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Alle müssen aktiv mitwirken

Baden-Württemberg hat in seiner Digitalisierungsstrategie „digital@bw“ im Jahre 2017 das Ziel formuliert, das Land zur „digitalen Leitregion“ in Deutschland und Europa zu machen. Seitdem wird die digitale Transformation der öffentlichen Verwaltung insbesondere auch durch den IT-Beauftragten der Landesregierung und CIO/CDO des Landes, Stefan Krebs, vorangetrieben. Im Interview mit dem Behörden Spiegel gibt er einen Einblick in den Stand der Verwaltungsdigitalisierung im „Ländle“. Das Gespräch führte Guido Gehrt.

Behörden Spiegel: Herr Krebs, wie läuft aktuell die OZG-Umsetzung in Baden-Württemberg bei Land und Kommunen?

Krebs: In Baden-Württemberg haben wir bislang über 520 Onlinedienste umgesetzt. Wobei nicht jeder dieser Onlinedienste OZG-relevant ist. Acht Kommunen bieten im Land mehr als 200 Onlinedienste über unsere E-Government-Plattform service-bw an. Weitere rund 60 Kommunen bieten mehr als 100 Onlinedienste über service-bw an.

Wir haben in Baden-Württemberg somit noch ein großes Stück Arbeit mit dem Namen Flächendeckung vor uns, d. h. die Anbindung aller kommunalen Vollzugsbehörden an die vom Land bereitgestellten Onlinedienste.

Als Flächenland mit einer hohen Zahl an kleinen Kommunen stehen wir hier vor einer ganz besonderen und zentralen Herausforderung. Wir bauen deswegen unter anderem gemeinsam mit dem IT-Dienstleister der Kommunen in Baden-Württemberg eine sogenannte Rollout-Einheit auf.

Mit der Finanzierung von E-Government-Koordinatorinnen und -Koordinatoren, die bei allen 35 Landkreisen installiert sind, tragen wir als Land Baden-Württemberg zur allgemeinen Aktivierung und Sensibilisierung der Kommunen bei. Die Koordinatorinnen und Koordinatoren sollen als Multiplikatoren und Anlaufstelle vor allem für kreisangehörige Gemeinden fungieren. Nichtsdestotrotz werden wir die Flächendeckung nur dann erreichen, wenn alle Landkreise, Städte und Gemeinde in Baden-Württemberg aktiv mitwirken.

Behörden Spiegel: Der Deutsche Städtetag und andere haben vor mittlerweile rund drei Jahren die „Dresdner Forderungen“ aufgestellt, die, verkürzt gesagt, eine stärkere Zentralisierung bestimmter Verwaltungsservices auf der gesamtstaatlichen Ebene vorsehen. Gehen Sie damit?

Krebs: Das Thema der Zentralisierung hat für mich eine – sozusagen – zentrale Bedeutung, wobei ich hier lieber von Bündelung spreche. Elektronische Verwaltungsleistungen von einer Stelle anbieten zu lassen, statt von Dutzenden oder Hunderten ist auf den ersten Blick ein No-Brainer, wenn das gesamte Verfahren von der Antragstellung via Onlinedienst über die Durchführung des eigentlichen Verwaltungsverfahrens bis zur Bescheidung medienbruchfrei und automatisiert durchgeführt werden kann.

Das Paradebeispiel, das in diesem Kontext seit Langem genannt wird, ist die Fahrzeugzulassung. Die entsprechende Verwaltungsleistung ist komplett automatisierbar, die Zulassungsbehörden haben keinen Beurteilungs- oder Ermessensspielraum. Einen Ortsbezug gibt es nicht und inzwischen muss die Zulassungsbehörde vom Zulassungsnehmer auch nicht mehr physisch aufgesucht werden.

Da Baden-Württemberg diese EfA-Leistung umgesetzt hat, wollen wir in einem nächsten Schritt prüfen und erproben, ob sich und wenn ja, wie, eine Bündelung des Verwaltungsvollzugs bei einer Behörde bewerkstelligen lässt.

Bei näherer Betrachtung gibt es hier neben rein technischen und organisatorischen Aspekten auch rechtliche, finanzielle und politische Implikationen, die es zu bewerten gilt.

Grundsätzlich bin ich davon überzeugt, dass wir aus Effizienzgründen und angesichts der Masse der noch Ende-zu-Ende umzusetzenden Verwaltungsleistungen gut daran tun, das Thema Bündelung oder Zentralisierung stärker als bisher in den Vordergrund zu rücken.

Behörden Spiegel: Sie haben die Zulassungsbehörden angesprochen.Das Kraftfahrtbundesamt (KBA) hat Anfang des Jahres zahlreichen Kommunen die i-Kfz-Portale gesperrt, da diese, so das KBA, die Sicherheitsanforderungen nicht erfüllten. Was war da los?

Krebs: Aufgrund erfolgreicher Cyberangriffe auf ein Rechenzentrum von Zulassungsbehörden in Nordrhein-Westfalen hat das Kraftfahrtbundesamt (KBA) die Einhaltung der geltenden Sicherheitsanforderungen strenger als bisher mit verhältnismäßig kurzer Frist eingefordert.

Da die Zulassungsbehörden im Rahmen von i-Kfz „schreibenden Zugriff“ auf das Zentrale Fahrzeugregister des Bundes haben, ist es nachvollziehbar, dass nicht riskiert werden kann, dass mit solchen Rechten ausgestattete Behörden möglicherweise kompromittiert werden.

Viele Zulassungsbehörden in der Bundesrepublik bzw. die Hersteller der dort eingesetzten Fachverfahren konnten die Einhaltung der Sicherheitsanforderungen des KBA nicht kurzfristig nachweisen und wurden seitens des Kraftfahrtbundesamts vom i-Kfz-System abgekoppelt.

In Baden-Württemberg ist von den erwähnten Abschaltungen durch das Kraftfahrtbundesamt allerdings keine Zulassungsstelle betroffen. Auch das von Baden-Württemberg angebotene i-Kfz-Portal, das bundesweit von vielen Ländern nachgenutzt wird, wurde zu keinem Zeitpunkt abgeschaltet.

Die Sicherheit unseres i-Kfz-Portals war bisher und ist auch jetzt jederzeit gewährleistet. Wie bisher steht damit das Kfz-Onlinezulassungs-Portal vollumfänglich zu Verfügung.

Behörden Spiegel: Verwaltungsintern zählt in der Landesverwaltung seit Jahren die Einführung der E-Akte zu den Großprojekten. Wie ist hier der aktuelle Stand?

Krebs: Das Projekt E-Akte BWist mittlerweile fast abgeschlossen. Zum Ende des ersten Quartals 2024 waren rund 23.000 Arbeitsplätze in 209 Behörden ausgerollt. Damit fehlen nur noch vier Behörden. Die letzte Behörde wird am 08. Juli 2024 mit der E-Akte BW produktiv gehen. Der Rollout wird damit Mitte des Jahres wie geplant abgeschlossen sein.

Die Software VIS-Suite mit dem Landes Add-On BW wird stetig weiterentwickelt. Dazu gehört die Umsetzung von Anforderungen, aber auch Themen wie die Potenziale von KI für die E-Akte werden diskutiert. Außerdem erfordern die zahlreichen Schnittstellen, z. B. zu service-bw, den besonderen elektronischen Behördenpostfächern (beBPo) und SAP RePro, die die E-Akte BW bundesweit einzigartig an umliegende IT-Systeme anschließen, fortlaufende Anpassungen.

Der Betrieb der E-Akte BW wird Ende des Jahres vollständig an den Betreiber BITBW übergehen. Diese Übergabe wird aktuell vorbereitet und in den kommenden Monaten Stück für Stück durchgeführt.

Behörden Spiegel: Der Einsatz von KI-Lösungen in der öffentlichen Verwaltung wird aktuell sehr intensiv in der „Community“ diskutiert. Wie beurteilen Sie das Potenzial und gibt es in der Landesverwaltung Baden-Württemberg bereits konkrete Anwendungsszenarien bzw. erste Projekte?

Krebs: Künstliche Intelligenz wird das Arbeitsleben in der Verwaltung entscheidend verändern. Wir haben bereits heute sog. Justice Tech-Anwendungen im Justizbereich in der Praxis erfolgreich erprobt – hierbei handelt es sich um die Unterstützung bei der Bearbeitung des Massenverfahrens der Dieselklagen im OLG Stuttgart sowie die Bearbeitung von Fluggastrechteverfahren beim Amtsgericht Frankfurt.

Aber nicht nur im Justizbereich, sondern auch in anderen Geschäftsbereichen der Landesverwaltung sollen Geschäftsprozesse, die für einen erheblichen Arbeitsanfall sorgen, durch die Nutzung von KI-Modellen unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlasten. Daneben gibt es zahlreiche weitere Anwendungsfelder von der Textgenerierung und -prüfung – dies wird den Landesbediensteten bereits mit F13 zur Verfügung gestellt – bis hin zur Bild- und Datenanalyse oder der Unterstützung bei der Entwicklung von Fachanwendungen.

Diese Entwicklung ist auch nicht mehr zu stoppen, vielmehr wollen wir sicherstellen, dass wir die Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz datenschutz- und wertekonform nutzen können. Dazu werden wir im Land die bereits bestehenden KI-Projekte bündeln und eine eigene KI-Infrastruktur für die Umsetzung der verschiedenen Anforderungen aufbauen.

Behörden Spiegel: Die Umsetzung der Deutschen Verwaltungscloud (DVC) ist in vollem Gange. Wie bewerten und begleiten Sie resp. das Land Baden-Württemberg diesen Prozess?

Krebs: Die deutsche Verwaltungscloud findet ihren Ursprung in der Überlegung, die Verwaltung in Deutschland weitgehend unabhängig von sogenannten Hyperscalern aufzustellen und Kapazitäten einzelner Rechenzentren in einer gemeinschaftlichen Cloud zusammenzuführen.

Nach dem Einer-für-Alle-Prinzip ist es natürlich konsequent, dass der Betrieb von Fachverfahren, die von anderen genutzt werden können, auch entsprechend skalierbar bereitgestellt wird. Die Deutsche Verwaltungscloud liefert auf die damit verbundenen Fragen die passende Antwort.

Das Land Baden-Württemberg baut gegenwärtig seine Cloud-Infrastruktur aus. Dies ist notwendig, da viele Fachverfahren inzwischen cloudfähig entwickelt werden (müssen) und auch Altanwendungen sukzessive modernisiert und somit zukünftig in der landeseigenen Cloud betrieben werden. Baden-Württemberg beteiligt sich daher mit seinen Fähigkeiten am Aufbau der DVC und ist an der weiteren Entwicklung der DVC sehr interessiert.

Behörden Spiegel: Mit der Registermodernisierung steht bei Bund, Ländern und Kommunen das nächste Megaprojekt der Verwaltungsdigitalisierung ins Haus. In Anlehnung an eine Alt-Bundeskanzlerin: Wie schaffen wir das?

Krebs: Registermodernisierung hat in erster Linie die Vorbereitung zur Umsetzung des Once-Only Prinzips zum Ziel, um Unternehmen sowie Bürgerinnen und Bürger bei der Inanspruchnahme von Verwaltungsleistungen zu entlasten. Es ist nicht nachvollziehbar, warum man für Verwaltungsleistungen Nachweise vorlegen muss, die bereits bei anderen öffentlichen Stellen vorliegen.

Das Bund-Länder Programm Gesamtsteuerung Registermodernisierung hat daher im Auftrag des IT-Planungsrates die notwendigen Rahmenbedingungen für Once-Only zu schaffen. Herzstück ist das notwendige IT-technische System, das Nationale Once-Only Technical System (NOOTS), über das der grenzüberschreitende und nationale automatisierte Nachweisabruf der Onlinedienste in den Datenbeständen der nachweisliefernden Stellen erfolgen soll.

Es ist Sache der Fachlichkeit und der zuständigen Verwaltungsebenen, die durch das Programm zu schaffenden Rahmenbedingungen zu nutzen und auch tatsächlich umzusetzen. Ich begrüße es, wenn das Programm sich in den Detailfragen zu Standards, rechtlichen Regelungen und Nachweisen mit den jeweiligen Fachministerkonferenzen abstimmt. Die Registermodernisierungskoordinatorinnen und -koordinatoren in den Ländern haben die wichtige Aufgabe, als zentraler Ansprechpersonen für die Umsetzung der Registermodernisierung in den Ländern und Kommunen zur Verfügung zu stehen. Von ihnen muss auf Länderebene eine Einbindung der Fachressorts sowie der Kommunen über die Kommunalen Landesverbände erfolgen.

Once-Only ist kein Selbstläufer, den man anordnen kann: Onlinedienste müssen weiterentwickelt werden, damit sie für den automatisierten Nachweisabruf befähigt sind. Fachverfahren müssen die Nachweise möglichst auch digital verarbeiten können. Es ist kein Fortschritt der Verwaltung, wenn ein automatisiert abgerufener Nachweis durch die Sachbearbeitung noch in das Fachverfahren eingepflegt werden muss. Wir denken bei Registern immer an die üblichen strukturiert im Gesetz vorgegebenen Register wie Melde-, Personenstands- und Fahrzeugregister. Es geht aber auch um Nachweise, die nicht in klassischen Registern liegen, sondern in Fachverfahren, die ebenfalls relevant für die Umsetzung von Once-Only sind. Es müssen also viele rechtliche und technische Hürden genommen werden. Wir werden auch vereinzelt auf Widerstände stoßen in der Verwaltung. Verwaltungsprozesse werden sich ändern und das stößt nicht überall auf Zustimmung.

Das Hauptrisiko für die Umsetzung sehe ich derzeit in der noch fehlenden rechtlichen Grundlage für die Errichtung und den Betrieb des NOOTS und somit auch die Finanzierung sowie die rechtliche Verpflichtung zum Anschluss der Onlinedienste und Register an das NOOTS.

Abschließend sage ich: „Ja, wir schaffen das“, aber es ist keine Aufgabe, die in den nächsten fünf Jahren abgeschlossen sein wird. Vielmehr ist es ein langer Prozess, der uns noch über Jahre begleiten wird.

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