Die Nachrichtendienste in Deutschland müssen unter den Bedingungen einer prekären internationalen Sicherheitslage und zunehmender innenpolitischer Spannungen arbeiten. Diese Herausforderungen treffen auf eine vor der Zeitenwende gestaltete gesetzliche Grundlage. Die Nachrichtendienst-Konferenz des Behörden Spiegel analysiert die Situation und erarbeitet Lösungsvorschläge. Dies gilt besonders im Hinblick auf die anstehende zweite Welle der Novellierung des Bundesverfassungsschutzgesetzes.
„Besonders hoch springen müssen und dabei eine Fußfessel tragen“, so beschrieb Christoph de Vries (CDU), Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr), die gegenwärtige Situation der deutschen Nachrichtendienste am ersten Tag der Nachrichtendienst-Konferenz (ND-Konferenz). Die Hürden, die es dabei zu überspringen gelte, identifizierte Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD), Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI), als zunehmende innere Spaltung. „Der Konflikt im Nahen Osten triggert auch unmittelbar Konflikte im Inneren Deutschlands“, führte sie weiter aus. Dabei bedienten sich sowohl Islamismus als auch Rechtsextremismus antisemitischer Narrative und tragen so zur Spaltung der Gesellschaft bei.
Besagte Spaltung der Gesellschaft liege darüber hinaus auch im Interesse autoritärer Staaten wie Russland, schloss de Vries an. Auf diese Weise versuche der russische Staat, die westliche Unterstützung der Ukraine zu schwächen. Zusätzlich müssten sich die Dienste Herausforderungen im Rahmen der Landes- und Bündnisverteidigung (LV/BV) stellen, fügte Dagmar Busch, Abteilungsleiterin im Bundeskanzleramt, hinzu. Dem zu begegnen bedürfe es einer engeren Verzahnung der militärischen und zivilen Sicherheitsstrukturen, betonte sie. Konkret legten es die russischen Nachrichtendienste darauf an, unsere militärischen Fähigkeiten aktuell und perspektivisch nachhaltig zu beeinträchtigen, erklärte Torsten Akmann, BAMAD-Vizepräsident.
Kritik an der gesetzlichen Grundlage
Diesem hochkomplexen Aufgabenprofil stehe eine im internationalen Vergleich sehr restriktive Regulierung gegenüber, ein Umstand, den de Vries scharf kritisierte. „Wachsenden Bedrohungen durch Terrorismus, Extremismus und hybride Kriegsführung stehen immer weiter zunehmende Einschränkungen des Informations- und Datenaustauschs sowie immer höher werdende Schwellen durch Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und politische Entscheidungen gegenüber“, mahnte er an. De Vries forderte deshalb, den Spielraum des europäischen Rechts für die Nachrichtendienste voll auszuschöpfen. Weitere Verschärfungen des BND-Gesetzes lehnt er strikt ab. Darunter fällt zum Beispiel wie zum Beispiel eine zeitliche Limitierung der Tätigkeiten von V-Leuten auf zehn Jahre.
„Das BND-Gesetz gibt uns keine Leitplanken vor, sondern es ist in vielen Bereichen ein Gesetz, das dem Datenschutz dient“, erklärte Generalmajor Dag Baer, Vizepräsident des BND. Dies möchte er allerdings nicht als Kritik verstanden wissen. Vielmehr illustriere es ein grundsätzliches Problem: Die Kontrolle der Tätigkeit der Nachrichtendienste folge vorrangig dem Individualrechtsschutz.
Das BAMAD setzt einen neuen Fokus
Während im Parlament die weiteren Schritte zur Regulierung der deutschen Nachrichtendienste zur Debatte stehen, entwickelt das Bundesministerium der Verteidigung bereits konkrete Maßnahmen, um auf die neuen Anforderungen zu reagieren. So habe das BAMAD, nachdem der Fokus über Jahre auf der Extremismusabwehr gelegen habe, nun dem Spionage- und Sabotageschutz einen gleichwertigen Stellenwert eingeräumt, erklärte Theodor Höges, Referat Steuerung und Querschnittsaufgaben MAD BMVg. Darüber hinaus diskutiere man im Ministerium, ob man die Sicherheitsüberprüfung vereinfache oder sogar in einem zentralen, behördenübergreifenden Amt abbildet. Die Überlegungen dazu seien jedoch noch nicht abgeschlossen.
MdB Roderich Kiesewetter (CDU), stellvertretender Vorsitzender des PKGr, forderte ein gemeinsames nachrichtendienstliches Lagebild. Auf diese Weise strebt er an, die knappen Ressourcen der Dienste zu bündeln und dem Kanzleramt zur Verfügung zu stellen.