Rückzahlungsklauseln in Arbeitsverträgen sind regelmäßig Gegenstand von arbeitsgerichtlichen Streitigkeiten. Arbeitgeber möchten sich hiermit die Möglichkeit der Rückforderung von übernommenen Aus- bzw. Fortbildungskosten bei einem vorzeitigen Ausscheiden der Beschäftigten aus dem Arbeitsverhältnis sichern. Die Rechtsprechung hat hierfür jedoch hohe Maßstäbe gesetzt, die eine präzise und sorgfältige Formulierung solcher Klauseln notwendig machen.
Dies wird erneut durch die aktuelle Entscheidung des LAG Rheinland-Pfalz vom 16.11.2023 – 2 Sa 90/23 verdeutlicht. Die auf Rückzahlung der Fortbildungskosten in Anspruch genommene Arbeitnehmerin beendete das streitgegenständliche Arbeitsverhältnis durch Eigenkündigung, nachdem sie sich außer Stande gesehen hatte, aufgrund ihrer unverschuldeten dauerhaften Leistungsunfähigkeit weiterhin Arbeitsleistungen zu erbringen. Laut LAG stelle die Rückforderung der Fortbildungskosten in solchen Fällen eine unangemessene Benachteiligung dar.
Sachverhalt
Die Klägerin (Arbeitgeberin) fordert von der aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschiedenen Beklagten (Arbeitnehmerin) die Rückzahlung von Fortbildungskosten. Zwischen der Klägerin und der ehemals bei ihr beschäftigten Beklagten fanden die „Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes“ (AVR) in ihrer jeweils geltenden Fassung Anwendung. § 10a der AVR Caritas enthält eine Rückzahlungsvereinbarung zu Fort- und Weiterbildungskosten.
Im Zusammenhang mit einer von der Beklagten angestrebten Weiterbildung zur „Fachkraft für Klinikhygiene“ unterzeichnete die Beklagte eine von der Klägerin vorformulierte und von § 10a AVR Caritas abweichende Rückzahlungsvereinbarung. In dieser Rückzahlungsvereinbarung, welche keinen Bezug auf § 10a AVR Caritas nimmt, heißt es unter anderem:
„Die Mitarbeiterin verpflichtet sich, sowohl die Weiterbildungskosten (…) als auch die durch die Arbeitgeberin geleistete Vergütungsfortzahlung (…) zurückzuzahlen, wenn sie während der Weiterbildungszeit aus ihrem Verschulden oder auf eigenen Wunsch aus den Diensten der Klägerin ausscheidet.“
Die Beklagte erkrankte, nachdem sie bereits mit der Weiterbildung begonnen hatte, und bezog daraufhin Krankengeld. Bevor sie ihre Weiterbildung abschließen konnte, kündigte die Beklagte ihr Arbeitsverhältnis zu der Klägerin ordentlich.
Die Entscheidung des LAG Rheinland-Pfalz
Das LAG entschied, dass die Klägerin keine Rückzahlung der Weiterbildungskosten von der Beklagten verlangen könne und wies die Klage ab. Die vereinbarte Rückzahlungsklausel benachteilige die Beklagte unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB und sei daher unwirksam.
Ein Rückzahlungsanspruch aus § 10a AVR Caritas komme wegen der später getroffenen Rückzahlungsvereinbarung nicht in Betracht. Der Wortlaut der Rückzahlungsvereinbarung biete keine Anhaltspunkte dafür, dass § 10a AVR Caritas zusätzlich, ergänzend oder ersatzweise eine Rückzahlungsverpflichtung regeln solle. Dies habe zur Folge, dass die vorformulierte und sodann von der Arbeitnehmerin unterzeichnete Rückzahlungsvereinbarung eigenständig und abschließend gelte und § 10a AVR Caritas im Streitfall keine Anwendung finde.
Ein Anspruch aus der Rückzahlungsklausel scheide jedoch aufgrund der unangemessenen Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB aus. Eine unangemessene Benachteiligung in diesem Sinne sei unter anderem dann anzunehmen, soweit die Rückzahlungsklausel auch dann zur Erstattung von Fortbildungskosten verpflichte, wenn das Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis auf einer unverschuldeten dauerhaften Leistungsunfähigkeit beruhe. Der Wortlaut der streitgegenständlichen Rückzahlungsklausel differenziere an diesem Punkt nicht hinreichend. Der Anwendungsbereich der Klausel erstrecke sich dem Wortlaut nach auch auf eine Kündigung, die die Beklagte „auf eigenen Wunsch“ ausspricht, weil es ihr unverschuldet dauerhaft nicht möglich ist, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Rechtsfolge sei daher gem. § 306 Abs. 1 BGB der ersatzlose Wegfall der Rückzahlungsklausel und somit die Verneinung eines Rückzahlungsanspruchs der Klägerin.
Konsequenzen und Bedeutung für die Praxis
Die Entscheidung des LAG zeigt erneut, dass Arbeitgeber bei der Formulierung von Rückzahlungsklauseln mit besonderem Fingerspitzengefühl und differenzierter Genauigkeit vorgehen sollten. Wird bei den Voraussetzungen, die die Rückzahlungspflicht auslösen, nicht hinreichend differenziert, führt dies zur Unwirksamkeit der gesamten Klausel. Der Arbeitgeber geht in diesem Fall leer aus und bleibt bei frühzeitigem Ausscheiden der Beschäftigten auf den investierten Kosten sitzen.
Rückzahlungsvereinbarungen unterliegen in der Regel einer AGB-Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB und dem Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 BGB. Kirchliche Arbeitsrechtsregelungen dagegen, wie auch die der AVR-Caritas, unterliegen lediglich dem Gebot der Normenklarheit, ebenso wie Tarifverträge (BAG, Urteil vom 30.10.2019 – 6 AZR 465/18). Da die Arbeitgeberin im vorliegenden Fall jedoch eine anderslautende vorformulierte Regelung für die Rückzahlungsverpflichtung verwendete, fand die AVR-Caritas und der damit verbundene geringere Prüfungsmaßstab keine Anwendung. Das Gericht ließ in hiesigem Fall daher offen, ob § 10a AVR unter diesen Umständen wirksam gewesen wäre. Haben kirchliche Arbeitgeber die Absicht, in den Anwendungsbereich des geringeren Prüfungsmaßstabes zu gelangen, so dürften neben der vollumfänglichen Bezugnahme auf ihre AVR keine anderslautenden vorformulierten Klauseln verwendet werden.
Soweit das LAG die vorformulierte Vereinbarung zur Rückzahlung der Weiterbildungskosten für unwirksam erklärt hat, entspricht dies der bisherigen Rechtsprechung. Nach dieser ist eine vorformulierte Vertragsbedingung, wonach der Arbeitnehmer die Kosten einer vom Arbeitgeber finanzierten Fortbildung zu erstatten hat, wenn er das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der vorgesehenen Bindungsdauer aus seinem Verschulden beendet, zwar regelmäßig zulässig (BAG, Urteil vom 19.1.2011 – 3 AZR 621/08). Allerdings soll der Arbeitnehmer zur Rückzahlung nur dann verpflichtet sein, wenn das Arbeitsverhältnis aufgrund von Umständen endet, die in den alleinigen Risiko- und Verantwortungsbereich des Arbeitnehmers fallen.
Nach aktueller Rechtsprechung des BAG (BAG, Urteil vom 1.3.2022 – 9 AZR 260/21) ist es unzulässig, die Rückzahlungspflicht schlechthin an ein Ausscheiden aufgrund einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers innerhalb einer vereinbarten Bindungsfrist zu knüpfen. Die Eigenkündigung aufgrund unverschuldeter dauerhafter Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers falle dabei nicht in den Verantwortungsbereich des Arbeitnehmers, sondern sei dem unternehmerischen Risiko des Arbeitgebers zuzuordnen. Mit dieser Annahme folgt das LAG hier der Rechtsansicht des BAG. Erfasst eine Rückzahlungsklausel demnach auch die Kostenerstattungspflicht des Arbeitnehmers im Falle einer vor dem Ablauf der Bindungsdauer ausgesprochenen Eigenkündigung wegen einer unverschuldeten dauerhaften Leistungsunfähigkeit, so sei dies gemäß § 307 Abs. 1 BGB unangemessen benachteiligend.
Besonders relevant für die Praxis ist hier, dass es im Streitfall nicht darauf ankommt, ob Arbeitnehmer*innen tatsächlich eine unverschuldete personenbedingte Eigenkündigung aussprechen. Nicht erst der unangemessene Gebrauch im konkreten Fall mache die Klausel unwirksam, sondern bereits die bloße unangemessene Benachteiligung aufgrund der inhaltlichen Formulierung (BAG, Urteil vom 1.3.2022 – 9 AZR 260/21).
In der Konsequenz bedeutet dies, dass Arbeitgeber bei der Formulierung von Rückzahlungsklauseln darauf achten sollten, unmissverständlich zwischen solchen Gründen zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Ablauf der Bindungsdauer zu unterscheiden, die entweder aus der Sphäre der Arbeitnehmenden oder aus der Sphäre des Arbeitgebers resultieren. Eine Rückzahlungsverpflichtung darf nur aus Gründen vorgesehen werden, die aus der Sphäre des Arbeitgebers stammen. Die unverschuldete personenbedingte Eigenkündigung sollte vorsichtshalber hiervon ausdrücklich ausgeschlossen werden.
Der Autor des Gastbeitrags ist Dr. Björn Braun von der Küttner Rechtsanwälte Partnergesellschaft.