Ende November wurde die Klinikreform verabschiedet, Anfang 2025 tritt sie schrittweise in Kraft. Was kommt damit auf die Kommunen zu?
Das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz ist für Marc Elxnat mit gleich mehreren Risiken behaftet. „Viele Klinikstandorte im ländlichen Raum werden auch weiterhin in ihrer Existenz gefährdet sein“, sagt der zuständige Beigeordnete des Deutschen Städte- und Gemeindebunds (DStGB). Eine vollumfängliche medizinische Versorgung ist dadurch vielerorts fraglich. Dass die Reform in ihrer jetzigen Fassung angeschlagene Krankenhäuser aus den roten Zahlen holt, glaubt Elxnat nicht. „Die Reform wird die Insolvenzwelle nicht abwenden“, sagt er.
Innerhalb der vergangenen zwei Jahre haben bundesweit 48 Kliniken Insolvenz angemeldet. Das Ende der Fahnenstange ist damit noch nicht erreicht: Weitere Krankenhausstandorte stehen vor der Pleite, 30 Prozent von aktuell 1.719 Krankenhäusern wirtschaften bereits defizitär.
Ende November hat der Bundesrat dem Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz, besser bekannt als Klinikreform, aus der Feder von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach grünes Licht gegeben. Das neue Gesetz soll den Krankenhäusern den finanziellen Druck nehmen, gleichzeitig ist eine größere medizinische Spezialisierung vorgesehen. Anfang 2025 folgt die schrittweise Umsetzung des Gesetzes. Lauterbach bezeichnet es schon jetzt als größte Gesundheitsreform seit 20 Jahren.
Die darin enthaltenen Kernpunkte: Das bisher gültige, auf Fallpauschalen basierende Vergütungsprinzip wird folgendermaßen ersetzt: Krankenhäuser erhalten künftig 60 Prozent ihrer Vergütung für das Vorhalten von bestimmten Angeboten, 40 Prozent werden weiterhin über die Fallpauschale berechnet. Der Gedanke dahinter: Medizinisch nicht optimale Eingriffe sollen in Zukunft vermieden werden.
Transformationsfonds mit vielen Mängeln
Finanziert wird die Reform mit Hilfe eines „Transformationsfonds“, der ein Volumen von 50 Milliarden Euro aufweist. Die Hälfte des Geldes stellen die Länder bereit, die übrige Hälfte kommt aus dem Topf der gesetzlichen Krankenkassen. Auch nach dessen Verabschiedung ist die Kritik an dem neuen Gesetz immer noch laut.
Marc Elxnat vom Städte- und Gemeindebund findet die Idee des Transformationsfonds zwar richtig, allerdings sei einiges davon nicht durchdacht. „Seit 2022 sind in den Kliniken immense, nicht kompensierte Kosten aufgelaufen“, erklärt er. Die Krux des Fonds bestehe nun darin, dass ausschließlich nicht insolvenzgefährdete Kliniken Mittel daraus bekommen. „Der kalte Strukturwandel wird damit nicht abgewendet“, so Elxnat. Eine neue Bundesregierung müsse hier dringend Abhilfe schaffen.
Die Implikationen der Reform auf die Kommunen sind aus seiner Sicht zum jetzigen Zeitpunkt nicht absehbar, die Reform sei für Städte und Gemeinden eine „Black Box“. „Es ist misslich, dass bei einem so großen Projekt keine Klarheit für die Kommunen besteht“, sagt Elxnat. Nach seiner Auffassung wäre es für die Entscheidung über das Gesetz wichtig gewesen, Indikatoren dafür zu haben, wo Krankenhausstandorte erhalten bleiben könnten und wo sie möglicherweise schließen müssen. „Das alles haben wir nicht.“
Auch Jörg Freese, zuständiger Beigeordneter des Deutschen Landkreistags, sieht die Reform kritisch. „Die Kliniken werden weiterhin ungesteuert und ungeplant in den wirtschaftlichen Ruin getrieben“, prognostiziert er. In der Fläche sei die Versorgung nicht sichergestellt und auch durch weiter entfernte, spezialisierte Krankenhäuser nicht aufzufangen.
„Wir haben große Bedenken, dass das Gesetz zur Erfolgsgeschichte wird“, sagt Freese. Die Kritikpunkte des Beigeordneten: Es sei eine Vorhaltevergütung nötig, die den Namen auch verdiene. In ihrer jetzigen Form führe diese nicht zum Ziel. Denn: Klinken, die aufgrund einer dünnen Besiedlung nicht auf die vorgegebenen Patientenzahlen kommen, würden auch mit der neuen Vorhaltepauschale nicht ausreichend finanziert. Zudem würden bestimmte Qualitätsvorgaben über das Ziel hinausschießen, da für die Umsetzung der Vorgaben nicht ausreichend Ärzte vorhanden seien.
Wenige Kliniken mit schwarzer Null
Die Finanzierung über den Transformationsfonds sieht Freese ebenfalls kritisch: „Das Geld ist nicht da, die Länder müssten sich das aus den Rippen schneiden.“ Dass beispielsweise die gesetzlichen Krankenkassen gegen den Finanzierungsweg klagen, hält Freese nicht für ausgeschlossen.
„Auch 2025 werden Krankenhäuser mit Forderungen an ihre Träger herantreten und nur wenige werden es schaffen, mit einer schwarzen Null über die Runden zu kommen“, fügt er hinzu. Es sei möglich, dass kommunal geführte Krankenhäuser künftig vom Träger aufgegeben werden, weil die nötigen Finanzmittel im Kreishaushalt fehlen.
Die Allianz Kommunaler Großkrankenhäuser (AKG), die insgesamt 30 Großkrankenhäuser und Krankenhausverbünde vertritt, gewinnt der Reform hingegen positive Aspekte ab. Diese werde voraussichtlich zu einer „deutlichen Effizienzsteigerung im Gesundheitssystem“ führen, schreibt sie in einem Pressestatement. So würden spezialisierte Leistungen an ausgewählten Standorten konzentriert und es erfolge eine bessere Koordination von Patientinnen und Patienten in geeignete Kliniken.
Dabei weist die AKG darauf hin: Für den Erfolg der Reform müssten kurzfristig finanzielle Mittel zur Verfügung stehen. Der von der noch amtierenden Bundesregierung gewählte Finanzierungsweg verspreche – mit Blick auf die nicht erfolgte Haushaltseinigung und kurzfristige Neuwahlen – „eine gewisse Planungssicherheit“. Finanzielle Versorgungsengpässe in einer Übergangsphase seien aber möglich.
Beschleuniger für Beitragserhöhungen in der GKV
Diese dürften nicht nur durch die Finanzlage der Länder und Kreishaushalte entstehen, auch bei den gesetzlichen Krankenkassen klafft bekanntermaßen ein Milliardenloch. Die stellvertretende Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbands, Stefanie Stoff-Ahnis, erklärt hierzu: Die Zusatzkosten von 2,5 Milliarden Euro pro Jahr, die die Kassen zur Teil-Finanzierung des Transformationsfonds aufbringen müssen, seien „ein zusätzlicher Beschleuniger“ für weitere Beitragssatzerhöhungen in den kommenden Jahren. „Eine undifferenzierte Gießkannenfinanzierung zum Erhalt modernisierungsbedürftiger Strukturen bis zur Umsetzung der Krankenhausreform sind keine Option“, erklärt sie weiter. In der nächsten Legislaturperiode müsse es deshalb darum gehen, die Krankenhausreform besser zu machen. „Es ist wichtig, dass weitere Strukturierungen folgen, die zu einer besseren Versorgung der Patientinnen und Patienten führen“, so die stellvertretende GKV-Vorsitzende.
Vor diesem Hintergrund hatte Bundesgesundheitsminister Lauterbach bereits angekündigt, möglicherweise auch die privaten Kassen zur Finanzierung des Transformationsfonds heranzuziehen. Der Verband der privaten Krankenkassen (PKV) hält die Finanzierung des Transformationsfonds mit Versichertengeldern sogar für verfassungswidrig. Sowohl Klinikplanung wie auch deren Auf- und Umbau genauso wie die Investitions-Finanzierung sei die Aufgabe der Bundesländer, schreibt er in einem Statement für den Behörden Spiegel. Die Länder würden hingegen seit Jahrzehnten ihrer Finanzierungsverpflichtung nicht nachkommen und so die Finanznöte bei den Krankenhäusern vergrößern.
„Die Kommunen sind nicht länger in der Lage, für die Krankenhäuser als Ausfallbürgen einzuspringen und sie mit Beträgen in teils dreistelliger Millionenhöhe pro Jahr zu bezuschussen“, sagt der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, Helmut Dedy. Bund und Länder müssten gemeinsam „eine tatsächliche Krankenhausplanung aufstellen und systemrelevante Häuser erhalten“, die strukturelle Unterfinanzierung der Krankenhäuser müsse nachhaltig beseitigt werden. Die Finanzierung des Transformationsfonds aus Landesmitteln und Mitteln der gesetzlichen Krankenkassen sieht auch der Deutsche Städtetag kritisch.
Doch die Zustimmung des Bundesrates zur Klinikreform ist aus seiner Sicht „das richtige Signal, um die weiteren Reformschritte anzugehen“. Um das Gesetz praxistauglich zu machen, müsse aber in einigen Punkten nachgesteuert werden.