwertung von 4.500 Mg/a belegen müsste.

Im Zweifel dürften die Bieter aber die Vergabeunterlagen so verstehen, dass sie den vergaberechtlichen Anforderungen entsprechen. Die Vergabestelle habe in ihren Vergabeunterlagen nicht das formuliert, was sie tatsächlich wollte. Die formulierten Mindestanforderungen erfüllen laut OLG nicht den Grundsatz der Transparenz.

Aufgrund dieser Intransparenz könne das OLG keine eigene Entscheidung treffen, weil allein die Vergabestelle berechtig sei, Eignungskriterien vorzugeben. Der Auftraggeber habe die Eignung gem. § 122 Abs. 2 GWB anhand von bekanntgemachten Eignungskriterien zu prüfen. Dabei seien laut OLG die im Vorhinein bekanntgemachten Eignungskriterien der Maßstab für die Eignungsprüfung. Es komme daher für das OLG nur die Zurückversetzung des Vergabeverfahrens in Betracht. Das OLG weist zudem darauf hin, dass es gem. § 168 Abs. 1 S. 2 GWB nicht an den Antrag der Rückversetzung des Ausschreibungsverfahrens vor Wertung der Ast. gebunden sei.

III. Bedeutung für die Praxis

Nach § 122 Abs. 4 S. 2 GWB sind die Eignungskriterien bereits in der Auftragsbekanntmachung aufzuführen. Dies ist eine Ausprägung welche sich aus dem Transparenzgrundsatz des § 97 Abs. 1 GWB ergibt. Daraus folgt, dass die Eignungskriterien bei objektiver Betrachtung eindeutig und unmissverständlich formuliert sein müssen, sodass jeder verständige, durchschnittlich fachkundige Bieter sie in gleicher Weise versteht. Fehlt es an der notwendigen Transparenz, ist das Verfahren regelmäßig in den Stand vor Bekanntmachung zurückzuversetzen. Es ist daher als Auftraggeber darauf zu achten, die Formulierungen der Eignungskriterien sorgfältig abzufassen und daraufhin zu kontrollieren, ob diese auch das wiederspiegeln, was für die Erbringung der Leistung wirklich gewollt ist und inwieweit diese Anforderungen rechtmäßig umgesetzt werden können. Ansonsten laufen Auftraggeber Gefahr das Vergabeverfahren wiederholen zu müssen.

Der Autor dieses Gastbeitrages ist Rechtsanwältin Anika Sanders

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