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Was bringt das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz?

Eine zweijährige Ausbildung im Herkunftsland, viele Jahre Berufserfahrung, ein Job-Angebot mit Einkommen über 3.400 Euro, ein kommunaler Betrieb, der bei den Einreiseformalitäten unterstützt – man würde glauben, dass das reicht, um in Deutschland arbeiten zu können. Auch für Menschen aus Indien oder Ghana. Doch lange reichte all das nicht, um als dringend benötigte Fachkraft nach Deutschland kommen zu dürfen. Für Menschen von außerhalb der EU gab es hier schlicht keinen Aufenthaltstitel. Seit dem 1. März ist das Aufenthaltsrecht an dieser Stelle moderner. Denn die Ampel hat erkannt, dass das deutsche Einwanderungsrecht nicht mehr in allen Belangen zeitgemäß ist. Angesichts des demografischen Wandels braucht Deutschland eine jährliche Nettozuwanderung von 400.000 Arbeitskräften.

Im Öffentlichen Dienst ist der Fachkräftemangel besonders groß. Es fehlen mehr als 550.000 Beschäftigte. Dieser Mangel ist besonders in der Kommunalverwaltung sowie in Schulen, Kitas, der Polizei und der Steuerverwaltung zu spüren. Die Gründe für den Personalmangel sind vielfältig: Die Bevölkerung ist um fünf Prozent gewachsen, Reformen in der Sozial- und Steuerpolitik haben zu mehr Verwaltungsaufwand geführt und viele Beschäftigte gehen in den Ruhestand.

Das neue Einwanderungsrecht kann hier helfen. Denn es erleichtert die Zuwanderung in den deutschen Arbeitsmarkt – vor allem für Menschen ohne Hochschulabschluss. Klar ist aber: Arbeitsmigration darf nie zu Ausbeutung führen. Qualifizierungspflichten, Gehaltsuntergrenzen, Tarifbindung und staatlich finanzierte Beratungsangebote ziehen sich durch das gesamte Gesetz. Fachkräftegewinnung muss fair verlaufen und am Arbeitsplatz und in der Gesellschaft auf Akzeptanz und Unterstützung treffen. Hier hat der Öffentliche Dienst einen Vorteil bei der Personalgewinnung, da Tarifbindung die Regel ist.

Neue Instrumente seit dem 1. März

Den größten Paradigmenwechsel bringt die sogenannte „Beschäftigung mit berufspraktischer Erfahrung“. Sie gilt für alle nicht reglementierten Berufe, also im Handwerk, in der Gastronomie oder im Marketing. Für den öffentlichen Sektor kann diese Regelung für Ausbildungsberufe in der öffentlichen Daseinsvorsorge besonders relevant sein – etwa für staatliche Verkehrsbetriebe, Schwimmbäder oder kommunale Energieversorger. Eine zweijährige, staatlich anerkannte Ausbildung im Herkunftsland reicht jetzt aus, wenn man mindestens zwei Jahre relevante Berufserfahrung nachweisen kann und der erste Arbeitsvertrag über der vorgesehenen Gehaltsschwelle liegt (45 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung, aktuell also knapp 3.400 Euro). Von der Gehaltsgrenze abgewichen werden kann nur bei Tarifbindung.

Auf berufsbegleitende Qualifizierung ausgerichtet ist die Anerkennungspartnerschaft. Sie richtet sich an Menschen mit Qualifikationen, die noch nicht als gleichwertig anerkannt sind. Für die Anerkennung der Berufsqualifikation gibt es drei Jahre Zeit, in der Sprachund Fachkenntnisse vertieft werden können. Der Arbeitgeber leistet dabei enge Unterstützung. Während des kompletten Zeitraums kann die Person bereits Vollzeit im Betrieb eingesetzt werden. Das kann den Personalmangel in den Bereichen Pflege und Betreuung entschärfen, etwa in kommunalen Krankenhäusern, Kitas oder Altenpflegeeinrichtungen.

Der Öffentliche Dienst leidet besonders im IT-Bereich unter einem großen Fachkräftemangel. Bereits heute fehlen auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene rund 39.000 Fachkräfte in Informatik- und IT-Berufen. Hochgerechnet auf die Personallücke im Jahr 2030 fehlen dem Öffentlichen Dienst dann rund 140.000 IT-Fachkräfte. Mit dem neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetz wurde die Gehaltsschwelle für IT-Fachkräfte gesenkt. IT-Spezialistinnen und -Spezialisten können nun eine „Blaue Karte EU“ erhalten. Dafür müssen sie keinen Hochschulabschluss besitzen, aber mindestens drei Jahre vergleichbare Berufserfahrung nachweisen können. In diesem Fall gilt die niedrigere Gehaltsschwelle für Mangelberufe (45,3 Prozent der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze, im Jahr 2024: ca. 41.000 Euro). Das macht die Anstellung auch in Einstiegsstellen möglich.

Seit 1. Juni dieses Jahres gibt es außerdem die „Chancenkarte“, mit der Menschen selbstfinanziert zur Arbeitsplatzsuche nach Deutschland kommen können. Sie steht ebenfalls Menschen mit zweijähriger Ausbildung offen, wenn sie im Rahmen eines Punktesystems weitere Voraussetzungen erfüllen, zum Beispiel Berufserfahrung oder Deutschkenntnisse nachweisen.

Eine aktive Willkommenskultur

Damit Menschen sich für Deutschland entscheiden, brauchen wir eine aktive Willkommenskultur. Gleichzeitig muss auch das Wissen über mögliche Karrierewege vermittelt werden. Oft sind ausländische Fachkräfte nicht die ersten Ansprechpersonen, wenn es um Personalwerbung im öffentlichen Sektor geht. Das muss sich ändern. Auch der Öffentliche Dienst sollte bei der Personalgewinnung aktiv auf Menschen mit Migrations- und Fluchtgeschichte zugehen. Denn trotz der Tatsache, dass Menschenmit Migrationshintergrund 23 Prozent der 25- bis 65-jährigen Gesamtbevölkerung ausmachen, liegt ihr Anteil in der öffentlichen Verwaltung bei nur etwa sechs Prozent.

Zu guten Arbeitsbedingungen müssen auch gute Lebensbedingungen kommen. Deutschland ist ein Einwanderungsland. Aber wir haben noch einen weiten Weg vor uns, Deutschland auch für alle zu einem Land zu machen, in dem man sicher lebt und bleiben will. Schwarze Menschen erfahren in keinem anderen EU-Staat so häufig Rassismus wie in Deutschland. Die Deportationspläne der AfD haben viele Menschen nachhaltig verunsichert. Die aktuelle Demokratiebewegung zeigt aber auch, dass weite Teile der Gesellschaft es als ihre Aufgabe sehen, Demokratie und Menschenwürde für alle in unserem Land zu verteidigen. Auch für die diejenigen, die neu dazukommen.

Der Autor des Gastbeitrags ist Hakan Demir, SPD-Berichterstatter für das Fachkräfteeinwanderungsgesetz im Innenausschuss des Deutschen Bundestages.

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