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StartVerteidigungThermisches Durchgehen – eine neue hybride Dimension 

Thermisches Durchgehen – eine neue hybride Dimension 

Wer glaubte mit Drohnen, KI, Desinformation und Cyber-Attacken hätten wir schon die neuesten Möglichkeiten gesehen, der erlebt gerade eine neue Dimension der hybriden Kriegführung. Tausende von funkelnagelneuen  Pagern, die die Hisbollah gerade erst beschafft hatte, explodierten im Libanon – vorwiegend in den südlichen Stadtteilen von Beirut, der Hochburg der Hisbollah – aber auch im syrischen Damaskus.

Die Hisbollah nutzt diese kleinen Funkgeräte, weil sie im Gegensatz zu Smartphones nicht ortbar sind. So können die Mitglieder der Hisbollah untereinander kommunizieren, ohne der israelischen Armee Positionsdaten zu liefern. Der durch die Explosionen entstandene Schaden für die Hisbollah ist enorm und das ohne direkte kriegerische Handlungen. Die fast 3.000 Verwundeten, mindestens 9 Menschen kamen ums Leben, sind Berichten zufolge zumeist Angehörige der Hisbollah. Auch deren Eliteeinheiten seien betroffen. Der personelle Schaden durch die Explosionen ist demnach extrem hoch und zudem mit einem Imageverlust verbunden.

Schon seit längerem gibt es Berichte, dass die israelischen Geheimdienste, wie der Mossad oder der des Militärs, in interne Kommunikationswege der Hisbollah eingedrungen seien, um einzelne Kommandeure auszuschalten. Deswegen nutze die Hisbollah wieder vorrangig ältere Technologien, wie die nicht lokalisierbaren Pager, so auch der iranische Botschafter in Beirut, der ebenfalls durch eine Explosion verletzt wurde.

Für das israelische Militär bzw. die Geheimdienste sind die durch die explodierten Pager entstandenen Schäden von großem strategischem Vorteil und haben eine enorme Abschreckungskraft. Unklar bleibt, wer der Verursacher der massenhaften Explosionen war, zumal Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu allen Regierungsmitgliedern ein Interviewverbot erteilt haben soll. Das ist die israelische Linie: Geheimdienstoperationen werden auch nachträglich nicht öffentlich gemacht.

US-Berichte, denen zufolge in den neuen Pagern – die nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa vermutlich vom taiwanesischen Hersteller Gold Apollo bzw. dessen Vertragspartner in Ungarn geliefert wurden – Sprengstoff eingebaut worden sei, sind aktuell noch nicht bestätigt. (Stand. 18.09.2024, 11.20 Uhr)

Eine zweite Theorie geht davon aus, dass ein Bug, also ein Software-Fehler, der dem Hersteller noch nicht bekannt war, ausgenutzt wurde. Diese Bugs sind bei allen Geheimdiensten heiß begehrt, ermöglichen sie es ihnen doch, in IT-Systeme einzudringen. Sie werden im Darknet für Millionen angeboten oder selbst identifiziert. Auch deutsche Geheimdienste nutzen diese durch Programmierfehler entstandenen Einstiegslücken, um Kommunikation abzufangen oder gar zu manipulieren. Dass solche Software-Lücken jedoch für einen großangelegten hybriden Angriff wie in diesem Fall genutzt werden, ist neu und eröffnet neue Dimensionen der hybriden Kriegführung.

Verschaffen sich staatliche oder womöglich auch private Akteure über Software-Lücken Zugang zum Programm und dann zum Netzwerk, können sie die mobilen Endgeräte ansteuern und zahlreiche Funktionen gleichzeitig aktivieren, um eine Überhitzung zu erzeugen. Notwendig ist zudem, die Schutzfunktion im Endgerät, die bei Überhitzung zu einer automatischen Abschaltung führen soll, auszuschalten. Auch dies ist möglich. Die Überhitzung führt dann zu einer Explosion der Lithium-Batterie. Dies geschieht mit enormer Wucht und großer Hitze, zudem ist der entstandene Brand mit herkömmlichen Mittel nicht zu löschen. Das ist der Grund warum die Feuerwehren E-Autos, die auch mit riesigen Lithium-Batterien ihren Antrieb erhalten, kontrolliert abbrennen lassen. Auch Fluggäste kennen den Hinweis vor dem Abflug: „Sollte sich eines Ihrer Geräte erhitzen, teilen Sie dies bitte dem Personal mit.“ In Passagiermaschinen ist es mittlerweile Standard, nachdem in der Vergangenheit einige neu eingeführte Smartphones wegen Überhitzung explodiert waren, dass erhitzte Geräte in feuersichere Boxen verpackt werden.

Neu ist die initiierte massenhafte Auslösung solcher Explosionen von mobilen Endgeräten in einer militärischen Konfliktsituation im „Feindesgebiet“ mit verheerenden Auswirkungen. Auch wenn Pager in Deutschland nur noch bei Freiwilligen Feuerwehren eingesetzt werden, so verfügen fast alle Bundesbürger über ein Smartphone, viele über ein dienstliches und ein privates. Sie werden mit Lithium-Batterien betrieben, auch sie sind anfällig für Manipulationen. Ist dies womöglich ein neues Angriffsziel in einer verschärften hybriden vor-militärischen Auseinandersetzung oder sogar das Einstiegsszenario vor einer direkten militärischen Konfrontation, neben Cyber-Attacken und Desinformation?

Die Folge wäre vermutlich, wie gestern im Libanon, das Ende von mobiler Kommunikation. Die Regierung dort forderte alle Bürger auf, keine drahtlosen Kommunikationsmittel mehr zu verwenden. Die einzige Ausnahme wären in einem solchen Fall speziell gehärtete Endgeräte. Und von denen gibt es in diesem Land nur sehr wenige.

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