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StartRechtNeues Disziplinarrecht im Bund

Neues Disziplinarrecht im Bund

Im Rahmen einer bundesweiten Großrazzia im Dezember 2022 wurden 150 Objekte durchsucht und 25 Personen aus der sogenannten Reichsbürgerszene festgenommen. Darunter ein ehemaliger Offizier der Bundeswehr sowie ein im aktiven Dienst stehender Beamter der niedersächsischen Landespolizei. Um dem Phänomen von Verfassungsfeinden im Staatsdienst effektiv begegnen zu können, hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser bereits zuvor einen „Aktionsplan gegen Rechtsextremismus“ vorgestellt und nur wenige Tage nach den Durchsuchungen eine Neuaufstellung des Disziplinarrechts angekündigt, bei der Bedienstete nur mittels Verwaltungsakt aus dem Dienst entfernt werden können.

Die aus dem Bundesinnenministerium stammende, im April in Kraft getretene Dienstrechtsnovelle ist von dem Gedanken geleitet, die disziplinarrechtliche Ahndung extremistischer Handlungen spürbar zu beschleunigen. Dies soll dadurch erreicht werden, dass die statusrelevanten Maßnahmen – Entfernung aus dem Beamtenverhältnis und Zurückstufung – nicht länger im Wege der Disziplinarklage vor dem Verwaltungsgericht erwirkt werden müssen. Vielmehr sind sie – ebenso wie Verweis, Geldbuße oder Kürzung der Dienstbezüge – nunmehr durch Disziplinarverfügung auszusprechen. Damit folgt man dem Vorbild Baden-Württembergs, das diese Vorgehensweise bereits vor über zehn Jahren im Landesrecht etabliert hat. Rechtlich ist diese gesetzessystematische Änderungwohl nicht zu beanstanden, doch fragt sich, ob damit tatsächlich eine Beschleunigung erreicht werden kann.

Extraschleife durch die Behörde

Zunächst besitzt das Faktum, dass bisher kein anderes Bundesland diesen Ansatz übernommen hat, eine gewisse Aussagekraft. Der Gesetzentwurf selbst konstatiert, dass ein schnellerer Abschluss des Verfahrens lediglich „möglich“ sei, insbesondere dann, wenn sich die betroffene Person nicht gegen die Maßnahme zur Wehr setzt. Andernfalls steigt die Gesamtverfahrensdauer wahrscheinlich sogar an. Im Vergleich: Bisher wurde im Fall von Zurückstufung und Entfernung aus dem Beamtenverhältnis das behördliche Disziplinarverfahren mit Erhebung der Disziplinarklage vor dem Verwaltungsgericht beendet. D. h. das gerichtliche Verfahren schloss sich unmittelbar an. Nach neuem Recht endet das behördliche Verfahren hingegen mit einem Verwaltungsakt, gegen den der Widerspruch das statthafte Rechtsmittel darstellt. Die Behörde muss also zunächst in einem gesonderten Verfahren ihr eigenes Handeln überprüfen. Erst nach Abschluss dieses Verfahrens durch Widerspruchsbescheid können die betroffenen Beamtinnen und Beamten vor dem Verwaltungsgericht klagen.

Aus finanzieller Sicht

Die Hoffnung des Gesetzgebers, dass betroffene Beamtinnen und Beamte die verfügte Maßnahme akzeptieren werden, nährt sich dadurch, dass das neue Recht ihnen keine finanziellen Fehlanreize für das Beschreiten des Rechtswegs mehr geben soll. Zwar konnten auch schon bisher die Bezüge ab dem Zeitpunkt der Einleitung eines behördlichen Disziplinarverfahrens gekürzt werden. Grundsätzlich aber wurden die betroffenen Beamtinnen und Beamten bis zur Rechtskraft eines verwaltungsgerichtlichen Urteils weiter alimentiert. Eine Pflicht zur Rückzahlung bestand nicht. In der Gesamtschau konnte es sich damit sogar dann finanziell lohnen, die Möglichkeiten des Rechtsschutzes auszuschöpfen und das Verfahren in die Länge zu ziehen, wenn in der Sache keine Aussicht auf Erfolg bestand. Nunmehr ist vorgesehen, dass die Bezüge, die nach der Zustellung der Disziplinarverfügung ausgezahlt werden, im Fall der Rechtskraft eines verwaltungsgerichtlichen Urteils zurückzuzahlen sind.

Wenn man also damit rechnen muss, dass der Dienstherr in einer verwaltungsrechtlichen Auseinandersetzung obsiegen wird, soll es – jedenfalls aus finanzieller Sicht – keinen Sinn mehr machen, gegen die behördliche Verfügung vorzugehen. Diese Regelung begegnet jedoch erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken. Auch in tatsächlicher Hinsicht wird die Rückzahlungsverpflichtung aufgrund von Pfändungsfreigrenzen etc. betragsmäßig oftmals so gering ausfallen, dass sie Beamtinnen und Beamte wohl nicht davon abgehalten wird, Rechtsmittel einzulegen.

Ein vorrangig politisches Zeichen setzt der Gesetzgeber, indem er in die Straftatenkataloge der Paragrafen 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BBG und 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BeamtStG, die den sogenannten Verlust der Beamtenrechte regeln, den Straftatbestand der Volksverhetzungnach Paragraf 130 StGB aufnimmt. Dies hat zur Folge, dass das Beamtenverhältnis bereits mit Rechtskraft eines Strafurteils, in dem eine Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verhängt wird, endet und nicht wie bisher ab einer Verurteilung zu einem Jahr. Die praktische Relevanz dieser Ergänzung ist als eher gering einzuschätzen. Im Kontext von Straftaten, die sich gegen den Bestand oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland sowie der Bundesländer richten, wird es nämlich regelmäßig zu Verurteilungen von mehr als einem Jahr Freiheitsstrafe kommen. Rechtstheoretisch macht die Ergänzung dennoch Sinn, zumal den aufgeführten Straftatbeständen gemein ist, dass sie das Grundvertrauen der Bevölkerung in die Unabhängigkeit der Beamtenschaft beeinträchtigen.

Die eingangs erwähnte Großrazzia stellte die Basis für den kürzlich gestarteten Prozess gegen die Gruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main dar. Im Falle einer strafrechtlichen Verurteilung – u. a. wegen der Vorbereitung eines hochverrätischen Unternehmens – müssen die Staatsdiener unter den Angeklagten wohl mit einem unmittelbaren Verlust ihrer Beamtenrechte rechnen. Einer gesonderten disziplinarrechtlichen Entscheidungen bedarf es in diesen Fällen dann nicht mehr.

Der Autor des Gastbeitrags ist Prof. Dr. Harald Bretschneider, Dozent an der Hochschule des Bundes am Fachbereich Bundespolizei in Lübeck.

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